Grünland-Beweidung: Klima- und Artenschutz in der Landwirtschaft

Drei wissenschaftlich begleitete Projektjahre bestätigen: standortgerechte und resiliente Grünlandbewirtschaftung als Veränderung der Milchkuh- und Rinderhaltung sind positiv für Artenvielfalt und Reduzierung des Methanausstoßes

Grünland-Beweidung
Mit reiner Grünland-Beweidung die Landwirtschaft verbessern

Die Landwirtschaft kann aktiv zur Reduzierung des Treibhausgases Methan in der Rinderzucht und Milchwirtschaft beitragen. Als gemeinsamer Nenner wurde im Projekt »KUHproKLIMA« das ganzheitliche Weidemanagement »Holistic Planned Grazing« eingesetzt. Zudem sollen durch die Nutzung natürlicher Ökosystemprozesse sowohl das Arbeitsvolumen als auch die Betriebskosten gesenkt werden. Im Projekt KUHproKLIMA wurden durch die Integration unterschiedlich wirtschaftender Betriebe diverse Ausgangsbedingungen ermittelt. Über ein enges Monitoring wurden Veränderungen und Fortschritte der Ökosystemleistungen über die gesamte Projektlaufzeit hinweg kontrolliert.

Wissenschaft unterstützt das System der reinen Grünland-Fütterung

Die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege war einer der wissenschaftlichen Kooperationspartner des Projekts. Auch die Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität Kiel beteiligten sich an den Untersuchungen. Die EU unterstützte das Projekt mit dem Programm »Europäische Innovationspartnerschaft EIP-Agri«.

Weiden und Wiesen gehören zum sogenannten Grünland, einer vom Menschen über Jahrtausende geschaffene Kulturlandschaft. 30 Prozent der Landfläche in Mitteleuropa sind mit Dauergrünland bedeckt. In Deutschland speichert der Boden im Humus unter dem Grünland im Schnitt 499 Tonnen CO₂ pro Hektar, mehr als in Waldböden. Obendrein bietet es Lebensraum für mehr als 2.000 Pflanzen und 3.500 Insektenarten.

Gründland verbuscht, wenn es nicht regelmäßig gepflegt, also gemäht oder abgegrast wird. Die Kuh ist also für die Natur unverzichtbar. Die zunehmende Trockenheit setzt auch dem Grünland zu. Kann die ökologische Weidewirtschaft auch hier neue, positive Erkenntnisse zu einer verbesserten Wasserbindung im Boden liefern?

Die wissenschaftliche Projektleiterin bei »KUHproKLIMA«, Ingenieurökologin Franziska Hanko, war von Anfang an überzeugt, dass es eine Tierhaltung gibt, die dem Klima nützt. Sie untersuchte auf sieben Höfen im Allgäu in mehreren Jahren, wie sich eine gemähte Wiese in Bodengesundheit und Pflanzenbestand von einer Weide unterscheidet, auf der Kühe grasen. Üblicherweise wird ein Drittel der Flächen klassisch bis viermal im Jahr gemäht. Es zeigte sich, dass es auf diesen Flächen keine hohe Artenvielfalt der Pflanzen gab. Die hohe Schnittfrequenz verminderte die Aussamung. Auch die Wurzelschicht war karg. Traktorüberfahrten beim Mähen verdichteten den Boden, sodass kleine Feinwurzeln keine Chance hatten, sich im dichteren Boden zu bilden.

Die Artenvielfalt und die Bodenqualität veränderten sich komplett, sobald die Kuh ins Spiel kam. Auf einer rein gegrasten Wiese, die weder mit Gülle gedüngt noch gemäht wurde, fand Franziska Hanko komplett andere Ergebnisse: »Mehrmals im Jahr werden die Pflanzen abgebissen. Das regt zum Wachsen an. Anders als das Mähen«, so ihr Urteil. »Auch der Tritt der Tiere und ihre Ausscheidungen verändern die Weide und ihre Strukturen.«

Die Artenvielfalt und -dichte verblüffte die Wissenschaftlerin. In kleinen Bodenausstichen fand sie Millionen von Samen sowie viele Tief- und Flachwurzler. Eine gute Durchwurzelung sei speziell in Hanglagen wie dem Allgäu wichtig. Dadurch könne Wasser besser eindringen und gebunden werden. Die Nährstoffe verbleiben im Boden, der auch vor Erosion besser geschützt sei. Die Kühe des Projekts »KUHproKLIMA« bekommen Sommer wie Winter nur Gras und Heu von den eigenen Wiesen. Kraftfutter sei tabu. Zugekauft werde nichts.

Beeinflusst reine Grünland-Fütterung auch den Methanaustoß?

Forschenden der Universität Kiel bestätigen, dass reine Grünland-Beweidung und der richtige Futtermix den Methanausstoß reduzieren und die Milchleistung erhöhen. Im Versuchsgut Lindhof der Universität weiden etwa 100 Jersey-Rinder im Dienst der Wissenschaft. Seit mehr als 25 Jahren beschäftigt sich Prof. Friedhelm Taube mit dem Zusammenhang zwischen Futter, Kuh und Umwelt. Die rein aus Weidefutter ernährten Jerseys geben etwa 7.300 Liter Milch. Eine Holstein-Friesian-Kuh mit einem Leistungspotential von 10.000 oder 12.000 Litern benötigt für die Energiezufuhr zusätzliches Kraftfutter.

