Deutsche Katzen müssen kastriert werden: Straßenkatzenpopulation wächst exponentiell und Tierheime am Limit
Straßenkatzen sind nicht nur ein logistisch herausforderndes, sondern auch ein moralisches Thema. Katzen, die einst menschliche Begleiter waren oder aus Haushalten stammen, werden ihrem Schicksal überlassen. Nur durch konsequente Kastration, Kennzeichnung und Registrierung lässt sich die Population stabilisieren und das Leid der Tiere nachhaltig reduzieren.

Katzen gelten als Symbol für Unabhängigkeit, Eleganz und Geheimnis. Doch abseits heimischer Wohnzimmer und Gärten leben Millionen freilebender Katzen in Deutschland ein Leben voller Entbehrungen.
Schätzungen zufolge existieren hierzulande bis zu zwei Millionen Straßenkatzen, die meist scheu, zurückgezogen und ohne menschlichen Kontakt leben. Ihre Lebensbedingungen sind oft geprägt von Hunger, Kälte, Parasitenbefall, Krankheiten und Gefahren durch den Straßenverkehr.
Überlastung der Tierheime
Die Versorgung dieser Tiere stellt Tierheime und Tierschutzvereine vor enorme Herausforderungen. Allein in Baden-Württemberg wurden seit 2023 mehr als 4.000 Straßenkatzen eingefangen, medizinisch versorgt und kastriert (Deutscher Tierschutzbund). Bundesweit berichten fast 80 % der Tierschutzvereine von steigenden Populationen herrenloser Katzen.
Viele Tiere sind krank oder verletzt. Jungtiere sterben häufig in den ersten Lebenswochen, da sie unterernährt oder krank sind. Tierheime arbeiten überwiegend mit Spendengeldern und ehrenamtlicher Hilfe, stoßen jedoch regelmäßig an ihre Kapazitätsgrenzen.
Verfälschte Tierliebe
Nicht jede Tierliebe schützt vor Leid. Ein Drittel der Tierschutzvereine ist überzeugt, dass Katzen häufiger als andere Tierarten Opfer von Tierquälerei oder vorsätzlicher Tötung werden. 18 % der Vereine berichten, dass solche Fälle in den letzten drei Jahren zugenommen haben.
Besonders dramatisch sind Fälle von Animal Hoarding: Zwischen 2012 und 2023 wurden in Deutschland 301 Fälle registriert, in denen insgesamt 8.829 Katzen gehortet wurden – oft schwer krank, viele Tiere nur noch tot aufgefunden. Dieses Phänomen zeigt, wie gut gemeinte Tierliebe ins Gegenteil umschlagen kann und massives Tierleid verursacht.
Die Formen der Tierquälerei bei Katzen sind vielfältig: 77 % der Vereine berichten über nicht artgerechte Haltung (inklusive Vernachlässigung, Käfighaltung oder fehlender Pflege), 48 % über Vergiftungen, 43 % über Schlagen oder Treten, 27 % über Abschuss von Katzen und 26 % über das Zufügen von Verletzungen. Weitere Grausamkeiten umfassen Katzen zum Sterben in Kisten oder Tüten zurückzulassen (16 %), Ertränken (15 %) oder Drangsalieren (10 %) (Deutscher Tierschutzbund).
Der Kreislauf unkontrollierter Vermehrung
Unkastrierte Freigängerkatzen treiben die Population in die Höhe. Weibliche Katzen können mehr als zweimal pro Jahr werfen, pro Wurf kommen 6 bis 8 Kätzchen zur Welt.
Die meisten dieser Kätzchen werden ohne menschliche Fürsorge geboren und überleben oft nicht. Tierheime und Tierschutzvereine versuchen gegenzusteuern, doch Einzelaktionen reichen nicht aus, um das exponentielle Wachstum zu bremsen.
Krankheitslage
Freilebende Katzen leiden häufig unter Infektionen und Parasiten. Etwa 99 % der Straßenkatzen zeigen Anzeichen von Krankheiten, teils chronisch, teils akut (Quelle: Deutscher Tierschutzbund).
Viele Tiere tragen Katzenschnupfen, FIV oder FeLV in sich, was ihre Lebensspanne erheblich verkürzt.
Die medizinische Versorgung ist kostenintensiv: 150 bis 300 Euro fallen pro Kastration, Impfung und Versorgung an. Für Tierheime ist die Kombination aus hohen Fallzahlen, Krankheitslast und Kosten eine permanente Belastung.
Fragmentierte Rechtslage
Bundesweit bleibt die Situation der Straßenkatzen prekär. Viele Kommunen haben bereits Katzenschutzverordnungen erlassen, die Kastration, Kennzeichnung und Registrierung vorschreiben, doch ein Flickenteppich an Vorschriften bleibt bestehen.
Beipiel Baden-Württemberg:
Von rund 1.100 Städten und Gemeinden verfügen bisher nur 172 über eine solche Verordnung (Deutscher Tierschutzbund / Bayerischer Rundfunk).
Tierschützer fordern daher eine bundesweite Kastrationspflicht für alle Freigängerkatzen, um das Leid der Tiere zu reduzieren und die überlasteten Tierheime zu entlasten.
Leider hält sich das Vorurteil hartnäckig, dass kastrierte Katzen weniger Mäuse fangen. Die Folge: Unkastrierte Katzen vermehren sich unkontrolliert. Viele sind krank und unterernährt. Nicht selten wird ungewollter Nachwuchs getötet.
— Tierschutzbund (@tierschutz_bund) July 29, 2025
Bitte lasst eure Bauernhofkatzen kastrieren️ pic.twitter.com/OmFz7hIlXE
Eine Vorreiterrolle nimmt nun u.a. die Stadt Hamburg ein:
Ab dem 1. Januar 2026 müssen dort alle Freigänger-Katzen ab einem Alter von fünf Monaten kastriert, gechippt und registriert werden. Diese Maßnahmen sollen unkontrollierte Vermehrung eindämmen, Revierkämpfe und das damit verbundene Tierleid reduzieren. Wer seine Katze ausschließlich in der Wohnung hält, ist von diesen Vorschriften ausgenommen.
Die Kosten für Chippen und Kastration tragen die Halter selbst, während die Registrierung kostenfrei erfolgt. Diese Verordnung ergänzt langjährige, durch den Hamburger Tierschutzverein initiierte Kastrationsaktionen freilebender Katzen und markiert einen konsequenten Schritt im städtischen Tierschutz (Senatskanzlei Hamburg, 2025).
Quellen
Deutscher Tierschutzbund: Katzenschutz – warum die Kastration so wichtig ist, 2025.
Deutscher Tierschutzbund: Großer Katzenschutzreport 2025.
Bayerischer Rundfunk, BR24 Redaktion: Tierheime am Limit: Kastrationspflicht für Katzen gefordert, 08.08.2025.
Senatskanzlei Hamburg: Neue Regeln für Katzen ab 2026, 2025.
https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/aktuelles/neue-regeln-fuer-katzen-ab-2026-10068