Elektromobilität: Sehenden Auges den Wandel verschlafen?

Wenn der Umstieg aufs Elektroauto misslingt, verlieren alle, denn dass die Konkurrenz speziell aus China nicht wartet, ist bekannt. Während es auf den chinesischen Messen der Automobilindustrie nahezu ausschließlich um die Elektromobilität geht, träumt man auf der momentanen in München stattfindenden IAA 2025 immer noch von einer Zukunft des Verbrennungsmotors. Zumindest politisch.

Der Ausbau der Elektromobilität ist ein wichtiges Element im Kampf gegen den Klimawandel

Das Kernproblem ist bekannt und sollte eigentlich nicht mehr Teil einer Diskussion sein: ohne eine Abkehr von fossilen Brennstoffen wird es nicht gelingen, die Erderwärmung zu bremsen und damit letztendlich den Lebensraum von uns Menschen zu schützen.

Den Klimawandel ausblenden – zumindest bei der deutschen Automobilindustrie

Erstaunlicherweise – oder auch nicht – sind die Folgen der Erderwärmung in der aktuellen Debattenlage kein Thema mehr. Viele Staaten, viele politische Akteure in Oppositionsrollen oder viele Meinungsbildner aus den verschiedensten Arten der Medien bestreiten mittlerweile die wissenschaftlich fundierte Erkenntnis vom menschengemachten Klimawandel.

Der aktuell massivste Meinungsbildner gegen den menschengemachten Klimawsandel sind die Vereinigten Staaten von Amerika unter ihrem neuen Präsidenten Donald Trump. Allerdings sind auch in Europa nahezu alle Parteien des rechten Spektrums, wie zum Beispiel die deutsche AfD, ebenfalls der Meinung, dass der menschengemachte Klimawandel nicht existiert.

Populisten verweigern sachliche Argumente

Die Sicht derartiger Populisten lässt sich argumentativ kaum entkräften, denn sie nehmen wissenschaftliche Fakten höchstens selektiv zur Kenntnis.

Die Macht von Lobbyverbänden, ganz speziell aus dem Spektrum der fossilen Energieträger zeigt sich auf den Weltklimakonferenzen der letzten Jahre. Dies hat dazu geführt, dass sich viele Länder und auch viele politische Akteure hinter das Statement von Donald Trump „drill, baby, drill“ stellen, mit dem er eine Renaissance der fossilen Energien in den USA angekündigt hat.

Es ist richtig, über die beste Strategie beim Klimaschutz zu streiten. Dies beinhaltet auch das EU-Verbrennerverbot, mit dem ab dem Jahr 2035 die Produktion und der Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotoren untersagt ist.

Allerdings ist es wichtig, die Klärung dieser Frage bestenfalls zu einem Nebenschauplatz zu machen und damit nicht zu vergessen, dass die Hauptfrage die gesamte Abnahme der Treibhausgasemissionen aus allen Sektoren ist.

Politisches Geplänkel

Zu Beginn der Automobilausstellung IAA München waren die Forderungen nach einer Lockerung der Regeln mit dem Ziel einer Beibehaltung der Verbrennungsmotoren auch nach 2035 vielstimmig. Ziel müsse es sein, die europäische Automobilindustrie nicht zu gefährden. Kein Ziel ist es folglich, den Klimawandel aufzuhalten und seine Folgen zu begrenzen.

Hersteller, Zulieferer und Bundeskanzler Friedrich Merz waren sich bei dem Ziel einer Lockerung der europäischen Vereinbarungen einig. Ihre Aussage: da bis 2035 der vollständige Umstieg auf CO2-freie Antriebe nicht zu schaffen sei, brauche man flexiblere Lösungen.

Nein, die Klimarettung hängt sicherlich nicht davon ab, ob zum Beispiel neue Autos mit Hybridantrieb ein paar Jahre länger erlaubt werden als bisher geplant - oder nicht.

Auch ist die Frage berechtigt, ob hohe Strafzahlungen bei Nichterreichen der Zwischenziele die Industrie eher zu Höchstleistungen antreiben oder ins wirtschaftliche Verderben schicken.

