Abwasser als Ressource: Diese Rolle spielt die Industrie in der Wasserwirtschaft

Allein im Jahr 2019 waren rund 38 Prozent der europäischen Bevölkerung von Wasserknappheit betroffen – mit steigender Tendenz. Vor diesem Hintergrund suchen Forscher nach Wegen, Abwasser nicht mehr nur als Entsorgungsproblem, sondern als wiederverwendbare Ressource zu behandeln.

Auch seitens der Industrie werden Ressourcen zunehmend nachhaltig behandelt.
Auch seitens der Industrie werden Ressourcen zunehmend nachhaltig behandelt. Bild: Hansjörg Keller/Unsplash

In Zeiten zunehmender Wasserknappheit gewinnt Abwasser als Ressource an Bedeutung. Auch die Zusammenarbeit von Industrie und Wasserwirtschaft wird gefördert, um Wasser, Materialien und Energie aus Abwasser erneut nutzbar zu machen. Auf diese Weise lässt sich die Abhängigkeit von natürlichen Süßwasserquellen verringern. Ein vielversprechender Ansatz sind sogenannte wasserintelligente industrielle Symbiosen.

Wasserintelligente industrielle Symbiosen kombinieren Stoffstromanalysen, digitale Wassermanagementsysteme und Technologien wie Umkehrosmose oder Wärmerückgewinnung, um den Wasserverbrauch um bis zu 40 % und Abwassermengen um 30 % zu reduzieren.

Ein aktuelles Projekt des Kompetenzzentrums Wasser Berlin (KWB) im dänischen Kalundborg zeigt, wie eine solche Vision konkret umgesetzt werden kann. In einem Feldversuch wurde untersucht, wie sich industriell und kommunal vermischtes Abwasser so aufbereiten lässt, dass es für industrielle Zwecke, insbesondere zur Kühlung, wiederverwendet werden kann.

Wasserrückgewinnung durch Ultrafiltration

Die Pilotanlage in Kalundborg hatte es mit einer komplexen Abwassermischung aus kommunalem Abwasser, kombiniert mit industriellen und thermischen Rückflüssen, zu tun. Die Zusammensetzung stellte die eingesetzten Aufbereitungstechnologien vor große Herausforderungen.

Drei verschiedene Membranverfahren – konventionelle Ultrafiltration (UF), ultradichte UF und Nanofiltration (NF) – wurden als Vorbehandlungsstufen für eine anschließende Umkehrosmose getestet.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass konventionelle Membranen zur Ultrafiltration (UF) besonders effektiv arbeiteten: Ihre Wasser-Rückgewinnungsrate liegt bei 87 Prozent, gleichzeitig verbrauchen sie am wenigsten Energie. Während die ultradichte UF und die Nanofiltration bestimmte Schadstoffe besser entfernen konnten, übertrafen sie die konventionelle UF nicht in Bezug auf Effizienz und Energieverbrauch.

Filtersysteme wie Ultrafiltration (UF) sind membranbasierte Trenntechnologien, die unter leichtem Druck (0,1–0,5 bar) funktionieren. Nach einer mechanischen Vorbehandlung des Wassers durch Siebe oder Sandfänge wird das Wasser durch spezielle Membranen gepresst.

Die Porengröße der Membranen liegt typischerweise bei 0,01–0,1 Mikrometer. Auf diese Weise werden Bakterien, Viren, Öltröpfchen, Makromoleküle und kolloidale Partikel zurückgehalten. Kleine Moleküle wie Salze oder gelöste Stoffe passieren die Membran.

Je nach Zweck kann das Wasser nachbehandelt werden, etwa durch Umkehrosmose, bei der gelöste Salze entfernt werden, durch UV-Desinfektion, bei der Mikroorganismen abgetötet werden, oder durch Entgasung, bei der gelöster Sauerstoff oder CO₂ entfernt wird. – Danach kann das gefilterte Wasser entweder als Kühl- oder Prozesswasser wiederverwendet oder aber umweltgerecht eingeleitet werden, z. B. in Flüsse.

Ultrafiltration von Kühlwasser erweist sich in Untersuchungen als besonders vorteilhaft.
Ultrafiltration von Kühlwasser erweist sich in Untersuchungen als besonders vorteilhaft. Bild: Jakob Madsen/Unsplash

Die Vorteile von Ultrafiltration bei Kühlwasser sind beispielsweise, dass Biofouling im Kühlsystem vermieden wird und dass Korrosion durch Entfernung biologischer Stoffe reduziert wird. Dazu kommt eine stabile Wasserqualität bei schwankender Rohwasserbelastung sowie die kompakte Bauweise und ein automatisierbarer Betrieb.

Süßwasserentnahme vs. entsalztes Meerwasser

Zusätzlich wurde auch die ökologische Bilanz des Verfahrens untersucht. In einer Lebenszyklusanalyse verglichen die Forscher die Wasserwiederverwendung mit zwei anderen Optionen, der Süßwasserentnahme aus einem nahegelegenen See und der Entsalzung von Meerwasser.

Dabei zeigten sich deutliche Unterschiede: Die Seewasserentnahme hatte zwar den geringsten CO₂-Fußabdruck, beeinträchtigte aber die lokale Wasserverfügbarkeit. Die Meerwasserentsalzung verursachte den höchsten CO₂-Ausstoß, bewahrte jedoch regionale Süßwasservorräte.

Die Wasserwiederverwendung nahm eine Mittelstellung ein: mit moderatem Energieeinsatz, vertretbaren Emissionen und geringem Einfluss auf lokale Wasserressourcen.

Ein zentraler Kritikpunkt war jedoch weiterhin die Behandlung des bei der Umkehrosmose anfallenden Konzentrats. Solche Reststoffe sind besonders schwer zu entsorgen und führen zu einem signifikanten Anstieg von Energieverbrauch und CO₂-Ausstoß. Bei künftigen Technologien müssten solche Aspekte stärker berücksichtigt werden.

Trotz dieser Herausforderungen macht die Studie deutlich, dass selbst stark belastetes Abwasser so aufbereitet werden kann, dass es industriell wiederverwendbar ist. Damit können insbesondere wasserarme Regionen ihre Versorgung langfristig sichern, vorausgesetzt, die Technologien werden an lokale Bedingungen angepasst.

„Diese Forschung zeigt, dass wir die Werkzeuge haben, um zirkuläre Wassersysteme zu schaffen, bei denen Abwasser nicht länger als Abfallprodukt, sondern als Ressource betrachtet wird. Angesichts von Klimawandel, Bevölkerungswachstum und zunehmender industrieller Aktivität könnten solche innovativen Ansätze der Schlüssel zu nachhaltigem Wassermanagement sein.“

– Dr. Anne Kleyböcker, Projektleiterin am KWB

Die Ergebnisse der Studie liefern wichtige Ansätze für die Entwicklung zukunftsfähiger Wassersysteme. Sie zeigen, dass technische Innovation und ökologische Verantwortung Hand in Hand gehen müssen – und dass Abwasser in einer vernetzten Welt mehr ist als nur ein Nebenprodukt.

Quellenhinweis:

Jährig, J., Kleyböcker, A., Kraus, F., Melchiorsen, L. R., Milter, H., Thisgaard, P., Vredenbregt, L., & Miehe, U. (2025): Innovative pre-treatments for reverse osmosis to reclaim water from biotech and municipal wastewater for the industrial symbiosis in Kalundborg. Water Science & Technology, 91, 6, 698–713.