Wie geht es mit der Erderwärmung weiter?

Nach dem Extremwetterkongress, der vom 24. Bis 25. September in Hamburg stattfand, stellten die Deutsche Meteorologische Gesellschaft (DMG) gemeinsam mit der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) einen politischen Appell mit dem Titel “Globale Erwärmung beschleunigt sich – Ein Aufruf zu entschlossenem Handeln” vor.

Zwei renommierte Wissenschaftsinstitute appellieren zum politischen Handeln bei Maßnahmen gegen die Erderwärmung

Der Inhalt ist hochbrisant und beängstigend: Die Wissenschaftler warnen, dass die Welt bereits 2050 die 3-Grad-Grenze reißen könnte.

Wie bitte? 3 Grad? Wieso das jetzt?

Wir könnten schon 2050 bei 3 Grad landen. Ganze 50 Jahre eher als bisher angenommen?! Ja, einzelne Klima-Experten hatten diese Möglichkeit schon früher diskutiert. Neu ist aber, dass sich zwei so renommierte Institutionen zusammenschließen und mit einer gemeinsamen Erklärung an die Öffentlichkeit gehen.

Die DMG hat knapp 2.000 Mitglieder. In der DPG sind sogar über 50.000 Physiker und Physikerinnen vertreten. Ebenfalls außergewöhnlich: Der Appell enthält konkrete Forderungen, die sich direkt an die Politik richten, obwohl Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen genau das normalerweise eher scheuen.

Sehr deutliche Einleitung!

Die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels seien mittlerweile unübersehbahr. Ihr Ausmaß drohe, unsere Anpassungsfähigkeiten zu überschreiten. Zudem mehren sich die Anzeichen dafür, dass die globale Erwärmung schneller als bisher erwartet fortschreitet.

Extremwetterereignisse in Deutschland, Europa und weltweit nehmen sowohl in ihrer Stärke als auch in ihrer Häufigkeit zu und treten zunehmend in Regionen auf, in denen diese bisher unbekannt waren.

Die Kombination aus Hitze und Trockenheit lasse Wälder absterben und beeinträchtige die Landwirtschaft stark. Auch der lokale Wasserhaushalt werde durch die Folgen der globalen Erwärmung (Abschmelzen der Alpengletscher, Ausbleiben der Schneeschmelze, etc.) stark negativ beeinflusst.

In vielen Regionen der Erde erreichen die Temperaturen Rekordwerte. Solche Hitzewellen stellen – auch in Deutschland – eine große gesundheitliche Belastung dar.

Gleichzeitig beobachten Expertinnen und Experten weltweit einen drastischen Verlust der Artenvielfalt, der sich durch den Klimawandel weiter verstärkt und der die Widerstandsfähigkeit unserer Ökosysteme beeinträchtigt.

Weltweit steige das Risiko, dass Verarmung, Hunger, Fluchtbewegungen sowie gesellschaftliche und weltpolitische Instabilität weiter zunehmen.

Trotz dieser offensichtlichen Entwicklungen habe die globale Gemeinschaft - und damit auch Deutschland - bislang nur unzureichend auf die mit der globalen Erwärmung verbundenen Gefahren reagiert.

Ausgangslage

Seit der Warnung der DPG und der DMG zum Klimawandel im Jahr 1987 und dem ersten Bericht des Weltklimarats der Vereinten Nationen (IPCC) im Jahr 1990 sind die jährlichen CO2-Emissionen um 60 Prozent gestiegen.

Die Hälfte des seit Beginn der Industrialisierung vor 150 Jahren ausgestoßenen CO2 wurde in den letzten 30 Jahren emittiert.

Auch die Konzentrationen weiterer klimawirksamer Spurengase wie Methan, Distickstoffoxid (Lachgas) und halogenierter Kohlenwasserstoffe in der Luft steigen weltweit drastisch an.

Setzt sich dieser Trend fort, wird die mittlere Temperatur in Bodennähe aus rein physikalischen Gründen weiter ansteigen.

Verstärkende Rückkopplungseffekte und damit eventuell verbundene, sogenannte Kipppunkte beschleunigen diese Erwärmung zusätzlich.

Messungen zeigen, dass die Erwärmung regional und saisonal unterschiedlich ausfällt. Grundsätzlich ist sie über den Kontinenten stärker ausgeprägt als über den Ozeanen.

Am stärksten erwärme sich die Arktis. Während dies dort zum Abschmelzen des Polareises führt, kommt es in Mitteleuropa und insbesondere im Mittelmeerraum zu einer Zunahme von Hitzewellen, Dürren und Waldbränden sowie Starkregen und Überschwemmungen.

