Wasserversorgung am Limit: Warum ausgehöhlte Gletscher künftige Megadürren nicht mehr abfedern können

Megadürren könnten für uns zur neuen klimatischen Realität werden. Eine zentrale Frage dabei ist, woher wir unser Wasser beziehen werden. Forschende untersuchen daher, inwiefern Gletscher die derzeitigen Trockenphasen noch ausgleichen – und was passiert, wenn sie als Wasserquelle wegfallen.

Der Tapado-Gletscher, ein Beispiel für einen Gletscher in der trockenen Landschaft der südlichen Anden, Chile. Die scharfen Spitzen aus Schnee und Eis sind typisch für trockene Bergregionen. Schmelzwasserströme fließen aus dem Gletscher.
Der Tapado-Gletscher, ein Beispiel für einen Gletscher in der trockenen Landschaft der südlichen Anden, Chile. Die scharfen Spitzen aus Schnee und Eis sind typisch für trockene Bergregionen. Schmelzwasserströme fließen aus dem Gletscher. Bild: Álvaro Ayala

Seit fünfzehn Jahren leidet Chile unter einer Dürre, die in ihrer Dauer und Intensität kaum ein historisches Vorbild hat. Ein internationales Forschungsteam hat die historische Trockenphase nun zum Anlass genommen, ein Zukunftsszenario zu modellieren. Die Ergebnisse sind alarmierend.

„Die Megadürre in Chile wurde in keinem Klimamodell vorhergesagt. Die bestehenden Modelle zeigten sogar absurd niedrige Wahrscheinlichkeiten für ein solch extremes Ereignis. Und doch ist es eingetreten und dauert immer noch an.“

– Francesca Pellicciotti, Institute of Science and Technology Austria (ISTA)

Demnach wären die Gletscher der südlichen Anden gegen Ende des Jahrhunderts kaum noch in der Lage, eine weitere Megadürre abzumildern. Bereits heute stützen die Eisriesen die Wasserversorgung in Zentralchile, doch sie tun das auf Kosten ihrer eigenen Substanz. Der Fall Chile stellt deshalb eine grundlegende Frage in den Raum: Wie gut sind wir auf zukünftige Klimakatastrophen vorbereitet?

Was passiert bei der nächsten Megadürre?

Gemeinsam mit den chilenischen Geowissenschaftlern Álvaro Ayala und Eduardo Muñoz-Castro, beide an der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL tätig, analysierte Francesca Pellicciotti vom Institute of Science and Technology Austria (ISTA) die Rolle der Gletscher während langanhaltender Dürren. Ausgangspunkt ihrer Untersuchung war eine simple, aber zentrale Überlegung.

„Álvaro stellte eine elegante Frage: ‚Was würde passieren, wenn Chile gegen Ende des Jahrhunderts von einer ähnlichen Megadürre heimgesucht würde?‘“, berichtet Pellicciotti. Um das zu beantworten, berechnete das Team das Verhalten der 100 größten Gletscher der südlichen Anden – einschließlich Schnee- und Niederschlagsmengen – über mehrere Jahrzehnte hinweg.

Kleine Gletscher werden verschwinden

Zunächst simulierten die Wissenschaftler zehn Jahre vor und zehn Jahre während der aktuellen Dürre, um genau zu erfassen, wie viel Masse die Gletscher verlieren und welche Wassermengen sie freisetzen. Danach projizierten sie das Modell in das Jahr 2100, also in eine Zukunft, in der die Gletscher deutlich kleiner sein werden.

Die Ergebnisse sind eindeutig: In einem erneut extrem trockenen Sommer könnten die verbliebenen Gletscher nur noch etwa die Hälfte ihres heutigen Schmelzwassers liefern.

Für kleinere Gletscher, die nicht Teil der Studie waren, könnte die Lage noch drastischer ausfallen. „Die kleineren Gletscher werden bis dahin wahrscheinlich verschwunden sein, und eine zukünftige ‚Chile 2.0‘-Megadürre wird sehr wahrscheinlich einen schweren Schlag für ihre Ökosysteme bedeuten“, erklärt Ayala.

Der Stausee La Laguna spielt eine wichtige Rolle für die Landwirtschaft und die Trinkwasserversorgung in den Anden im nördlichen Zentralchile. Der Zufluss wird durch Schnee- und Eisschmelze gespeist. Bild: David Farías-BarahonaDer Stausee La Laguna spielt eine wichtige Rolle für die Landwirtschaft und die Trinkwasserversorgung in den Anden im nördlichen Zentralchile. Der Zufluss wird durch Schnee- und Eisschmelze gespeist.
Der Stausee La Laguna spielt eine wichtige Rolle für die Landwirtschaft und die Trinkwasserversorgung in den Anden im nördlichen Zentralchile. Der Zufluss wird durch Schnee- und Eisschmelze gespeist. Bild: David Farías-BarahonaDer Stausee La Laguna spielt eine wichtige Rolle für die Landwirtschaft und die Trinkwasserversorgung in den Anden im nördlichen Zentralchile. Der Zufluss wird durch Schnee- und Eisschmelze gespeist. Bild: David Farías-Barahona

Doch wie realistisch ist dieses Szenario? Pellicciotti weist darauf hin, dass Klimamodelle extreme Ereignisse häufig unterschätzen. Zwar treten Dürren regelmäßig auf, doch Megadürren sind selten – und ihre Ursachen noch immer unzureichend verstanden.

In Prognosen, die sehr schwere Szenarien berücksichtigen, können wir tatsächlich Megadürren vorhersehen. In gemäßigteren Szenarien ähneln die Niederschlagsmuster jedoch eher denen, die wir heute erleben. Es muss also noch etwas anderes geben, das wir aus den Modellen nicht ablesen können.

Gleichzeitig warnen viele Forschende davor, dass Megadürren zur neuen klimatischen Realität werden könnten. Trotzdem stoßen Untersuchungen oft auf Skepsis. „Die Gutachter*innen standen unseren Bemühungen nicht immer positiv gegenüber und argumentierten, dass es seit dem Mittelalter keine Megadürre in Europa gegeben habe“, sagt Pellicciotti. Kurz darauf traf Europa jedoch eine Serie immer intensiverer Dürrejahre.

Auch in Chile zeichnet sich bereits ein unübersehbarer Trend ab. „Wir beobachten, wie sich dieses Muster langsam vom Norden nach Süden ausbreitet“, sagt Ayala. Die Atacama-Wüste, eine der trockensten Regionen der Welt, könnte demnach einen Vorgeschmack auf die Zukunft Zentralchiles liefern.

Vor diesem Hintergrund drängt das Forschungsteam auf eine koordinierte globale Klimapolitik und neue Strategien im Wassermanagement. Europa stehe dabei ebenso in der Verantwortung wie Chile. „Wir müssen gut auf das vorbereitet sein, was als Nächstes kommt, da wir uns nicht mehr auf alle Faktoren verlassen können, die während der aktuellen Megadürre bisher ‚funktioniert‘ haben“, schlussfolgert Ayala.

Quellenhinweis:

Ayala, Á., Muñoz-Castro, E., Farinotti, D., Farías-Barahona, D., Mendoza, P. A., MacDonell, S., McPhee, J., Vargas, X., & Pellicciotti, F. (2025): Less water from glaciers during future megadroughts in the Southern Andes. Communications Earth & Environment.