Exosphäre des Mondes: Wie stark wirkt sich der Sonnenwind auf die Mondoberfläche aus?

Wie die hauchdünne Atmosphäre des Mondes, die Exosphäre, entstanden ist, war der Mondforschung lange ein Rätsel. Ursprünglich hatte man angenommen, dass der Sonnenwind – also starke Ausbrüche von Sonnenstrahlung – kleinste Teilchen aus der Mondoberfläche schlägt. Doch nun haben Astronomen eine neue Erklärung gefunden.

Auch der Mond verfügt über eine hauchdünne Gashülle, die sogenannte Exosphäre.
Auch der Mond verfügt über eine hauchdünne Gashülle, die sogenannte Exosphäre. Bild: NASA

Die Oberfläche des Mondes ist tagtäglicher Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Besonders der Sonnenwind – ein ständiger Strom elektrisch geladener Teilchen – galt bisher als maßgebliche Ursache für die extrem dünne Gashülle rund um den Mond, die sogenannte Exosphäre. Doch eine neue Studie belegt nun, dass die Bedeutung des Sonnenwinds offenbar überschätzt wurde.

„Der Mond hat keine dichte Atmosphäre wie die Erde – aber um ihn herum existiert eine extrem dünne Exosphäre, in der sich einzelne Atome und Moleküle befinden. Woher diese Teilchen stammen, ist eine der zentralen Fragen der Mondforschung.“

– Prof. Friedrich Aumayr vom Institut für Angewandte Physik, Studienleiter

Das Forschungsteam der Technischen Universität Wien unter der Leitung von Prof. Friedrich Aumayr vom Institut für Angewandte Physik konnte in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern erstmals experimentell nachweisen, wie stark der Sonnenwind tatsächlich die Mondoberfläche beeinflusst. Grundlage dafür waren Experimente mit echtem Mondgestein – Proben der Apollo-16-Mission der NASA – sowie großskalige 3D-Simulationen am Vienna Scientific Cluster.

Sputtererosion durch Sonnenwindteilchen?

Bisher hatte man zwei Hauptquellen für die Atome in der Mondexosphäre angenommen, einerseits den Sonnenwind, der durch sogenannte Sputterprozesse kleinste Teilchen aus der Mondoberfläche schlägt, und andererseits Mikrometeoriten, die regelmäßig auf dem Mond einschlagen und dabei Material freisetzen. Doch konkrete experimentelle Daten dazu hatten bislang gefehlt.

Sputtern (auch: Kathodenzerstäubung) ist ein physikalischer Prozess, bei dem Atome aus einem festen Material durch den Beschuss mit energiereichen Ionen herausgelöst werden.

Die zentrale Erkenntnis der neuen Studie ist nun, dass die Erosionsrate durch Sputtervorgänge, also den Einschlag schneller Teilchen, wesentlich geringer ist als in bisherigen Modellen angenommen. Frühere Schätzungen hatten entscheidende physikalische Eigenschaften des Mondgesteins ignoriert, etwa dessen rauen Aufbau und hohe Porosität.

Ein technisches Highlight der Untersuchung war eine neuartige Quarz-Mikrowaage, mit der winzige Masseabnahmen des Gesteins durch Ionenbeschuss gemessen werden konnten. Parallel dazu wurden 3D-Computermodelle der Mondoberfläche erstellt, welche die komplexe Struktur einer porösen Staubschicht namens Regolith realistisch nachbilden.

Vakuumkammer mit Mondgestein
Vakuumkammer mit Mondgestein. Bild: TU Wien

Das Ergebnis der doppelten Herangehensweise: Die tatsächliche Sputterrate durch den Sonnenwind liegt weit unter den bisherigen Annahmen. Der Grund liegt in der Geometrie der Mondoberfläche. Geladene Teilchen dringen in die winzigen Hohlräume des Regoliths ein und verlieren dort schrittweise ihre Energie, anstatt massenhaft Atome aus dem Gestein herauszuschlagen.

Mikrometeoriten als Ursache

Die neuen Erkenntnisse eröffnen nun eine neue Sicht darauf, wie die Mondexosphäre entstanden sein könnte, und stützen zudem auch andere Forschungsergebnisse, nach denen die lunare Gashülle eine andere Hauptquelle hat, nämlich Mikrometeoriten.

Unsere Studie liefert die ersten realistischen, experimentell abgesicherten Sputter-Werte für echtes Mondgestein.

Prof. Aumayr erklärt: „Damit zeigen wir nicht nur, dass frühere Modellrechnungen die Erosionsrate durch den Sonnenwind stark überschätzt haben – wir können damit auch einen offenen wissenschaftlichen Widerspruch auflösen.“ Konkret bezieht sich Aumayr auf neueste Untersuchungen, die auf Isotopenanalysen basieren und Mikrometeoriten als dominierende Quelle für die Exosphäre vermuten. Die aktuellen Ergebnisse der TU Wien bestätigen diese Annahme nun experimentell.

Autorenteam der TU Wien
Das Autorenteam der TU Wien (v. l. n. r.): Richard A. Wilhelm, Gyula Nagy, Johannes Brötzner (Erstautor der Studie), Martina Fellinger, Friedrich Aumayr (Bild: David Rath, TU Wien). Bild: TU Wien

Solche Studien sind besonders für kommende Weltraummissionen wichtig: Mit der Artemis-Mission der NASA stehen bemannte Missionen zum Mond bevor. Auch die ESA-JAXA-Mission BepiColombo, die zum sonnennahen Merkur unterwegs ist, wird bald erstmals Exosphärendaten direkt vor Ort liefern.

Die beteiligten Erosionsmechanismen zu verstehen, ist dabei entscheidend für die Auswertung solcher Daten. Die aktuelle Studie der TU Wien liefert dafür eine neue, belastbare Grundlage – und zeigt dabei, wie komplex die Vorgänge auf scheinbar toten Himmelskörpern wie dem Mond sind.

Quellenhinweis:

Brötzner, J., Biber, H., Szabo, P. S., et al. (2025): Solar wind erosion of lunar regolith is suppressed by surface morphology and regolith properties. Communications Earth & Environment, 6, 560.