Deutschlands klimaschädlichste Industrien – Die Geschichte der »Dirty Thirty«

Nur 30 Fabriken sind für ein Drittel aller industriellen CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. WWF Deutschland und das Öko-Institut haben den Ist-Zustand analysiert, zeigen Alternativen und fordern rasche, politische Entscheidungen

Die Transformation der Industrie
Neue Wege - auch für die 30 größten industriellen CO2-Emittenten

Die dreißig CO2-intensivsten Industrieanlagen in Deutschland verursachten im vergangenen Jahr 58 Millionen Tonnen CO2-Emissionen, wie ein neuer Bericht des Öko-Instituts im Auftrag des WWF Deutschland zeigt. In dem Bericht wurden die Industrieemissionen von Anlagen im Emissionshandel (ETS) analysiert. Das Resultat: auf nur 30 Unternehmen entfielen 2022 rund ein Drittel der im Klimaschutzgesetz definierten Emissionen des Industriesektors und acht Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen Deutschlands.

Alte Klagen - Neue Lösungen

Besonders die Stahl- und die Zementindustrie klagen immer wieder, dass sich eine Dekarbonisierung der Prozesse kaum vermeiden ließe. Der Analyse zufolge entfallen die ersten 13 Ränge auf Anlagen der Eisen- und Stahlerzeugung. Die Spitzenposition nimmt ein Hüttenwerk von ThyssenKrupp in Duisburg mit 7,9 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2022 ein. Insgesamt gehen 47 Prozent der industriellen ETS-Emissionen auf das Konto von Eisen und Stahl (51 Millionen Tonnen).

Aber auch in der Zement- und Chemieindustrie sind CO2-Emissionen hoch. Auf das Zementwerk in Rüdersdorf bei Berlin entfielen im Jahr 2022 ca. 1,1 Millionen Tonnen CO2. In Summe gehen 25 Prozent der industriellen ETS-Emissionen auf die Zement- und Kalkherstellung zurück (27 Millionen Tonnen). Die Chemieindustrie mit 15 Prozent (14 Millionen Tonnen CO2) spielt bei den 30 größten Industrie-Emittenten ebenfalls eine Rolle. Insgesamt hat die Industrie nach der Energiewirtschaft in Deutschland die zweithöchsten Emissionen.

Die Klimachefin beim WWF Deutschland, Viviane Raddatz, sagte in ihrer Pressemitteilung bei der Vorstellung des Berichts: »Der Industriesektor ist ein Schwergewicht beim CO2-Ausstoß und damit auch beim Klimaschutz. Ihn zu transformieren ist eine der wichtigsten Aufgaben für Politik und Wirtschaft. Nur so schützen wir Klima und Arbeitsplätze gleichermaßen. Leider wurde diese Aufgabe bisher nicht strukturell adressiert. Die Ampel muss nun liefern, was sie versprochen hat: eine umfassende Strategie zum Klimaschutz in der Industrie, die Planungs- und Investitionssicherheit schafft, so dass … die gesamte deutsche Industrie Prozesse und Rohstoffnutzung schneller umstellt und einen Klimaschutzbeitrag leistet.«

Die Politik ist gefragt!

Die Emissionen des Industriesektors sind seit Einführung des europäischen Emissionshandels (ETS), dem Hauptinstrument zur Dekarbonisierung des Industriesektors, nahezu konstant. Raddatz weiter: »Durch die Vergabe kostenloser CO2-Zertifikate an die Industrie wurde das CO2-Preissignal abgeschwächt und der Anreiz, auf klimafreundliche Verfahren und Technologien umzustellen, entfiel. Nun hat man sich zwar auf ein Auslaufen … bis 2034 geeinigt, doch das ist zu spät. Umso entscheidender ist es, dass die Ampel jetzt liefert.«

Der WWF fordert, dass staatliche Fördergelder grundsätzlich nur in klimaschützende Maßnahmen fließen, insbesondere der Produktion von grünem Wasserstoff. Dessen Kapazitätshochlauf müsse mit ausreichend Kapazitäten an erneuerbaren Energien unterfüttert sein. Hierfür sei eine gesamtheitliche Infrastrukturplanung zwingend erforderlich. Die immer wieder hervorgehobenen CO2-Verwendungs- und Speicherungsmethoden CCU und CCS sollten lt. WWF nur für nicht vermeidbare prozessbedingte Emissionen eingesetzt werden und nicht für prozess- und energiebedingte Emissionen, die durch Umstellung auf klimafreundlichere Prozesse vermieden werden könnten.

Raddatz betonte, dass es für die Dekarbonisierung der Industrie klare, regulatorische Leitlinien und Förderungsmechanismen geben müsse, auch für kleinere Industrieunternehmen. Beim Schlagwort der Technologieoffenheit gelte es, sich über Parteien und Branchen hinweg ehrlich zu machen, also was stehe wo und wann tatsächlich im benötigen Maßstab zur Verfügung, vor allen Dingen das Thema grüner Wasserstoff und welche Technologien seien … »nur Deckmantel dafür, ein Weiter-So herbeizubeschwören, das letztlich allen schadet, Stichwort CCS und CCU.«

Subventionen ja - aber richtig!

Die Vergabe von Subventionen und Entlastungen an die Industrie solle laut der Analyse grundsätzlich an Gegenleistungen geknüpft werden. Dazu gehören Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien sowie ein verpflichtender Betrieb von Umwelt- oder Energiemanagementsystemen. Unternehmen sollten sich zeitnahe verpflichten, ihre Verantwortung für die Gesellschaft sehr ernst zu nehmen und mittel- bis langfristige Transformationspläne vorlegen. Der Bericht betont auch, dass die öffentliche Hand stets mit gutem Beispiel voran gehen müsse, etwa bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge, bei den Klimaschutzkriterien verpflichtend zu berücksichtigen seien. Auch die Nennung von Treibhausgas-Grenzwerten ist eine Notwendigkeit in Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden.

Der Bericht überrascht nicht, zeigt aber die Dimension der Ist-Situation. Die Dynamik des Ausbaus erneuerbarer Energien ist deutlich zu steigern, denn nur bei rascher Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff kann die Geschwindigkeit der industriellen Dekarbonisierung gelingen. Die Industrie ist sicher bereit. Die Rahmenbedingungen setzt aber die Politik. Und nur die.