Klimawandel: Können Futterergänzungsmittel den Methanausstoß der Landwirtschaft reduzieren?

Neue Entwicklungen bei Zusatzstoffen für Tierfutter können helfen, ein Enzym im Verdauungstrakt von Rindern zu unterdrücken, das Wasserstoff und CO2 zu Methan verbindet. Eine breitere Verwendung kann die Klimabilanz der Branche erheblich verbessern.

Rinderzucht
Milchwirtschaft und Rinderzucht sind heute große Methanverursacher

Das schweizerisch-niederländische Unternehmen DSM-Firmenich hat einen methanreduzierenden Futterzusatzstoff entwickelt, der unter der Bezeichnung Bovaer® vertrieben wird. DSM sieht darin einen wertvollen Beitrag, die Stellung und Akzeptanz der Agrarindustrie in der Gesellschaft zu fördern. Landwirten werden mit diesem Stoff eine Option angeboten, den durch Tierhaltung bedingten Methanausstoß deutlich zu reduzieren.

Ergebnis aus mehr als 10 Jahren Entwicklungsarbeit

In einem Interview mit McKinsey betonte der Vize-Präsident von DSM-Firmenich, dass sich die Agrarindustrie ihrer besonderen Verantwortung bei der Reduzierung der Klimafolgen absolut bewusst ist. »Vor etwa 15 Jahren haben wir über unsere Innovationsthemen nachgedacht. Eines dieser Themen war, wie wir auf den vom Menschen verursachten Klimawandel reagieren sollten. Damals entstand die Idee, einen Stoff zu entwickeln, der die Methanemissionen von Rindern reduziert.«

Vor etwas mehr als einem Jahr wurde aus der Idee und der Entwicklung ein Produkt: Bovaer® kam auf den Markt. Mit ersten Marktzulassungen in Brasilien und Chile wurde das sogenannte Clean Cow-Projekt verwirklicht. Heute ist der Zusatzstoff in mehr als 45 Märkten erhältlich. Die Zulassung in der EU wurde im Februar 2022 erteilt.

THG-Fußabdruck von Milchprodukten und Rindfleisch: Methan

In den letzten Jahren haben Tierhalter, die Lebensmittelindustrie, die Verarbeiter sowie Einzelhändler damit begonnen, ihren CO2e-Emissionen (Kohlendioxidäquivalent) besonderes Augenmerk zu schenken. Speziell Milchprodukte und Rindfleisch stehen dabei im Fokus. Daher lag es nahe, dass speziell bei der Milchkuh- und Rinderhaltung alles getan werden muss, um die Emissionen von Methan reduzieren.

Wie das bekanntere Treibhausgas Kohlendioxid (CO₂) absorbiert Methan in der Atmosphäre die Wärmestrahlung der Sonne. So kann Wärme, die von der Erde reflektiert wird, nicht mehr vollständig entweichen und reichert sich stattdessen an. So heizt sich unser Klima immer weiter auf. Methangas hat dabei kurzfristig deutlich stärkere Auswirkungen als CO₂. Betrachtet man einen Zeitraum von 100 Jahren, wirkt sich Methan laut Berechnungen des Weltklimarats (IPCC) etwa 28-mal stärker auf die Erderwärmung aus als die gleiche Menge Kohlendioxid. Allerdings wird Methan in der Atmosphäre auch schneller als CO₂ wieder abgebaut. Nach Angaben des Bundesumweltamts hält sich Methan nur durchschnittlich etwa zwölf Jahre in der Atmosphäre, während CO₂ auch nach 1000 Jahren noch nicht vollständig abgebaut ist. einem besonders aktiven und klimaschädlichem Treibhausgas.

Über die Initiative Global Methane Pledge haben sich mehr als 150 Länder darauf geeinigt, die Methanemissionen bis 2030 um 30 Prozent zu senken. Lösungen zur Reduzierung der Methanemissionen werden folglich immer wichtiger – und genau hier setzt der Futterzusatz Bovaer® an.

Position der Landwirte - und der Milchindustrie

Landwirte wissen genau, dass ihre Betriebe direkt oder indirekt von den Klimafolgen betroffen sind, und zwar direkt, aber vor allen Dingen indirekt durch verändertes Verbraucherverhalten. Der Futtermittelzusatz Bovaer® unterdrückt ein Enzym, das die Methanproduktion im Pansen einer Kuh auslöst. Laut dem Hersteller DSM-Firmenich reduziert der Zusatzstoff die Methanemissionen im Darm von Milchkühen um etwa 30 Prozent, bei Rindern sogar um 90 Prozent.

Das dänische Unternehmen Arla ist eine moderne Molkereigenossenschaft - und gehört damit den knapp 9000 Arla LandwirtInnen aus Deutschland, Belgien, Dänemark, Großbritannien, Luxemburg, Schweden und den Niederlanden. Das Unternehmen ist der weltweit größte Hersteller von Molkereiprodukten in Bio-Qualität. Arla Foods hat mitgeteilt, dass das Unternehmen zusammen mit dem Bovaer ® Hersteller DSM in drei europäischen Ländern ein groß angelegtes Pilotprojekt gestartet hat, um bei 10.000 Milchkühen auf mehr als 50 Betrieben in Dänemark, Schweden und Deutschland den methanreduzierenden Futtermittelzusatz Bovaer® zu testen.

Wie DSM-Firmenich betont, gibt es eine Menge weiterer Forschungsarbeiten, die den Klimawandel direkt oder indirekt tangieren. Die Reduzierung von Treibhausgasemissionen in der Rinderhaltung bzw. der Nahrungskette ist nur eines davon. DSM-Firmenich sieht seine Mission darin, immer wieder »… die nächste Kuh zu erreichen«. Dies bedeute, auf regional unterschiedliche Arten der Fütterung und unterschiedliche Futterarten zu reagieren. Die Akzeptanz von Futtermittelzusatzstoffen in der Landwirtschaft gut entwickelter Märkte wie den Vereinigten Staaten, Kanada, Europa, Australien, Japan, und China sei grundsätzlich sehr hoch. In vielen anderen Ländern gäbe es dagegen große Rinderbestände mit jeweils unterschiedlichen Nahrungsbedingungen. Dort sollte die erste Frage sein, wie die Produktivität verbessert werden kann, wie also Kühe in Afrika und Indien mehr Milch produzieren können? Als Konsequenz könnte das bedeuten, dass weniger Kühe notwendig sind, obwohl die Weltbevölkerung wächst.

Perspektive

Das Thema von möglichen Lösungen zu Fragen der Ernährung in Zeiten der Klimaveränderungen in Kombination mit der zunehmenden Weltbevölkerung hat hohe Priorität. Forderungen nach veganer oder vegetarischer Ernährung sind auf globaler Basis unrealistisch.

Die Bedeutung von Milchprodukten und Fleischprodukten in der Nahrungskette wird uns also in den nächsten Jahrzehnten weiter begleiten – und genau damit bekommt der Ansatz von DSM-Firmenich eine vielversprechende Dynamik. Wenn es mit dem entwickelten Futterzusatz Bovaer® tatsächlich gelänge den durch Rinderzucht und Milchwirtschaft bedingten Methanausstoß zu senken, ohne die landwirtschaftliche Produktivität sowie die Tier- bzw. Menschengesundheit zu gefährden, könnte man in der Tat von einer epochalen Entwicklung sprechen.