Wilde Küste, versunkene Dörfer: Im Osten Englands blüht das Verbrechen

P.D. James, Barbara Vine, Dorothy L. Sayers und Dick Francis verübten in East Anglia Straftaten – auf dem Papier. Krimi-Fans können auf ihren Spuren eine attraktive, aber wenig bekannte Region der Insel entdecken.

East Anglia
Weite Strände, einsame Boote: Die Küste East Anglias inspirierte zahlreiche Krimi-Autoren. Foto: Adobe Stock

Möwen kreischen vom Kiel eines umgedrehten Fischerbootes, die Seeluft ist klar und frisch. An einem schönen Tag deutet nichts darauf hin, dass sie bei Sturm vom Glockenläuten der Kirchen erfüllt sein soll, die hier im Laufe der Jahrhunderte ins Meer gerissen wurden. Dunwich, zu Zeiten der Angelsachsen eine bedeutende Stadt im Königreich East Anglia, liegt heute fast vollständig auf dem Grund der Nordsee.

In ruhigen Jahren frisst das Meer nur unbemerkt ein paar Zentimeter aus der Küste, in schlechten reißt es tiefe Lücken - wie 1326, als in einer einzigen sturmgepeitschten Nacht 400 Häuser und drei Kirchen weggespült wurden. Die letzte von acht Kirchen verschwand in den 1910er Jahren von der Landkarte.

Diese Küste beflügelt die Phantasie

Womöglich blüht wegen dieser unheimlichen Atmosphäre in East Anglia das literarische Verbrechen. Zwar gibt es im Osten der Insel auch unberührte Natur, attraktive Herrenhäuser und wilde Küstenlandschaft. Zugleich haben hier auffällig viele spannende Storys ihren Ursprung. Die Region inspirierte einige der wichtigsten Krimi-Autoren des 20. Jahrhunderts.

Krimi-Königin P.D. James (1920-2014) war besonders empfänglich für den Zauber von Dunwich. Ihr Inspektor Dalgliesh will hier in „Ein unverhofftes Geständnis“ eigentlich nur ruhige Ferientage bei seiner Tante verbringen, als er in einen Mordfall verstrickt wird.

Auch andere Landschaften East Anglias sind erprobte Krimi-Kulissen. Dorothy L. Sayers, Schöpferin des Detektivs Lord Peter Wimsey, ließ „Der Glocken Schlag“ in den Fens spielen. So ruhig und weltenfern ist diese Marschlandschaft, dass kaum vorstellbar ist, dass London gar nicht allzu weit entfernt liegt.

Königsschlösser und das Zentrum des Rennsports

East Anglia, auch als trockenste Gegend Englands bekannt, hat noch immer Geheimtipp-Charakter - obwohl die englischen Royals hier mit Schloss Sandringham und Anmer Hall feudale Anwesen besitzen.

Cambridge
Auch die berühmte Universitätsstadt Cambridge liegt in East Anglia. Foto: Adobe Stock

Bekannter als die beständig vom Meer angegriffene Küste und ihr sattgrünes Hinterland sind die Städte der Grafschaften Suffolk, Norfolk und Cambridgeshire: die Universitätsstadt Cambridge, Stamford mit seinen Kalksteinbauten, das Marktstädtchen King’s Lynn und Newmarket, Zentrum des Pferderennsports.

Newmarket wurde von einem Reiter berühmt gemacht: Dick Francis (1920-2010), in den fünfziger Jahren Jockey für Queen Mum, veröffentlichte nach dem Ende seiner Karriere jedes Jahr einen Krimi: alle im Rennsport angesiedelt, alle Bestseller und sehr häufig mit Newmarket als Schauplatz.

Fish & Chips und klassische Musik

Die Küstenstadt Aldeburgh ist für ein nach ihr benanntes Musikfestival berühmt, für besonders gute Fish & Chips - und für Krimis. Ruth Rendell (1930-2015), die unter ihrem Namen kriminalistische Bestseller und als Barbara Vine Psychothriller schrieb, besaß hier ein Haus und verewigte das Städtchen auch in ihren Büchern.