Grünes Militär, rote Linien? Warum Europas Armeen ohne Diesel kämpfen müssen – und was das mit Sicherheit zu tun hat

Während in Europa über Wärmepumpen und Tempolimits diskutiert wird, arbeiten die Verteidigungsministerien der EU an einer ganz anderen Klimafrage:
Wie macht man Panzer, Flugzeuge und Militärbasen klimaneutral – ohne dabei die Einsatzfähigkeit aufs Spiel zu setzen?

Klimawandel, Soldaten, Gegner, Extremwetter
Einsatz im Klimawandel: Soldaten müssen sich künftig nicht nur auf Gegner, sondern auch auf Extremwetter vorbereiten.

Auf einer hochkarätigen Konferenz in Warschau im Juni 2025 startete die Europäische Union die vierte Phase des „Consultation Forum for Sustainable Energy in the Defence and Security Sector“ (CF SEDSS). Das Ziel: Die Streitkräfte unabhängiger von fossilen Brennstoffen machen – und gleichzeitig die Resilienz kritischer Infrastruktur stärken.

Ein grüner Wandel im Tarnanzug

Rund 140 Vertreter aus 25 Ländern, darunter 23 EU-Staaten sowie Norwegen und Serbien, diskutierten Projekte zur Energieeffizienz, Nutzung erneuerbarer Energien, zum Schutz von Energieinfrastruktur und zur Digitalisierung von Energieflüssen. Die Konferenz markiert den Auftakt eines ambitionierten Arbeitsprogramms, das bis 2028 laufen soll.

„Energy sustainability and defence resilience go hand in hand.“
– Sean White, Europäische Verteidigungsagentur (EDA)

Klimaschutz als strategischer Faktor

Die politische Brisanz des Themas ist längst erkannt. Klimawandel wird heute nicht nur als humanitäres, sondern auch als sicherheitspolitisches Risiko eingestuft. Die Denkfabrik IISS analysierte in ihrer Studie „Green Defence“(2022), dass die Klimakrise als Bedrohungsmultiplikator wirkt – durch Naturkatastrophen, Ressourcenknappheit oder Fluchtbewegungen.

Gleichzeitig ist der Verteidigungssektor selbst ein großer Emittent von Treibhausgasen – weltweit machen militärische Emissionen einen zweistelligen Milliardenwert aus. Die Herausforderung: Dekarbonisierung ohne Abrüstung.

Der fossile Fußabdruck der Verteidigung

Die Abhängigkeit von fossilen Energien ist zudem ein strategisches Risiko. Tanklogistik zählt im Kriegsfall zu den verletzlichsten Punkten jeder Operation.
Je autarker Basen und Fahrzeuge künftig mit regenerativen Systemen arbeiten, desto widerstandsfähiger wird das Gesamtsystem.

Extreme Wetterlagen – häufigere Dürren, Überschwemmungen oder Hitzewellen – erschweren zudem Truppenbewegungen, zerstören Infrastruktur oder verhindern militärische Übungen. Ein sich verändernder Salzgehalt in Meeren kann sogar Auswirkungen auf Sonarsysteme und maritime Einsatzplanung haben.

Von der Übung zur Umsetzung

Bereits heute gibt es Beispiele für innovative Ansätze:

  • 🇬🇧 Die britische Armee testet Hybrid-Fahrzeuge.
  • 🇫🇷 Frankreich plant nachhaltige Einsatzlager.
  • 🇳🇱 Die Niederlande erzeugen Strom auf Militärbasen per Solar.
  • 🇩🇪 Das deutsche Unternehmen Rheinmetall entwickelt Mikronetzsysteme, die Wasserstoff aus Abwasser produzieren.

Die IISS betont, dass besonders kleinere UAVs (Drohnen), hybride Systeme und energieautarke BasenSchlüsseltechnologien der Zukunft sein könnten.
Auch in der Raumfahrt denkt man weiter – etwa bei der Nutzung von raumgestützter Solarenergie.

Energie als strategischer Faktor

Die Studie „Green Defence“ macht deutlich: Der Umbau hin zu erneuerbaren Energien ist nicht nur klimapolitisch motiviert, sondern militärisch geboten.
Fossile Nachschubketten gelten als verwundbar – vor allem im Einsatz.
Energieautarke Systeme, etwa durch Solarstrom mit Speicher oder Wasserstoff aus Abwasser, machen Basen und Fahrzeuge widerstandsfähiger.

Das zentrale Argument: Klimaschutz und Verteidigungsfähigkeit stehen nicht im Widerspruch – sie bedingen einander.

Herausforderung: Realität

Der Weg ist allerdings steinig. Viele Technologien – etwa Wasserstoffantriebe für Kampfflugzeuge oder emissionsfreie Panzer – sind noch nicht einsatzreif. Gleichzeitig drohen Zielkonflikte zwischen Klimaambitionen und Einsatzbereitschaft.

„Der Spagat zwischen Klimaschutz und Kampfkraft wird die größte Herausforderung europäischer Verteidigungspolitik in den kommenden Jahrzehnten.“
– Aus der IISS-Studie „Green Defence“

Hinzu kommt die Gefahr von Desinformation. Adversariale Akteure könnten den grünen Umbau diskreditieren – mit dem Narrativ, dass „grünes Militär = schwaches Militär“ sei. Eine klare Kommunikationsstrategie ist laut IISS daher entscheidend.

Ozean, Zukunft, U-Boote. Effizienz, fossile Abhängigkei, grüne Verteidigung
Im Ozean der Zukunft: Moderne U-Boote setzen auf Effizienz statt fossile Abhängigkeit – ein Vorbild für grüne Verteidigung.

Grüne Verteidigung ist mehr als Symbolpolitik

Der Umbau europäischer Streitkräfte zu einem nachhaltigeren, energieeffizienteren System ist keine PR-Maßnahme.
Er ist ein sicherheitsstrategisches Muss – und könnte zugleich Kosten senken, die Resilienz erhöhen und neue Technologien fördern.

Doch das erfordert politische Führung, internationale Kooperation – und Mut zur Veränderung.
Die kommende Dekade wird zeigen, ob Europas Militär nicht nur gegen äußere Feinde, sondern auch gegen die innere Trägheit eines fossilen Systems bestehen kann.

Quellen

International Institute for Strategic Studies (IISS):
Green Defence: the defence and military implications of climate change for Europe, 2022

Europäische Verteidigungsagentur (EDA):
Fourth phase of EU forum plots resilient energy path for defence, 17. Juni 2025