Warum Pausen helfen – aber anders, als wir dachten: Neue Studie stellt gängige Annahmen über das Lernen infrage
Unser Gehirn profitiert von Pausen anders als lange angenommen. Anstatt neu Erlerntes zu festigen, helfen Ruhephasen lediglich bei der Regeneration. Das haben Forscher nun herausgefunden. Die kurzfristige Leistungssteigerung nach einer Pause kommt demnach von der zusätzlichen Erholung.

Wissenschaftler haben einen populären Mythos über das Lernen widerlegt. Lange galt, dass, wer beim Üben regelmäßig pausiert, das Gelernte in diesen Ruhephasen festigt. Doch die neue Studie zeigt nun: Pausen machen uns zwar kurzfristig besser, führen aber nicht zu zusätzlichem Lernerfolg.
– Max-Philipp Stenner, Leibniz-Institut für Neurobiologie
In fünf aufwendigen Experimenten untersuchten Forschende des Leibniz-Instituts für Neurobiologie (LIN) in Magdeburg, wie sich kurze Unterbrechungen auf das motorische Lernen auswirken. Die Ergebnisse wurden in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht.
Dabei mussten die Versuchspersonen Abfolgen von Fingerbewegungen einüben – mal mit, mal ohne Pausen zwischen den Trainingsphasen. Dabei kam heraus, dass Teilnehmende, die regelmäßig pausierten, während des Übens zunächst eine bessere Leistung zeigten. Doch dieser Vorsprung verschwand rasch. Am Ende schnitten beide Gruppen gleich gut ab.
Leistungssteigerungen nach einer Pause
Damit wird eine weit verbreitete Annahme der Neurobiologie widerlegt. Bisher waren viele Forschende davon ausgegangen, dass das Gehirn in den Pausen automatisch die zuvor ausgeführten Bewegungen wiederholt – wie ein unbewusster Replay-Prozess, der das Gelernte festigt. Doch die neuen Daten sprechen dagegen.
– Elena Azañón, Leibniz-Institut für Neurobiologie
Auch wenn sich das Gehirn kurz erholt, kommen dennoch keine neuen Fähigkeiten hinzu. Besonders deutlich zeigte sich das, als die Forschenden die Bedingungen veränderten: Mussten die Teilnehmenden nach der Pause eine völlig neue Bewegungsabfolge ausführen – also etwas, das sie gar nicht wiederholen konnten – trat die gleiche kurzfristige Verbesserung auf. Ein klarer Hinweis darauf, dass keine Konsolidierung des zuvor Gelernten stattfand.

Das wurde von einem weiteren Experiment noch untermauert. Wenn den Teilnehmenden die Möglichkeit genommen wurde, die nächste Bewegung im Voraus zu planen, fiel der positive Pauseneffekt deutlich geringer aus. Pausen helfen also vor allem dann, wenn sie Gelegenheit zum Vorausdenken geben.
Die kurze Unterbrechung erlaubt es dem Gehirn, Ermüdung abzubauen und die nächste Handlung ordentlich vorzubereiten. Die oft beobachtete Leistungssteigerung ist also ein Zeichen von Erholung und kein Beleg für das berüchtigte Lernen im Schlaf.
Über die Grundlagenforschung hinaus beeinflussen die Ergebnisse auch die Praxis: In Schule, Musikunterricht oder Sport können Pausen zwar helfen, die Konzentration zu halten und Fehler zu vermeiden. Wer jedoch glaubt, dass die Pause selbst das Lernen vorantreibt, irrt.
Auch für die Medizin sind die Ergebnisse relevant. Menschen mit Parkinson oder Gedächtnisstörungen zeigen veränderte Reaktionen auf kurze Pausen. Bisherige Studien, die das als Beleg für automatisches Lernen interpretierten, müssen nun neu bewertet werden.

Das Forschungsteam fordert daher ein Umdenken bei den kleinen Leistungszuwächsen, die unmittelbar nach Pausen beobachtet werden, im Fachjargon als micro-offline gains bezeichnet. Sie spiegeln keine echte Gedächtnisbildung wider, sondern entstehen gleichermaßen aus Erholung, verminderter Ermüdung und vorausschauender Planung.
Pausen bleiben also weiterhin wichtig – nicht weil sie das Lernen ersetzen, sondern weil sie es ermöglichen: Sie geben uns die nötige Ruhe und Energie, um im nächsten Moment wieder konzentriert handeln zu können. Das wahre Lernen passiert also nicht zwischen den Übungseinheiten, sondern in ihnen.
Quellenhinweis:
Das, A., Karagiorgis, A., Diedrichsen, J., Stenner, M., & Azañón, E. (2025): Micro-offline gains do not reflect offline learning during early motor skill acquisition in humans. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) U.S.A., 122, 44, e2509233122.