Was hat Permafrost mit einem „Löffel in der Teetasse“ zu tun? Forscher erklären, wie sich Gesteine erwärmen
Wenn der Permafrost in den Hochgebirgen abnimmt, könnten auch die Gebirge selbst porös werden – so der derzeitige Stand der Forschung. Dadurch kann es zu massiven Erdrutschen und Abspaltungen im Fels kommen. Ganze Berge könnten wegbrechen.

Wie schnell sich die Wärme im Untergrund ausbreitet, entscheidet in den Hochgebirgen darüber, ob der Fels stabil bleibt oder instabil wird. Besonders für den Permafrost, also den dauerhaft gefrorenen Untergrund, sind Temperaturänderungen eine kritische Größe. Mit dem fortschreitenden Klimawandel wird deshalb die Frage immer wichtiger, wie rasch sich die Erwärmung in der Tiefe fortsetzt.
An der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) hat Samuel Weber vom Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) nun ein neues Vorgehen entwickelt, mit dem erstmals die Temperaturleitfähigkeit direkt im Permafrost bestimmt werden kann. Veränderungen in Gebirgsregionen können somit früher erkannt und Naturgefahren besser eingeschätzt werden.
„Wir bestimmen, wie gut der Fels die Temperatur leitet, das ist eine materialspezifische Eigenschaft“, erklärt Weber seine Arbeit, deren Ergebnisse in The Cryosphere veröffentlicht wurden. „Wenn wir verstehen, wie rasch Temperaturänderungen in die Tiefe vordringen, können wir viel zuverlässiger einschätzen und besser modellieren, wie sich der Permafrost im Klimawandel entwickelt.“
Direkt am Bohrloch gemessen
Bisher stützte sich die Forschung auf wenige Laborwerte und Literaturangaben. Feldmessungen fehlten fast vollständig. Genau hier setzt Webers Ansatz an. Statt Gesteinsproben zu entnehmen und aufwendig im Labor zu analysieren, nutzt er bestehende Temperaturdaten aus Bohrlöchern.
– Samuel Weber, Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF
Grundlage ist die physikalische Wärmeleitungsgleichung, aus deren Lösung sich die Temperaturleitfähigkeit direkt ableiten lässt. Angewendet wurde das Verfahren auf alle Tiefen der 29 Bohrlöcher des Schweizer Permafrostmessnetzes PERMOS. Dabei traten deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Geländeformen zutage, etwa zwischen Blockgletschern, Schutthalden und steilen Felswänden.
Besonderheit von Granit
Der Vorgang lässt sich anschaulich mit einem Alltagsbild erklären. „Man kann sich das vorstellen wie bei einem Löffel in einer Teetasse“, sagt Weber. „Ist er aus Metall, ist er nach Sekunden spürbar heiß. Einer aus Holz benötigt viel länger, also Minuten.“ Auch Gesteine nehmen Wärme unterschiedlich schnell auf und leiten sie weiter.
So zeigt sich, dass Granit Wärme etwa doppelt so schnell transportiert wie Schiefer. Klimatische Veränderungen wirken sich dort also früher aus als in Gesteinen mit geringerer Leitfähigkeit.

Das heißt allerdings nicht, dass Granitwände schneller einstürzen. Denn Wärme sei nur ein Faktor unter vielen, so Weber. Doch die neuen Daten fließen nun in Modelle ein, die genauere Aussagen zum Wärmetransport und zu den Materialeigenschaften erlauben.
Spannend sind auch Abweichungen zwischen Modell und Messung. „Dabei haben wir auch Anomalien gefunden“, sagt Weber. Die deuten auf zusätzliche Prozesse hin, etwa auf Wasser, das in die Tiefe eindringt und Wärme besonders effizient transportiert. Besonders in Schutthalden breitet sich Temperatur langsamer aus als im massiven Fels. Der Grund liegt in den Hohlräumen zwischen den Gesteinsbrocken, die mit Luft, Eis und Wasser gefüllt sind.
Verändert sich die Temperaturleitfähigkeit im Laufe der Zeit, lässt das Rückschlüsse auf die Zusammensetzung im Untergrund zu. Damit wird ein neues Fenster geöffnet, um verborgene Vorgänge im Permafrost zu beobachten – und mögliche Gefahren früher zu erkennen.
Quellenhinweis:
Weber, S., Vieli, A., Phillips, M., & Cicoira, A. (2025): Thermal diffusivity of mountain permafrost derived from borehole temperature data in the Swiss Alps. The Cryosphere, 19, 12, 6727–6748.