Landgang für Dracula: Diese historische Stadt besitzt nicht nur die meisten Geister pro Quadratkilometer in England

Whitby, ein historisches Städtchen an der Küste Yorkshires, zählt zu den traditionsreichsten Seebädern Englands. Beliebt ist es nicht nur wegen seiner Lage. Es ist auch der Geburtsort des berühmtesten Vampirs der Literatur.

Whitby
Keine schlechte Kulisse für Geister: Die Ruinen der Abtei auf den Klippen Whitbys. Foto: Adobe Stock

199 Stufen führen zur Ruine der Abtei von Whitby hinauf. Auf der Klippe pfeift der Wind, unten liegt das durch den Fluss Esk zweigeteilte Städtchen: Fischerhafen seit dem Mittelalter, später Werft, Walfängerhafen und ab dem 18. Jahrhundert Kurort für entkräftete Stadtbewohner. Seine Häuser türmen sich an beiden Seiten des Flusses äußerst dekorativ übereinander.

Auf der der Abtei gegenüber liegenden Klippe erinnern zwei gewaltige Walknochen an den einst wichtigen Wirtschaftszweig des Walfangs. Die Ruinen der Abtei aus dem 7. Jahrhundert auf der einsamen Klippe verleihen Whitby dazu einen Hauch von Ewigkeit.

Hier betritt Dracula englischen Boden

Das Rot der Abendsonne, das die leeren Abteifenster aufleuchten lässt, inspirierte den 1847 in Dublin geborenen Schriftsteller Bram Stoker 1890 zum Roman „Dracula“. Drei Kapitel spielen hier und eignen sich heute noch als Stadtführer, so wenig hat sich der schon im 18. und 19. Jahrhundert beliebte Ferienort verändert.

Stoker hoffte, in dem Seebad seine angeschlagene Gesundheit zu stärken. Schneller noch als die Genesung kam indes die Inspiration. So lässt Stoker Dracula in Whitby englischen Boden erreichen - auf einem kenternden Schiff.

Vom Royal Hotel aus schaute Stoker über die Mündung des Esk auf die Seite des Städtchens, wo sich hinter Kirche und Friedhof die Ruinen der im Jahr 657 von der Heiligen Hilda gegründeten Abtei erheben. Sieben Jahre später fand hier die Synode von Whitby statt, bei der eine Formel gefunden wurde, mit der der Ostersonntag berechnet wird. Sie gilt bis heute.

Whitby liebt das Okkulte - und Geister

Trotz dieses frühen Faibles für die ordnende Kraft der Mathematik kultivierte das Städtchen später eine Neigung zum Okkulten. Unter georgianischen und viktorianischen Badegästen zirkulierten zahlreiche Augenzeugenberichte von einer Weißen Dame, die gelegentlich in den Ruinen spazieren ging - womöglich die Heilige Hilda selbst.

Noch heute behaupten manche der 13.000 Einwohner, es gebe hier mehr Geister pro Quadratkilometer als in jeder anderen Stadt im Königreich.

Kutsche mit kopflosen Pferden

Auf dem Friedhof soll in stürmischen Nächten so eine von kopflosen Pferden gezogene Kutsche erscheinen, die die Gräber von Matrosen ansteuert. Die isolierte Lage und eine an Schiffbrüchen reiche Geschichte mochten diese Vorgänge beflügeln; auf jeden Fall aber regte (und regt) beides die Phantasie der Lebenden an, wie schon Bram Stoker bewies.

Eine Bank unweit der Walfischknochen ist ihm gewidmet; von ihr lassen sich alle Schauplätze seines Romans in Whitby überblicken.

Wegen seiner eisenhaltigen Quellen und des Meeresklimas war Whitby bereits im 18. Jahrhundert zum beliebten Kurort aufgestiegen. 1839 wurde es ans Eisenbahnnetz angeschlossen und erlebte fortan einen wahren Boom. Die Viktorianer liebten Whitby trotz oder wegen seiner Geister - schließlich waren auch Séancen in jener Zeit ein beliebter Zeitvertreib.