2023/2024 überschritten die Temperaturen im globalen Jahresmittel erstmals den Wert von 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau. Physikalische Zusammenhänge lassen den Schluss zu, dass die 1,5-Grad-Grenze des Pariser Abkommens bereits überschritten sein könnte. Dies lässt sich jedoch erst rückwirkend in einigen Jahren feststellen, wenn es bereits zu spät ist, um noch gegenzusteuern.

Aussichten

Obwohl die Treibhausgasemissionen in Deutschland seit 1990 reduziert wurden, reichen die aktuellen Maßnahmen nicht aus, um die Ziele des deutschen Klimaschutzgesetzes bis 2030 oder die Treibhausgasneutralität bis spätestens 2045 zu erreichen.

In Deutschland und international sind die zugesicherten Klimaschutzziele deutlich zu gering bemessen (Ambitionslücke) und die derzeitig umgesetzten und vorgesehenen Maßnahmen reichen nicht aus, um selbst diese zu gering bemessenen Ziele zu erreichen (Umsetzungslücke).

Dies hat weitreichende Folgen: Die Ambitionslücke führt bis 2100 mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Erwärmung von 2 bis zu 5 Grad gegenüber den vorindustriellen Temperaturen, die Umsetzungslücke zu einer weiteren Erwärmung um einige Grad. Bereits bis 2050 bestünde somit das Risiko einer Erwärmung um 3 Grad.

Stoische Nichtbeachtung in der Gesellschaft?

Trotz der Dringlichkeit der Lage ist es wahrscheinlich, dass diese Zahlen als eine weitere Katastrophen-Meldung untergehen. Das befürchtet auch Lea Dohm, Dipl.-Psychologin, Dt. Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) gegenüber dem Netzwerk KLIMAJOURNALISMUS.

Bei dieser Nachricht ist es verständlich und begründet, sich große Sorgen zu machen. Zugleich erleben viele Menschen aber gerade Frust, Genervtheit und Überforderung mit Klimafragen, was jede Form von Vermeidung und Verdrängung begünstigt. Es ist zu befürchten, dass diese ungeheuerliche Prognose doch wieder in der Versenkung verschwindet … Diese existentielle Bedrohung geht nicht weg, wenn wir einfach wegschauen. Wir brauchen klügere und geschicktere Antworten, auch kreative, aber bitte konkrete Lösungen von allen Menschen, die das Problem verstanden haben.

Der Appell steht in einem größeren Kontext

Die DPG hat sich in ihrer langen Geschichte nur selten öffentlich zur Klimakrise geäußert. Wenn doch, fiel das auf. Deshalb könnte der jetzige Appell künftig wohl in einer Reihe mit anderen historischen Ereignissen der Klimaforschung genannt werden.

Die im Appell erkennbare Kritik an den Berichten des Weltklimarats IPCC ist auch nicht neu: Bereits 2022 hat etwa der Gründer des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Hans-Joachim Schellnhuber, dem Weltklimarat vorgeworfen, die schlimmsten Prognosen im Report nicht ausreichend zu berücksichtigen.

Einige Aussagen der Initiatoren des Appells:

Frank Böttcher, Vorsitzender der DMG:

Wir sind beim Klimawandel in eine neue Phase eingetreten: Die globale Erwärmung scheint sich zu beschleunigen. Die Datenlage ist so deutlich, dass für die Mitglieder der Fachgesellschaften der Punkt erreicht ist, an dem sie sich verpflichtet fühlen, das auch zu kommunizieren.

Quelle: ZEIT-Interview mit Frank Böttcher (25.09.2025) - DIE ZEIT Nr. 41/2025

Klaus Richter, Präsident der DPG:

Die erwartete 2,7-Grad-Erwärmung orientiert sich an den mittleren Szenarien des Weltklimarates IPCC. Das Risiko von drei Grad bis 2050 liegt im Bereich der pessimistischen Szenarien des IPCC. Und gerade die Daten der vergangenen Jahre passen leider eher zu diesen Szenarien.

Quelle: ZEIT-Interview mit Klaus Richter (25.09.2025) - DIE ZEIT Nr. 41/2025

Und nun?

Wie so oft sich mir die Frage, was die Politik mit einem solchen Appell anfängt. Zwei renommierte Wissenschaftsinstitute haben sich eindeutig zu dem Klimawandel und seinen Folgen positioniert und in einem Appell zum Handeln aufgefordert.

Mir kommt dabei der Gedanke eines Riesenschiffes, dass die deutsche Politik symbolisieren soll, während der Appell der beiden Institute zwei kleine Ruderboote symbolisiert, die versuchen, auf den Kurs des Schiffes einzuwirken. Ich bin sehr gespannt, ob ich mich mit diesem Beurteilung täusche.

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Download zum Inhalt des Appells