Neue Strukturen in der Landwirtschaft – ein Weg aus der Klimafalle?

Veränderungen sind mühsam. Sie beginnen im Kopf und erfordern Mut sowie Durchhaltevermögen. Die Ausgangslage auch für die Landwirtschaft: wie real sind die aktuellen Herausforderungen und wie kann sie dazu beitragen, diese zu bewältigen?

Solidarische Landwirtschaft
Kleinbäuerliche Strukturen in der Landwirtschaft als Zukunftsmodell

In zwei vergangenen Artikeln habe ich das Thema Landwirtschaft an Beispielen aus der Milchviehwirtschaft und der Rinderhaltung beleuchtet. Heute geht es um strukturelle Fragen, also die Zukunft kleinstrukturierter Landwirtschaft im Vergleich zu landwirtschaftlichen Großbetrieben, wie sie z.B. in Deutschland oder den USA vorherrschen. In unserem Nachbarland Österreich setzt sich die Vereinigung der Klein- und Bergbauern schon seit 30 Jahren für Ernährungssouveränität ein. Sie definiert damit das Recht aller Völker, Länder und Ländergruppen, ihre Landwirtschafts- und Ernährungspolitik selbst zu definieren.

Hunger und Klimawandel fordern Veränderungen

Laut Welternährungsorganisation werden auch 2030 noch acht Prozent der Weltbevölkerung unter Hunger leiden – eine identische Zahl zum Jahr 2015. Was muss sich ändern? Wie kann sich Landwirtschaft gut und nachhaltig um die Menschen und um die Natur kümmern?

Die österreichische Monatszeitschrift DATUM-Seiten der Zeit hat sich der Thematik angenommen. In ihrem aktuellen Newsletter Breitengrade sieht die Redakteurin Katharina Brunner die Antwort in kleinbäuerlichen Strukturen, Direktvermarktung, fairen Arbeitsbedingungen für Arbeitskräfte in Landwirtschaft und Gärtnereien sowie sozial-ökologischer Wirtschaft. Derartige Strukturen sind in Österreich noch vielfach vorhanden. Sie nennt ein Beispiel aus der solidarischen Landwirtschaft, die auch in Deutschland stetig wächst und an Zuspruch gewinnt. Dieses System fördert kleinbäuerliche Landwirtschaft, in dem sich die Abnehmer über Ernteanteile an den kleinen Betrieben beteiligen.

Die Wiege der solidarischen Landwirtschaft stand in Japan

Das japanische Wort für Kooperation heißt »Teikei«. Zu Beginn der 1960er-Jahre schloss sich eine Gruppe von Frauen in Japan zusammen, um frische Milch direkt bei den Erzeugern zu kaufen. Der Hauptgrund war ihr Misstrauen zur Qualität der Nahrungsmittel im Supermarkt. Der Japaner Teruo Ichiraku, hatte seinerzeit Menschen über die Nachteile von Pestiziden aufgeklärt. So entstand »Teikei«, eine Bewegung von Konsumenten und Erzeugern, die sich unabhängig vom allgemeinen Markt machen wollten. Im Laufe der Jahre schwappte die Welle auch zu uns und führte zu einem Netzwerk, das heute unter der Kurzform Solawi für Solidarische Landwirtschaft als gängige und bekannte Bezeichnung steht. Im englischsprachigen Raum ist die Bewegung als Community Supported Agriculture (CSA) bekannt.

Eine Frage der Fläche

In Österreich bewirtschaften Betriebe im Schnitt rund 23 Hektar. Durchschnittlich 445 Hektar groß sind Landwirtschaften in den USA. In Deutschland sind es 63 Hektar, allerdings mit regional bedeutenden Unterschieden. Nach der letzten Agrarstrukturerhebung von 2016 war in Mecklenburg-Vorpommern der durchschnittliche landwirtschaftliche Betrieb 273 Hektar groß, in Bayern dagegen nur 36 Hektar.

Fast alle Länder Europas laufen in Gefahr, ihre kleinbäuerlichen Strukturen zu verlieren. Betriebe mit über 50 Hektar Kulturfläche nehmen zu, Betriebe mit kleineren Flächen nehmen ab. Nach dem Prinzip »Wachsen oder Weichen« werden kleinbäuerliche Betriebe seit Jahrzehnten gedrängt, entweder mehr Flächen zu bebauen, mehr zu produzieren, um konkurrenzfähig zu bleiben – oder zurück in die reine Selbstversorgung zu gehen und die Landwirtschaft zum Hobby zu machen. Diese Entwicklung hat Deutschland bereits in vielen Bundesländern hinter sich. Aber: der gegenläufige Trend ist vorhanden und nimmt an Geschwindigkeit zu, wenn auch noch etwas langsam.

Die Bewegung ist international!

1993 kamen in Belgien zum ersten Mal Menschen aus verschiedensten Kontinenten zusammen, um ein internationales Bündnis für kleinbäuerliche Landwirtschaft zu gründen. Sie nannten es »La Vía Campesina« – Spanisch für: der bäuerliche Weg. Nach 30 Jahren ist aus der Bewegung eine internationale Welle geworden, zu der Landwirtinnen und Landwirte, Fischerinnen und Fischer indigene Gemeinschaften gehören. In Deutschland ist die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. (ABL) Mitglied bei Via Campesina. Es lohnt sich, die internationalen Aktivitäten des Bündnisses im Einzelnen zu betrachten, um zu sehen, wie die Mitglieder intensiv an einer Stärkung des Verbandes arbeiten. Auch ein 30-minütiger Filmbeitrag zu Via Campesina ist sehenswert.

Die Perspektiven

Die derzeitige weltweite Subventionspolitik der Landwirtschaft bedarf dringend einer Veränderung. Jährlich werden 540 Milliarden US-Dollar an direkten und indirekten Agrarsubventionen ausgeschüttet. 87 Prozent dieser Fördergelder, also 470 Milliarden Dollar, haben nach einem Bericht der UN negative Folgen für die Bevölkerung oder die Umwelt. So führen rein flächenorientierte Agrarsubventionen dazu führen, dass ökologisch nachteilige Monokulturen in der Landwirtschaft auf immer mehr Großflächen angebaut werden. In der Viehwirtschaft profitieren Großbetriebe von stückzahlbasierten Subventionen, was Massentierhaltung unterstützt.

Die UN-Experten haben eine klare Forderung formuliert. Finanzielle und steuerliche Subventionen in der Landwirtschaft müssen dringend verändert werden, um die Produktion in die richtige Richtung zu lenken. Es ginge nicht um Subventionen als solche, die eine gute Möglichkeit seien, um Entwicklungen zu lenken. Vielmehr seine die Kriterien unbedingt zu verändern: Eine nachhaltige, klimafreundliche oder ökologische Landwirtschaft müsse viel stärker gefördert werden als Produktionsmethoden, die Ressourcen verbrauchen und das Klima und die Umwelt belasten. Genau das ist die große Chance der kleinbäuerlichen Landwirtschaft.

An den Empfehlungen haben federführend drei UN-Organisationen mitgewirkt, und zwar Experten des UN-Umweltprogramms (UNEP), des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) und der Welternährungsorganisation (FAO).

Die Zukunft wird zeigen, ob diese geballte Expertenmeinung bei der politischen Entscheidungsfindung eine Rolle spielt – oder ob die vdie Macht der Agrarindustrie und der landwirtschaftlichen Großbetriebe eine Veränderung verhindert.