Wo die Häuser am Abgrund hängen: Diese spanische Stadt widersteht der Schwerkraft

Als besonders gut erhaltene mittelalterliche Festungsstadt zählt sie zum UNESCO-Welterbe. Doch die zwischen Bergen und einer Hochebene gelegene Stadt besitzt noch weitere Trümpfe. Das wusste schon Ernest Hemingway.

Cuenca
In den hängenden Häusern Cuencas sollte man sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Foto: Adobe Stock

Wie ein schwarzes Band windet sich die Straße in die Weite der kastilischen Hochebene. Gründlich aufgeräumt sieht die Landschaft aus – als habe ein Riese hier alles weggefegt, was das Auge vom Wesentlichen ablenken könnte: Himmel und Erde.

Endlos rollen die Hügel dem Horizont entgegen, die Schatten der Wolken ziehen über grüne Wiesen und braune Felder. Die Wälder Kastiliens wurden vor Jahrhunderten in die Flotten verwandelt, mit denen Spanien die halbe Welt eroberte.

Mittelalterliche Wolkenkratzer über der Schlucht

Am Rand der Hochebene La Mancha erheben sich die Berge, an denen eine außergewöhnliche Stadt klebt. Und zwar im Wortsinn, denn die Häuser der Altstadt von Cuenca sind auf und an den Felsenkamm über der Schlucht gebaut, in die sich der Río Júcar gegraben hat.

Aus der Ferne sieht die Stadt aus, als wachse sie wie eine zähe Pflanze aus den Felsen empor. Vom Tal aus betrachtet sind die „Casas Colgadas“, die hängenden Häuser, mittelalterliche Wolkenkratzer von acht bis zehn Stockwerken, von der Straße in Cuenca aus gesehen verfügen sie über vergleichsweiseise bescheidene vier Etagen.

Adler kreisen über dem Fluss

Errichtet wurden sie ab dem 15. Jahrhundert von örtlichen Aristokraten und wohlhabenden Händlern, die sich offenkundig angstfreier Architekten bedienten. Heute sind die restaurierten Häuser Wohnsitz schwindelfreier Bürger. Sie genießen eine spektakuläre Aussicht über die Schlucht, in der Adler kreisen und ganz unten das Wasser des Río Júcar strömt. In einem der Bauten ist das Museum für abstrakte spanische Kunst ansässig.

Im Hochgeschwindigkeitszug nach Kastilien-La Mancha

Spanien-Liebhaber Ernest Hemingway klagte in den 1930-er Jahren, wie mühsam der Weg ins isolierte Cuenca sei. Längst ist das Straßennetz im ganzen Land hervorragend. Aus Madrid kann man das 165 Kilometer von Madrid entfernte Städtchen zudem mit dem Hochgeschwindigkeitszug erreichen, der Madrid und Valencia verbindet.

Cuenca ist noch deutlich älter als seine hängenden Häuser. Bereits im 8. Jahrhundert wurde die Stadt wegen ihrer strategisch günstigen Lage von den Mauren angelegt, die damals weite Teile der iberischen Halbinsel beherrschten.

Nachdem Kastilien Cuenca im 12. Jahrhundert eroberte, begann der Bau der Kathedrale. Das erste gotische Gotteshaus in Spanien dominiert noch heute die Plaza Mayor, auf der sich am Abend die halbe Stadt trifft.

Im 18. Jahrhundert versank die Stadt in einen Dornröschenschlaf. Schließlich sprach sich aber doch herum, welche Perle hier am Rand der Hochebene La Mancha lag. 1991 wurde ihr historisches Herz von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.

Der Herbst ist perfekt für Besichtigungen und Weinproben

Zur Semana Santa, der in vielen spanischen Städten spektakulär begangenen Karwoche, kommen heute bis zu 300.000 Menschen in der 54.000-Einwohner-Stadt ein, um an den vorösterlichen Prozessionen teilzunehmen. Cuenca richtet neben Zamora und Valladolid eine der drei wichtigsten Semana Santas Kastiliens aus. Im Herbst, wenn die Temperaturen sich für Wanderungen so gut eignen wie für Besichtigungen und Weinproben, verströmt sie ihren ganzen Reiz.