Mit vielen Büchern und heißer Schokolade durch die Weihnachtsnacht

Die alljährliche isländische Bücherflut zum Fest – jólabókaflóð – gehört zu den am schwierigsten auszusprechenden, aber schönsten Weihnachtstraditionen der Welt. Noch besser: Sie wirkt auch ausgesprochen konflikthemmend.

Reykjavik
Heiligabend in Reykjavik: Bald ziehen sich die Bewohner der Hauptstadt zum Lesen zurück. Foto: Adobe Stock

In Island wird an Weihnachten gelesen. Bücher schmücken jeden Gabentisch. Allein der Gedanke an ein Buchgeschenk ist für die Menschen im Inselstaat ein Vorbote des Fests – wie einst die Äpfel, die auf Schiffen im Winter auf die Insel gebracht wurden.

13 Weihnachtsmänner bringen noch mehr Bücher

Erwachsene wie Kinder bekommen hier ganz überwiegend Bücher geschenkt – auch von den Jólasveinar, den dreizehn isländischen Weihnachtsmännern, die hier im Dezember ihren Dienst versehen. Wenn die Bescherung vorüber ist und das Haus zur Ruhe gekommen ist, kuschelt man sich in eine gemütliche Leseecke unter den Weihnachtsbaum, um in den neuen Bücher zu lesen.

Dazu gibt es heißen Kakao oder Schokolade (oder beides). Das Besondere daran: Alle beginnen zu lesen, bis tief in die Nacht, wenn schließlich der Schlaf siegt. Anderntags geht es dann weiter. Das macht Freude und reduziert Festtagsstreitigkeiten, denn Spannungen beschränken sich hier in der Regel auf die Handlung von Krimis.

Versorgungsengpässe beförderten die Bücherflut

Hintergrund der weihnachtlichen Bücherflut waren Versorgungsengpässe während des Zweiten Weltkriegs. Damals zählte Papier zu den wenigen Produkten, die keiner Rationierung unterlagen. So blieb der Buchdruck erschwinglich und die meisten Menschen entschieden sich dazu, ihren Nächsten mit Lektüre eine Freude zu machen. Als nach dem Krieg auch andere Luxusartikel wieder zu haben waren, hatte sich die Tradition bereits etabliert.

Im Herbst beginnt der Bücherkaufrausch

Zur Vorbereitung wird bereits im Herbst ein über 80 Seiten starker Katalog mit den isländischen Neuerscheinungen aller literarischen Genres an die Haushalte verteilt. Und schon beginnt die Planung der Geschenke. Die Buchhandlungen des Landes sind im Advent ein Treffpunkt für alle und bleiben bis Mitternacht geöffnet. Vor dem Fest senken die Buchhändler zudem die normalerweise recht hohen Buchpreise, um die Flut in Gang zu bringen.

Literatur als Teil der nationalen DNA

Island hat eine nahezu perfekte Alphabetisierungsrate und besitzt eine lebhafte Verlagsszene. Literatur hat in der Kultur des Landes seit jeher einen besonderen Stellenwert. Altisländische Sagen und Epen sind hier umfangreicher erhalten als in anderen nordischen Sprachräumen.

Denn seine Literatur war für das kleine Land, das seit dem 13. Jahrhundert von Norwegen und ab dem 14. Jahrhundert von Dänemark beherrscht wurde und erst 1944 seine Unabhängigkeit erlangte, immer ein wichtiger Teil seiner Identität.

Nach der Unabhängigkeit dauerte es nicht lange, bis Island sich über internationale Anerkennung seiner Literatur freuen konnte. 1955 erhielt Halldór Laxness als erster gebürtiger (und bislang einziger) Isländer für seine Erzählkunst den Nobelpreis für Literatur. Heute sind viele isländische Thriller, Romane und Erzählungen international erfolgreich.