Ein Elefant an der Loire: Diese Stadt verbindet Kreativität, Nachhaltigkeit und Savoir-vivre
Nach dem Niedergang der Werftindustrie hat sich die Atlantikmetropole neu positioniert. Heute gehört sie zu den attraktivsten Städten Frankreichs, ist aber noch immer ein Geheimtipp. Im Herbst zeigt sie sich in schönstem Licht.

Langsam setzt der Elefant sich in Bewegung. Mit den Ohren schlagend, steuert er auf eine Gruppe Touristen zu. Doch niemand rennt weg. Die Friedfertigkeit des einzigen frei laufenden Elefanten der Stadt gilt als erwiesen.
Denn seinen lebensechten Bewegungsabläufen zum Trotz besteht er aus Holz, Metall und Eisen. Mit bis zu vier Stundenkilometern trägt der Elefant bis zu 45 Personen vom Loire-Ufer zur „Galerie der Maschinen“ in einer ehemaligen Werfthalle.
Ein Reich der Phantasie an der Loire
Mit dem Projekt der „Machines de l’Île“ sollte die brachliegende Werftanlage auf der von zwei Armen der Loire umschlossenen Île de Nantes wiederbelebt werden. Im Geist Jules Vernes’, des berühmtesten Sohns der Stadt, verwandelte sich die verödete Industriefläche in ein Reich der Phantasie.
2007 setzte sich die erste mechanische Skulptur in Bewegung: le grand elephant, zwölf Meter hoch und 50 Tonnen schwer. Eine zweite Riesenmaschine sind die „Wasserwelten“, ein 25 Meter hohes Karussell mit aquatischen Fabelwesen.

Kraken, Riesenfische, Meeresschlangen – Jules Verne, der 1828 in einem Haus am Cours Olivier de Clisson im alten Reeder-Viertel zur Welt kam, hätte an dem Karussell seine Freude. Das Projekt hat die Insel zu einem neuen Zentrum gemacht, in dem auch Teile der Universität und der Justizpalast ansässig sind.
Eine grüne Stadt mit Kunst und hoher Lebensqualität
Die Schließung der Weften hatte der sechstgrößten Stadt Frankreichs Ende der 1980-er Jahre erhebliche Probleme bereitet. Bürgermeister Jean-Marc Ayrault entwickelte die Vision einer grünen Stadt mit hoher Lebensqualität. Er brachte den Strukturwandel auf den Weg, bevor er 2012 als Premierminister nach Paris wechselte. Heute besitzt die Stadt neben 107 Parks und Gärten 70 Kunstwerke im öffentlichen Raum und ein vorbildliches Verkehrskonzept.
80 Prozent des Zentrums sind autofrei. Die Nutzung der City-Bikes ist in den ersten zwei Stunden kostenfrei. Am Wochenende ist der öffentliche Personennahverkehr gratis - auch die Fähre, die die Ufer der Loire miteinander verbindet und etwa zum malerischen Fischerdorf Trentemoult führt.
Im Schloss residierten einst die Herzöge der Bretagne
Unter herbstlich verfärbten Bäumen flaniert man im mittelalterlichen Teil der Stadt zum Schloss der Herzöge der Bretagne. Sie residierten hier, als Nantes Hauptstadt der Bretagne war.
Erst 1532 wurde die Bretagne Frankreich angegliedert. Allerdings verlaufen die Grenzen der Regionen mittelerweile anders; Nantes ist heute Hauptstadt des Pays de la Loire.
Thunfisch, Sardinen und Süßigkeiten
Ein begehbares Denkmal erinnert an die Rolle der Stadt im Sklavenhandel. Durch die Lage nahe der Mündung der Loire in den Atlantik lebten in Nantes auch Sklavenhändler, die Menschen aus Afrika verschleppten und in die Karibik brachten. 1848 wurde die Sklaverei in Frankreich abgeschafft. Fortan wurden in Nantes Thunfisch und Sardinen in Dosen gefüllt und Süßigkeiten produziert.