Carbon Majors: Konzerne treiben Hitzewellen massiv an –Wissenschaftler stellen rechtliche Verantwortung fest
Extreme Hitze ist längst Normalität geworden: Jährlich gibt es neue Hitzerekorde, Menschen leiden unter Temperaturen weit jenseits der 40 Grad, Wälder brennen und Gesundheitssysteme geraten an ihre Grenzen. Eine neue Studie zeigt nun, wie groß der Beitrag einzelner Konzerne zu dieser Entwicklung ist.

Wissenschaftler konnten erstmals belegen, welchen Anteil große Produzenten fossiler Brennstoffe und Zement an Hitzewellen haben. Eine neue Studie kommt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass ohne die Emissionen der sogenannten Carbon Majors viele der jüngsten Hitzerekorde kaum denkbar gewesen wären.
Unter Leitung der Klimaprofessorin Sonia Seneviratne untersuchte das Forschungsteam der ETH Zürich 213 schwere Hitzewellen, die zwischen 2000 und 2023 auf allen Kontinenten registriert wurden. Dazu zählten jene Ereignisse, die in offiziellen Statistiken oder durch Medienberichte als besonders folgenschwer dokumentiert sind, etwa aufgrund von Todesfällen, Ernteausfällen oder internationaler Hilfsaufrufe.
Auffällig ist, dass Afrika und Südamerika in der Auswertung stark unterrepräsentiert sind. Weil Hitzewellen häufig nicht offiziell erfasst werden, fehlen dort verlässliche Daten. Dennoch ist der globale Trend klar: Die Erwärmung trägt zu weiteren Extremereignissen bei.
Hitzewellen heute 200-mal wahrscheinlicher
„Der Klimawandel hat jede einzelne dieser Hitzewellen wahrscheinlicher und intensiver gemacht, und die Situation hat sich im Laufe der Zeit verschärft“, erklärt Yann Quilcaille, Postdoktorand an der ETH und Erstautor der Studie, die im Fachjournal Nature veröffentlicht wurde.

Die Zahlen sind eindrücklich: Zwischen 2000 und 2009 waren Hitzewellen im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zwanzigmal wahrscheinlicher, im Jahrzehnt danach sogar 200-mal. Inzwischen ist extreme Hitze Teil des alltäglichen Lebens geworden und kein seltener Ausreißer mehr.
Verantwortung bei 180 Unternehmen
Besonders aufschlussreich ist, wer den größten Anteil an dieser Entwicklung trägt. Die Forschenden analysierten die Emissionen der 180 größten Produzenten fossiler Energieträger und Zementhersteller, der Carbon Majors.
Durch den Vergleich mit Klimamodellen, in denen die Emissionen einzelner Akteure herausgenommen wurden, konnten die Forschenden erstmals berechnen, welchen Beitrag jede Firma an der Erwärmung und somit an konkreten Hitzewellen hat.
„Für jede Hitzewelle rechnen wir den Einfluss des Klimawandels auf deren Intensität und Wahrscheinlichkeit heraus. Dabei identifizieren wir sowohl den Einfluss jedes einzelnen Unternehmens als auch den kombinierten Einfluss anderer menschlicher und natürlicher Faktoren“, erläutert Quilcaille.
Giganten und kleine Fische
Besonders ins Gewicht fallen 14 Unternehmen, die zusammen so viel zur Erwärmung beigetragen haben wie alle anderen 166 zusammen. Darunter befinden sich staatliche wie private Energiekonzerne: die ehemalige Sowjetunion, die Volksrepublik China (wegen der Kohleförderung), Saudi Aramco, Gazprom und ExxonMobil.

Doch auch kleinere Produzenten sind nicht unbedeutend. Selbst der kleinste der untersuchten Emittenten, der russische Kohleförderer Elgaugol, hat laut Berechnungen noch immer genug Treibhausgase ausgestoßen, um mindestens 16 Hitzewellen zu verursachen. Ein einzelner der größten Konzerne trägt im Schnitt zu über 50 Hitzewellen bei.
Warum aber auf Unternehmen konzentrieren, wenn doch auch Privatpersonen mit Auto, Flugreisen oder Heizenergie zum Klimawandel beitragen? „Frühere Arbeiten haben sich vor allem mit den Emissionen von Einzelpersonen und Ländern befasst“, gibt Quilcaille zu.
Die Firmen aber wussten schon seit den 1980er Jahren um die Folgen. Trotzdem setzten sie auf Desinformation und Lobbyarbeit, um ihre Geschäftsmodelle zu sichern. Deswegen komme solchen Akteuren eine besondere Verantwortung zu, meint Quilcaille.
Neue Rechtsfragen
Indem sie konkrete Extremereignisse bestimmten Emittenten zuordnet, liefert die Studie eine Grundlage, um rechtliche Verantwortung zu prüfen. Denkbar wäre etwa, Schäden durch Hitzewellen nach dem Verursacherprinzip zu bewerten. „Die Menschen fragen sich, wer dafür verantwortlich ist“, so Quilcaille.
Künftig wollen die Forschenden ähnliche Analysen auch für andere Extremereignisse wie Dürren, Starkregen oder Waldbrände vorlegen. Ziel ist es, die Debatte über Verantwortung im Klimawandel auf eine neue Ebene zu heben.
Quellenhinweis:
Quilcaille, Y., et al. (2025): Systematic attribution of heatwaves to the emissions of carbon majors. Nature.