Die Erde schwankt – und ein Laser schaut ganz genau hin: So messen Forscher, wie sich die Erdachse bewegt

Die Erdachse bleibt nicht immer hundertprozentig starr, sondern unterliegt minimalen Schwankungen – etwa durch den Einfluss von Sonne und Mond. Ein neuer Laser kann die kleinen Taumelbewegungen nun mit bisher ungekannter Genauigkeit erfassen.

Ringlaser am Geodätischen Observatorium der TUM. Geophysiker Dr. Andre Gebauer in der Ringlaserkonstruktion (Gesamtschau) des Grossringlasers G.
Ringlaser am Geodätischen Observatorium der TUM. Geophysiker Dr. Andre Gebauer in der Ringlaserkonstruktion (Gesamtschau) des Grossringlasers G. Bild: Astrid Eckert/TU München

Wenn unser Planet durchs All zieht, vollzieht er keine perfekte Kreisbahn. Die Erdachse bleibt nicht starr, sondern schwankt – mal stärker, mal schwächer. Ein Forschungsteam der Technischen Universität München (TUM) und der Universität Bonn hat nun eine Methode vorgestellt, mit der sich die Bewegungen in bislang unerreichter Präzision erfassen lassen.

Die Erdachse ist die Rotationsachse unseres Planeten, die durch den Erdmittelpunkt verläuft. Auf der Sonnenumlaufbahn bleibt sie weitestgehend parallel zu sich selbst.

Statt wie bisher auf ein weltumspannendes Netz aus Radioteleskopen angewiesen zu sein, genügt ein einziges Messgerät: ein gigantischer Ringlaser im geodätischen Observatorium Wettzell in der Oberpfalz. Mit ihm gelang es den Forschenden, die winzigen Taumelbewegungen der Erdachse über einen Zeitraum von 250 Tagen kontinuierlich zu registrieren. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht.

„Uns ist damit ein großer Fortschritt in der Vermessung der Erde gelungen“, erklärt Projektleiter Prof. Karl Ulrich Schreiber. „Die exakte Messung der Schwankungen hilft dem Verständnis und der präzisen Modellierung des Systems Erde.“

Warum die Erde taumelt

Im Gegensatz zum klassischen Globus ist die Erdachse nicht fix. Es wirken verschiedene Kräfte auf sie ein, die sie ständig leicht verschieben. Da wäre einmal die Form der Erde selbst: Sie ist am Äquator breiter als an den Polen. Das Ungleichgewicht verursacht eine sehr langsame Kreisbewegung der Achse am Himmel, namens Präzession.

Ein vollständiger Umlauf der Präzessionsbewegung dauert rund 26.000 Jahre.

Zusätzlich beeinflussen die Anziehungskräfte von Sonne und Mond die Achse. Sie erzeugen kleinere Schwankungen, die Nutation genannt werden. Manche dieser Bewegungen wiederholen sich über Jahrzehnte, andere über Tage oder sogar Stunden. Dadurch entsteht eine unregelmäßige, eiernde Bewegung der Erdachse.

Besonderer Ringlaser

Bisher war es nötig, mit der Langbasisinterferometrie (Very Long Baseline Interferometry, VLBI) mehrere Radioteleskope über den Globus hinweg zu koordinieren, um diese Bewegungen zu erfassen. Der Wettzeller Ringlaser schafft das alleine, und das auch noch viel genauer. Die Auflösung liegt im Stundenbereich, nicht mehr bei ganzen Tagen. Außerdem stehen die Daten sofort bereit, während VLBI-Auswertungen oft erst nach Wochen vorliegen.

Was unser Ringlaser kann, ist weltweit einzigartig.

„Wir sind 100-mal genauer, als es bislang mit Gyroskopen oder anderen Ringlasern möglich war“, sagt Schreiber. Der Laser arbeitet als Inertialsensor – also als Trägheitsmesser – und misst direkt in Bezug auf den Raum, unabhängig von äußeren Signalen. Damit lassen sich Effekte nachweisen, die zuvor im Rauschen untergingen.

Einstein im Labor testen

Noch ist der Ringlaser vor allem ein Werkzeug für die Geodäsie. Doch mit künftigen Verbesserungen – eine zehnfache Steigerung der Genauigkeit gilt als realistisch – könnten sogar fundamentale physikalische Theorien überprüft werden. Konkret geht es um den sogenannten Lense-Thirring-Effekt, also die Verdrillung der Raumzeit durch die Erdrotation, ein Kernpunkt von Einsteins Relativitätstheorie.

Sollte dieser Nachweis am Boden gelingen, wäre es ein Meilenstein – und das ausgerechnet im ländlichen Wettzell, tief unter der Erde, wo ein Laser die feinen Taumelbewegungen unseres Planeten sichtbar macht.

Quellenhinweis:

Schreiber, K. U., Hugentobler, U., Kodet, J., Stellmer, S., Klügel, T., & Wells, J.-P. R. (2025): Gyroscope Measurements of the Precession and Nutation of the Earth Axis. Science Advances.