COP30: Umstrittener Klimagipfel im Urwald

Brasiliens Präsident Lula wollte die Welt an den Ort bringen, wo der Klimawandel am dramatischsten sichtbar ist: an den Amazonas. Jetzt aber kämpft die symbolträchtige COP 30 mit hausgemachten logistischen Problemen - und mit der notwendigen globalen Solidarität.

Die nächste Welklimakonferenz in Belém im Amazonas-Gebiet

Die Planung der nächsten Weltklimakonferenz hat eine hohe Symbolträchtigkeit. Auf der COP29 in Baku sollte die Staatengemeinschaft der Welt für die Folgekonferenz dahin gebracht werden, wo der Klimawandel am dramatischsten sichtbar ist, und zwar an Brasiliens Amazonas.

Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva erklärte auf der Klimakonferenz des Jahres 2022 in Sharm El-Sheikh, dass die Welt endlich wissen solle, wo der Amazonas ist.

Mittlerweile hat sich die Perspektive tatsächlich verändert: Die anreisenden Diplomaten, sowie die Lobby- und Pressevertreter wissen nun, dass der Amazonas und Belém als der Ort der nächsten Weltklimakonferenz dort ist, wo Hotelzimmer bis zu 2000 Dollar kosten und die Konferenzteilnehmer vielleicht in „Love-Motels“ schlafen müssen.

Nach einem Bericht der Financial Times (FT) ziehen sich bereits zahlreiche Unternehmen und Berater vom Klimagipfel zurück. Ausschlaggebend sind neben den zu erwartenden, exorbitanten Kosten auch die schwierige Anreise in die 1,3-Millionen-Einwohner-Stadt Belém im brasilianischen Amazonasgebiet.

Tor zum Amazonas

Die Wahl der Stadt Belém folgt dem Rotationssystem der UN-Klimakonferenzen, nach dem sich die verschiedenen Weltregionen als Gastgeber abwechseln.

Die Entscheidung des brasilianischen Präsidenten für Belém statt São Paulo oder Rio de Janeiro war bewußt symbolisch. Die Stadt gilt als „Tor zum Amazonas“, der einerseits als „grüne Lunge“ der Erde entscheidend für den globalen Klimaschutz ist, andererseits aber selbst stark unter Dürren, Waldbränden und steigenden Temperaturen leidet.

Insgesamt werden circa 50.000 Teilnehmer aus rund 200 Ländern erwartet, wobei sich nun zeigt, dass für all diese Menschen vor allen Dingen die Unterkünfte fehlen. Selbst COP-30-Präsident André Aranha Corrêa do Lago bezeichnet die Hotelpreise als „absolut absurd“.

Die New York Times berichtete, dass beispielsweise eine Übernachtung im Hotel Nota 10 im April 2023 noch etwa 12 Euro kostete. Das Hotel hat sich nun in Hotel COP30 umbenannt und verlangt während der Konferenz nun das 81-Fache.

Kreuzfahrtschiffe als Alternative

Um dem Unterkunftsmangel zu begegnen, geht man ungewöhnliche Wege. Zwei Kreuzfahrtschiffe, die MSC Seaview und die Costa Diadema, sollen im Hafen von Belém 6000 zusätzliche Betten bereitstellen. Schulen werden zu Schlafunterkünften umgebaut und wie auch bei der Artenschutzkonferenz in Kolumbien werden Love-Motels als Quartiere angeboten – mit Spiegeldecken, herzförmigen Badewannen und Tanzstangen.

Die UN-Klimabehörde hielt bereits eine Krisensitzung ab, bei der internationale Beschwerden über die Situation diskutiert wurden. Sowohl Industrie- als auch Entwicklungsländer äußerten „lautstark ihre Bedenken über die Logistik“, wie die FT berichtete.

Besonders problematisch: Die hohen Kosten könnten ärmere Länder von der Teilnahme abhalten – ausgerechnet jene Staaten, die oft am stärksten vom Klimawandel betroffen sind.

Für Delegationen aus den 98 ärmsten Ländern soll auf den Kreuzfahrtschiffen immerhin ein Preisdeckel von 220 US-Dollar pro Nacht gelten. Laut der Konferenzleitung sollen 98 der "kleinsten Entwicklungsländer und Inselstaaten" einen ersten Teil von 3.900 Zimmern auf den zwei Kreuzfahrtschiffen erhalten. Allerdings liegen diese eine 30-minütige Autofahrt vom COP30-Veranstaltungsort entfernt.