In Deutschland gibt es elf Millionen Rinder, die Methan ausstoßen. Jedes Tier nimmt jeden Tag etwa 45 bis 60 Kilogramm Futter zu sich. Auf der Weide sind das Gras, Klee und Kräuter, im Stall Mais, Stroh und Kraftfutter aus Getreide. Dieses Futter landet unzerkaut im Pansen, wo Milliarden von Bakterien leben und Zellulose aufspalten. So kommen Nährstoffe zustande, die die Kuh verwerten kann. Die Zellulose wird in einem Fermentationsprozess vergoren. Dabei entsteht Methan, immerhin ca. 100 Kilo pro Kuh und Jahr. Methan ist etwa 25-mal klimaschädlicher als CO2 und hat den Ruf der Kuh als Klimakiller geschaffen.

Für Friedhelm Taube liegt das aber nicht an der Kuh, sondern an der Haltung und vor allem der Fütterung. Seit fünf Jahren untersucht sein Team den Methanausstoß ihrer Jerseys. Ein neues Messsystem erfasst mit ultra-empfindlichen Sensoren die Treibhausgase, die von der Kuh stammen - und zusätzlich die natürlichen Emissionen, die der Boden abgibt.

Getestet wird auf Weiden mit unterschiedlichen Pflanzenmischungen. Auf einer Weide wächst die Standard-Grünlandmischung mit Weidegras und Weißklee. Was ein Landwirt im Stall als Konzentrat-Futter auf Basis von Getreide zusetzt, liefert dieses Gras mit Zucker im Halm und damit sehr hochverdaulichem Material. Auf einer parallelen Weide wurde eine Mischung angesät, die auch andere Kleesorten und Kräuter enthält, was die Forscherinnen als »Gourmet-Mix« für Kühe bezeichnen. Ihr Fazit: der Gourmet-Mix beeinflusst die Methan-Emission positiv. Sie wird dadurch reduziert, dass dieses Futter hoch verdaulich ist und den Verdauungstrakt deutlich schneller passiert. Dadurch seien die Methan-Emissionen pro Liter Milch niedriger als bei einer 10.000-Liter-Kuh im Stall mit Kraftfütterung.

Das Verwendung von Kraftfutter bei der intensiven Rinderzucht unterschlage auch eine zentrale Größe, und zwar die Fläche, die für die Erzeugung der Importfuttermittel in den konventionellen Betrieben notwendig ist: den Weizen, der in Nachbarländern wächst, den Körnermais aus Rumänien oder das Soja aus Brasilien. Intensivbetriebe importieren im Schnitt zwei bis drei Tonnen Futter pro Kuh. In Kombination mit den guten Milchleistungen und dem geringen Import sind nach Ansicht der WissenschaftlerInnen die Auswirkungen auf den Product Carbon Footprint beachtlich. Zur Erzeugung von einem Kilogramm Standardmilch werde außerdem weniger Fläche benötigt als in der Intensiv-Stallhaltung.

Bessere Agrarpolitik für besseres Klima

Die europäische Agrarpolitik hat seit Jahrzehnten eigene Prioritäten. Die deutsche Landwirtschaft war ursprünglich geprägt von Mischbetrieben mit Ackerbau und Viehhaltung. Durch Anreize der EU-Agrarpolitik seit den 1970er-Jahren haben sich immer mehr Landwirte spezialisiert, um konkurrenzfähig zu bleiben. Wer viel Hektar besitzt, erhält höhere Subventionen. So produzieren immer weniger Betriebe immer mehr.

Prof. Taube hat zu der Zukunft der Milchkuh- und Rinderzucht in Deutschland eine klare Position: »Elf Millionen Rinder sind zu viel. Wir haben in Deutschland im Hinblick auf die Ernährungsgewohnheiten ein Level an Nahrungsmitteln tierischer Herkunft, das etwa doppelt so hoch ist, wie es die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt. Wir müssen eigentlich in etwa um die Hälfte in Produktion und im Konsum heruntergehen,« betonte er in einem Beitrag des SWR. Auch hätten wir die Umweltkosten, immer weiter aus dem Auge verloren. Das System werde mit Digitalisierung und verschiedensten technischen Hilfsmitteln angeblich optimiert, anstatt Alternativen auch im System zu analysieren.

Seine Vision: Deutlich weniger Tiere, überwiegend auf der Weide. Das spare Ackerflächen für den Anbau von Kraftfutter, die dann anderweitig genutzt werden könnten. Er bezeichnet das als ökologische Intensivierung. Weniger Tierhaltung würde nach seiner Ansicht mehr Produktion von pflanzlichen Produkten bedeuten. So werde Deutschland und die Europäische Union zu einem Nettoexporteur von Getreide. Das sei viel wichtiger für viele Regionen in der Welt, in denen heute Hunger herrscht und in denen die Menschen wesentlich weniger Fleisch essen als wir. Nicht die Kuh an sich sei also das Problem, sondern eine Agrarpolitik, die den Klimaschutz bis heute nicht ausreichend fördert.

Fazit

Eine artgerechte und umweltfreundlichere Milchviehhaltung ist möglich. Mit weniger Tieren und einer Landwirtschaft, die an die Bedingungen des jeweiligen Standortes angepasst ist. Ein Anfang wäre, den Ergebnisse des Projekts »KUHproKLIMA« sowie den Untersuchungen der Universität Kiel die notwendige Beachtung zu schenken, wieder mehr auf die Natur zu vertrauen und deren Fähigkeiten zu nutzen.

Auch die eigentlichen Fähigkeiten der Kuh. Davon profitieren wir am Ende alle.