Hai-Kinderstube in der Nordsee entdeckt – Forscher schlagen Alarm

Zwischen Borkum und den Westfriesischen Inseln wurde eine Kinderstube für junge, vom Aussterben bedrohte Hundshaie entdeckt. Diese wichtigen Lebensräume brauchen jetzt dringend Schutz vor Beifang und Umweltbedrohungen.

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Soupfin Shark (Galeorhinus galeus) Symbolbild für den Hundshai, der auch in unseren Nordsee-Gewässern unterwegs ist.


Urlauber an der Nordseeküste dürften bei dieser Nachricht staunen – und manche vielleicht erschrecken:

Zwischen der deutschen Insel Borkum und den niederländischen Westfriesischen Inseln haben Forscher erstmals eine sogenannte „Kinderstube“ für Hundshaie im Wattenmeer entdeckt.

Das berichtet der WWF Deutschland in einer aktuellen Pressemitteilung vom 23. September 2025.

Die Entdeckung ist Teil des internationalen Forschungsprojekts ISRA („Important Shark and Ray Areas“), bei dem insgesamt 124 wichtige Lebensräume für Haie und Rochen im Nordatlantik und in der Nordsee identifiziert wurden. Besonders im Fokus: der Hundshai (Galeorhinus galeus) – Deutschlands größter Hai, der laut aktueller Roter Liste der Meeresfische inzwischen als „vom Aussterben bedroht“ gilt.

„Erstmals wird sichtbar, wo sich Hundshaie in der Deutschen Bucht fortpflanzen“, erklärt Heike Zidowitz, Haiexpertin beim WWF. „Regelmäßig halten sich Neugeborene und Jungtiere im niederländisch-deutschen Wattenmeer auf. Diese Erkenntnis muss in konkrete Schutzmaßnahmen münden.“

Vom Wattenmeer bis in die Tiefsee

Erwachsene Hundshaie können bis zu zwei Meter lang werden und rund 45 Kilogramm wiegen. Sie sind zwar imposant, für Menschen jedoch völlig ungefährlich. Im Gegenteil: Der Mensch ist für diese Haiart die größte Bedrohung.

Obwohl Hundshaie in der EU nicht gezielt befischt werden, landen sie regelmäßig als Beifang in Fischernetzen. Laut WWF übersteigen die Anlandungen häufig die wissenschaftlich empfohlene Obergrenze um 60 bis 70 Prozent – eine gefährliche Entwicklung für eine Art mit so langsamer Fortpflanzung. Weibliche Hundshaie werden erst mit 11 bis 17 Jahren geschlechtsreif, gebären nur alle drei Jahre und haben Tragezeiten von bis zu zwölf Monaten.

Forschungsprojekt enthüllt weite Wanderungen

Mehr über das Leben der Hundshaie erfahren wir dank des „Helgoland Tope Tagging Project“ des Thünen-Instituts für Seefischerei. Dort werden Haie mit Satellitensendern ausgestattet, um ihr Wanderverhalten zu analysieren. Die Ergebnisse sind spektakulär: Einige Tiere legen mehr als 2.500 Kilometer zurück, wandern durch den Ärmelkanal bis nach Madeira oder in die Straße von Gibraltar. Auf dem Weg dorthin tauchen sie teils bis in 750 Meter Tiefe ab – vermutlich auf der Jagd nach Tintenfischen in der Tiefsee.

„Diese Daten zeigen, wie wichtig grenzüberschreitende Schutzmaßnahmen sind“, so Zidowitz weiter. Die niederländische Regierung hat bereits unter der Bonner Konvention einen Aktionsplan angeregt – nun ist auch Deutschland gefragt.

WWF-Forderungen

  • Beifang-Monitoring verbessern
  • Hundshai als eigenständiges Schutzgut in der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie etablieren
  • Internationale Schutzmaßnahmen koordinieren

Zidowitz betont: „Der Hundshai lebt direkt vor unserer Haustür – doch genießt bislang keinerlei rechtlichen Schutz. Das muss sich ändern.“

Obwohl der Name Furcht weckt, geben Expert:innen Entwarnung: „Haie unserer Meere sind vorsichtige Tiere. Bei einer Begegnung würden sie fliehen“, so Zidowitz.

Die Zeit für effektiven Schutz wird knapp. Denn eines ist sicher: Wer Haie retten will, muss genau dort anfangen – im Wattenmeer vor Borkum.

Quellenhinweis

WWF Deutschland (2025): Pressemitteilung „Kinderstube für Hundshaie im Wattenmeer identifiziert“ vom 23.09.2025

Thünen-Institut für Seefischerei (2025): Projektbeschreibung „Wanderverhalten von Hundshaien (HTTP)“, online unter: thuenen.de