Für einige der ärmsten und verwundbarsten Staaten der Welt wird dieser Preis immer noch zu hoch sein. Auch wurden einige Entwicklungsländer von der Liste der Länder gestrichen, denen die Obergrenze von 220 Dollar angeboten wurde. Stattdessen müssen diese bis zu 600 Dollar pro Nacht bezahlen.

Nicht unerwähnt bleiben sollte, auch der CO2-Fußabdruck, den der Betrieb eines Kreuzfahrtschiffes mit all seinen Klimaanlagen betrieben von Dieselmotoren mit sich bringt. Die beiden Schiffe haben jährliche Emissionen, die höher sind als die einiger ganzer Nationen.

Autobahn durch Regenwald

Auch die Errichtung von Infrastrukturmaßnahmen sorgt für Kritik. So lässt Brasilien ausgerechnet zum Klimagipfel eine vierspurige Autobahn errichten, und zwar nicht nur in der Stadt selbst, sondern auch in Teilen des Amazonas Regenwaldes. Die Regierung des Bundesstaates Pará betonte allerdings, dass die Arbeiten an der Straße bereits 2020 begonnen hätten, also zwei Jahre, bevor Belém als COP-30-Austragungsort festgestanden sei.

Mehr erneuerbare Energien

Inhaltlich soll die COP 30 vor allem die Umsetzung bereits beschlossener Ziele vorantreiben. Der brasilianische COP-Präsident nennt dabei die Verdreifachung erneuerbarer Energie bis 2030, die Verdopplung der Energieeffizienz und die Abkehr von fossilen Brennstoffen. Allerdings investiert Brasilien selbst weiter in die Öl- und Gasförderung, auch im Amazonasgebiet.

Die neuen nationalen Klimapläne (NDCs) für 2035 reichen zudem nicht aus, um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen. Bisher haben nur wenige Länder ihre Pläne vorgelegt. Diese betragen zusammen gerade etwa ein Viertel die zusammen der globalen Emissionen. Im Rahmen der vorgelegten NDCs kündigte Großbritannien an, bis 2035 alle Treibhausgasemissionen und mindestens 81 % gegenüber 1990 zu reduzieren. Brasilien strebt eine Reduktion und bis zu 67 % bis 2035 an.

Beschlüsse können bei Weltklimakonferenzen nur einstimmig unter allen rund 200 Teilnehmerländern getroffen werden. Dies erklärt auch die Tatsache, dass es bisher lediglich zu sehr kleinen Schritten im Kampf gegen den Klimawandel gekommen ist.

Neue Wege?

Grundsätzlich gelten kleinere Konferenzformate als sinnvoller. Geschulte Verhandlerinnen könnten gezielt Kompromisse zu strittigen Paragrafen suchen. Auch muss dringend diskutiert werden, wer Zugang zu den Verhandlungen bekommen soll – und vor allem: wie der zunehmende Einfluss der Öl- und Gasindustrie beschränkt werden kann.

Im Vorjahr nahmen in Baku über 1700 Lobbyisten der Öl- und Gasindustrie an den Gesprächen teil. Transparency International kritisierte wiederholt die laschen Transparenzregeln und Zugangsbestimmungen: Teilweise müssten Lobbyisten der fossilen Industrie ihre Interessen nicht einmal offenlegen, weil Staaten sie als Teil der offiziellen Delegationen mitnehmen.

Bei einer Konferenz, die eigentlich den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen beschließen müsste, ist das absurd.

Es bleibt abzuwarten, wie sich Brasilien bei der Konferenz im eigenen Land positioniert. Will die Regierung tatsächlich einen Wendepunkt in die Klimaverhandlungen bringen, muss es die Präsidentschaft der nächsten Klimakonferenz dafür nutzen, den Einfluss der fossilen Industrie in den Verhandlungen sehr deutlich einzuschränken.

Allein die Tatsache, eine solche Konferenz am Rande des Amazonas-Regenwaldes abzuhalten, trägt nicht zu Veränderungen bei. Die ersten Vorzeichen für die COP 30 sind aus heutiger Sicht eher düster, aber vielleicht erleben wir alle eine positive Überraschung .