Verlockender Kopfschmuck: Bei manchen Vögeln opfern Männchen ihr Sehvermögen für die Gunst der Weibchen
Prächtige Kopffedern statt klarer Sicht: Bei männlichen Gold- und Lady‑Amherst‑Fasanen verkleinert der Federschmuck das Sehfeld dramatisch — ein hoher Preis für Schönheit und Erfolg bei der Balz.

Bei Vögeln gilt: Farbige Federn, imposante „Kappen“ oder spektakuläre Schwanzgefieder sollen Weibchen beeindrucken. Doch eine neue Studie enthüllt eine unerwartete Kehrseite:
Bei zwei Fasanenarten — dem Goldfasan (Chrysolophus pictus) und dem Lady-Amherst-Fasan (Chrysolophus amherstiae) — schränkt der auffällige Kopfschmuck der Männchen ihr Sichtfeld erheblich ein.
Die Studie ist die erste, die bei Vögeln überhaupt dokumentiert, dass die Ornamente männlicher Tiere ihre Wahrnehmung der Umwelt beeinträchtigen — und damit nicht nur Dekoration, sondern ein reales Handicap darstellen.
Wie die Wissenschaft die Sicht testete
Die Forschenden nahmen je mehrere männliche und weibliche Individuen beider Chrysolophus‑Arten. Als Kontrollgruppe dienten zwei nahe verwandte Fasanenarten ohne Kopfschmuck: der Silberfasan und der Grünfasan.
Mit einer Methode namens „ophthalmoskopischer Reflex“ wurde das Sichtfeld vermessen: Der Kopf wurde in natürlicher Haltung fixiert, mit Lichtreflexen am Auge bestimmt, wie weit der Blickwinkel reicht — inklusive Bereich, der blind bleibt.
Gemessen wurden insbesondere: die vertikale Ausdehnung des binokularen Sichtfelds (also die Zone, die mit beiden Augen gesehen wird), die maximale Breite dieses Bereichs sowie die Größe der blinden Zonen.
Sichtverkürzung und große Blindzonen bei Männchen
Die Ergebnisse sind eindeutig:
- Der vertikale Bereich binokularer Sicht kann bei Männchen um etwa 30–40° kleiner sein als bei Weibchen — je nach Art. Bei Goldfasanen waren es rund 75° bei Männchen vs. 105° bei Weibchen; bei Lady‑Amherst‑Fasanen etwa 70° vs. 110°.
- Die blinde Gesamtfläche ist bei Männchen mit Kopfschmuck deutlich größer — im Mittel etwa 137 % mehr als bei Weibchen.
- Besonders betroffen sind Zonen über und vor dem Kopf — genau dort, wo Gefahren lauern könnten. Zusätzlich ist der blinde Bereich hinter dem Kopf erweitert.
- Bei den Kontrollarten ohne Kopfschmuck (Silber‑ und Grünfasan) dagegen gab es keine Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen im Sehfeld.
Schönheit als Handicap – ein evolutionäres Dilemma
Die Forscher:innen interpretieren den Effekt im Rahmen der sogenannten „Handicap-Hypothese“:
Auffällige Merkmale signalisieren Fitness — aber nur, wenn das Tier trotz der Nachteile überlebt. Die eingeschränkte Sicht durch Federschmuck könnte genau so ein Handicap sein.
Während die Form des Sehfeldes bei Vögeln bisher stets als Anpassung an Lebensweise und Nahrung verstanden wurde, zeigt diese Studie erstmals, dass sekundäre Geschlechtsmerkmale selbst die Wahrnehmung der Umwelt direkt beeinflussen können.
The fascinating #biology of sexually selected traits.
— Manuela Casasoli (@manuelacasasoli) November 26, 2025
A new study reports "a previously undocumented example of an impediment derived from a sexually selected trait: the cranial feather ornamentation in male Chrysolophus pheasants restricting their visual field".#Science pic.twitter.com/WozCCYONtB
Bedeutung: Visuelle Kosten sexueller Pracht
Die Studie zeigt klar, dass auffällige Kopffedern nicht nur der Zurschaustellung dienen — sie limitieren die Wahrnehmung der Umwelt. Männchen mit prachtvollem Kopfschmuck sehen weniger und haben größere blinde Bereiche — ein echter Nachteil in Bezug auf Räubervermeidung oder Orientierung.
Damit liefert die Untersuchung erstmals einen empirischen Beleg dafür, dass sekundäre Geschlechtsmerkmale bei Vögeln nicht nur ästhetisch attraktiv, sondern auch funktional nachteilig sein können.
Sie macht deutlich, dass selbst Schönheit ihren Preis hat: Ornamente schmücken nicht nur, sie können die sensorische Leistungsfähigkeit messbar einschränken.
Angesichts dieser Ergebnisse öffnen sich neue Fragen: Wie viele andere Arten mit auffälligen Schmuckfedern könnten ähnliche Einschränkungen haben? Und welche Folgen hätte das für ihr Verhalten, ihre Überlebenschancen — und letztlich für ihre evolutionäre Entwicklung?
Quelle
Lamond, A. E. R., Potier, S., Fontaine, L., Martin, G. R. & Portugal, S. (2025). The visual impediment of cranial ornamentation in male Chrysolophus pheasants. Biology Letters, 21(11), Artikel 20250405.