Slow Christmas: Ein neuer Trend, der auf Nachhaltigkeit und bewussten Konsum setzt

Immer mehr Menschen lehnen die aggressiven Marketingstrategien des Weihnachtsgeschäfts ab – zugunsten von Slow Christmas. Der Trend verspricht mehr Nachhaltigkeit und Selbstbestimmung. Stress wird durch Absprachen innerhalb der Familie und genaue Planung reduziert.

Viele wollen den Stress während der Festtage reduzieren.
Viele wollen den Stress während der Festtage reduzieren. Bild: Evelin Horvath/Unsplash

Nach dem Black Friday beginnt hierzulande traditionell die heiße Phase des Weihnachtskonsums. Schaufenster, Online-Shops und Werbe-Newsletter suggerieren Schnäppchen, Dringlichkeit und vermeintliche Einmalchancen. Gleichzeitig wächst bei vielen Menschen das Unbehagen: Muss Schenken wirklich im Rabattrausch enden – oder geht es auch bewusster?

Slow Christmas ist ein Gegentrend zum klassischen Weihnachtsfest, der auf Entschleunigung und Rückbesinnung basiert.

Mit diesen Fragen beschäftigt sich Dr. Maike Gossen von der Technischen Universität Berlin. Am Fachgebiet Arbeitslehre/Ökonomie und Nachhaltiger Konsum erforscht sie, wie Kaufentscheidungen entstehen und wie sich Konsumverhalten verändern lässt. Ihre Arbeit zeigt, dass weniger Konsum stressreduzierend wirkt und zugleich ökologische und soziale Vorteile hat.

Aggressive Marketingstrategien

„In der Vorweihnachtszeit verstärken künstliche Knappheit und vermeintliche Rabatte spontane Käufe, die gezielt das Belohnungssystem aktivieren“, erklärt Gossen. Das Gehirn reagiert auf zeitlich begrenzte Angebote mit einem schnellen Glücksimpuls, rationale Abwägungen treten in den Hintergrund.

Um Impulskäufe zu bremsen, empfiehlt die Forscherin eine einfache Gegenfrage: „Würde ich das auch kaufen, wenn es nicht im Angebot wäre?“ Auch die sogenannte 48-Stunden-Regel beim Online-Shopping könne helfen: Erst zwei Tage später entscheiden, ob der Kauf wirklich sinnvoll ist. Gleichzeitig sagt Gossen, dass Verantwortung nicht allein bei den Verbrauchern und Verbraucherinnen liegt, da Unternehmen Kaufwünsche gezielt erzeugen.

Wer sich vom kommerzialisierten Schenken überfordert fühlt, kann Weihnachten auch neu ausrichten. Der Ansatz „weniger Geschenke, dafür mehr Achtsamkeit, Besinnlichkeit und gemeinsame Zeit“ gewinnt an Zustimmung. Absprachen innerhalb der Familie oder des Freundeskreises können den Druck deutlich senken.

„Wer Geschenkbudgets realistisch festlegt und gemeinsame Regeln wie Wichteln oder ein einziges, gut gewähltes Geschenk pro Person einführt, senkt finanziellen Druck und macht das Schenken persönlicher und entspannter.“

– Dr. Maike Gossen, Technische Universität Berlin

Nachhaltige Geschenkideen reichen von regionalen, fair produzierten Produkten über langlebige Alltagsgegenstände bis hin zu Selbstgemachtem. Besonders beliebt sind Zeit- und Erlebnisgeschenke oder Spenden im Namen der Beschenkten.

Weniger Konsum, mehr Selbstbestimmung?

Der Trend zum sogenannten Slow Christmas passt zu zentralen Erkenntnissen der Nachhaltigkeitsforschung. Privater Konsum trägt erheblich zum Klimawandel und zur Überschreitung planetarer Grenzen bei. Gossen forscht zur Suffizienzstrategie, die darauf abzielt, Bedürfnisse mit weniger Ressourcenverbrauch zu erfüllen.

Im Mittelpunkt steht ein gutes Leben innerhalb von Konsumkorridoren – mit einer sozialen Untergrenze und einer ökologischen Obergrenze, die verhindern sollen, dass der eigene Lebensstil die Chancen anderer Menschen oder zukünftiger Generationen gefährdet.

Studien zeigen, dass geringerer Konsum die Lebenszufriedenheit nicht mindert, sondern oft das Gefühl von Selbstbestimmung stärkt – vorausgesetzt, die Grundversorgung ist gesichert.

Zu den ökologischen Effekten kommen auch gesundheitliche Nebeneffekte. Weniger tierische Proteine in der Ernährung senken das Risiko für Übergewicht, Herz-Kreislauf- und bestimmte Krebserkrankungen. Mehr Bewegung durch Gehen oder Radfahren wirkt sich positiv auf Körper und Psyche aus.

Was ist Anti-Black-Friday?

Auch Unternehmen reagieren zunehmend kritisch auf Rabattaktionen. In einer internationalen Studie untersucht Gossen sogenannte Anti-Black-Friday-Initiativen: von geschlossenen Shops über reduzierte Reparaturpreise bis hin zu Spendenaktionen. Die Interviews zeigen jedoch Zielkonflikte, da selbst nachhaltige Unternehmen Rabatte benötigen, um Überproduktion abzubauen. Vorbestellsysteme sieht Gossen als langfristig wirksamen Ansatz.

Nach den Feiertagen empfiehlt die Forscherin eine ehrliche Rückschau. Welche Geschenke haben wirklich Freude bereitet, worauf hätte man verzichten können? Wer Werbeblocker nutzt oder bewusst Offline-Zeiten einplant, schafft Raum für das Wesentliche. Und wenn gekauft wird, dann idealerweise gebraucht, langlebig – und als echtes Lieblingsstück.