Fossile Antriebe können keine Alternative sein

Allen Akteuren aus Politikwirtschaft und Gesellschaft, die sich nicht in faktenarmen Wunschwelten bewegen, sollte klar sein: Ohne den raschen Umstieg auf im Betrieb CO2-freie Elektroantriebe ist die Klimawende im Verkehr nicht zu meistern. Die großen chinesischen Wettbewerber der europäischen Automobilindustrie geben hier den Takt vor - und nicht die bisherigen Champions der Verbrennungsmotoren aus Europa.

Alternativen wie synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) klingen für viele verlockend, sind aber meilenweit von einer Massenproduktion entfernt.


Industrie hat die Botschaft verstanden

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die deutschen Hersteller die Botschaft als solche verstanden haben. Sie zeigen auf der IAA technisch herausragende, hocheffiziente und optisch ansprechende Elektroautos. Ab dem kommenden Jahr bringen einige der Hersteller aus Europa auch bezahlbare Einstiegsmodelle auf den Markt.

Gleichzeitig verhalten sich die Hersteller aber wie eine Mutter, die dem Kind immer ein gesundes Pausenbrot mit Gemüse und Obst anbietet, gleichzeitig aber auch auf den Inhalt der Süßigkeitenschublade mit allerlei Zuckerhaltigem verweist.

Die Werbung von Firmen, die neben E-Autos riesige PS-Monster mit acht Zylindern vorstellen, muss zwangsläufig widersprüchlich ausfallen. Ein Bekenntnis zum Klimaschutz wird so bestenfalls zum Lippenbekenntnis, wenn für den Kunden überhaupt eine Richtung erkennbar ist.

Kein Hinweis auf Vorteile von E-Autos

Ebenso unerklärlich ist es, dass die Hersteller die Vorzüge von Elektroautos nur selten thematisieren. Schließlich ist bekannt, dass E-Autos deutlich effizienter sind, weniger Lärm erzeugen und keinerlei Abgasemissionen verursachen. Dies müsste doch gerade in den emissionsbelasteten Städten ein wichtiges Argument sein.

Auch die europäische Union hat ihre Hausaufgaben bei den Mobilitätsfragen der Zukunft nicht erledigt. Es ist bekannt, dass die 27 Mitglieder in der Debatte nicht nur intensiv, sondern meistens auch uneins und in der Umsetzung bestenfalls mittelmäßig sind.

Die Problemzonen der Ladeinfrastruktur, der Ausbau des Stromnetzes insgesamt, die Strompreise und ihre Gestaltung sowie die Rohstoffbeschaffung für Batterien sind nur einige Themen auf der langen Liste der nicht erledigten Punkte. So wird die eigene Ambition schnell zu leeren Worthülsen.

Chinas Planwirtschaft hat hier leider bessere und schnellere Lösungen.

E-Autos: nicht perfekt, aber besser als Verbrennungsmotoren

Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass E-Autos in Sachen Klimabilanz nicht perfekt sind, vor allen Dingen wegen der energieintensiven Batterieproduktion. Nach dem aktuellen Stand der Technik, also dem verfügbaren Wissen, sind sie unter dem Strich den Verbrennungsmotoren in der CO2 Bilanz klar überlegen.

Es nützt nichts, die Augen zu verschließen und den Blick vor allen Dingen auf keinen Fall nach China zu richten, wo heute und morgen die Trends der zukünftigen Antriebsarten von Kraftfahrzeugen gesetzt werden.

Gelingt es Politik und Industrie nicht, die Antriebswende zu meistern, verliert in erster Linie der Klimaschutz, aber natürlich auch die gesamte Automobilindustrie als Ganzes.

Um das obige Beispiel von Mutter und Kind erneut zu strapazieren: entweder die Entscheidung fällt eindeutig zu Gunsten des gesunden Pausenbrotes aus, oder man bekommt am Ende einen Zuckerschock.