Ursprung des Lebens entdeckt? Forscher rekonstruieren frühesten Stoffwechsel auf der Erde

Vor vier Milliarden Jahren herrschten auf dem Planeten extreme Bedingungen – völlig ohne Sauerstoff. Wovon haben sich also die ersten Mikroorganismen ernährt? Dieser Frage sind nun Forscher der Universität Regensburg und der Ludwig-Maximilians-Universität München nachgegangen.

Schwarzer Raucher am Mittelatlantischen Rücken in 2980 Meter Wassertiefe.
Schwarzer Raucher am Mittelatlantischen Rücken in 2980 Meter Wassertiefe. Bild: MARUM, Universität Bremen/CC BY 4.0

Vor vier Milliarden Jahren war die Erde heiß und von Vulkanismus geprägt. Die Atmosphäre enthielt keinen Sauerstoff, sondern giftige Gase wie Kohlendioxid und Methan – auch Wasserdampf, durch dessen Abkühlung sich erste Ozeane bildeten. In einem bemerkenswerten Experiment haben Forscher nun hydrothermale Umgebungen simuliert, sogenannte Schwarze Raucher, die möglicherweise die Wiege des Lebens darstellen.

Schwarze Raucher sind hydrothermale Quellen am Meeresboden, aus denen heißes, mineralreiches Wasser austritt. Sie entstehen an Plattengrenzen und sind der Lebensraum für Lebensformen, die durch chemische Reaktionen (statt durch Sonnenlicht) Energie gewinnen. Parallel dazu gibt es weiße Raucher.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Regensburg und der Ludwig-Maximilians-Universität München sind der Frage nachgegangen, ob die chemischen Prozesse in extremen Umgebungen ausreichten, um den Stoffwechsel frühester Lebensformen zu ermöglichen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution veröffentlicht.

Schwarzer Raucher am Mittelatlantischen Rücken in 2980 Meter Wassertiefe.
Beebe Vent Field, etwa 5000 m unter der Meeresoberfläche. Aufgrund der extrem hohen Temperaturen (fast 400 °C) enthält die Wolke viele Metalle, wodurch die Schornsteine ihr charakteristisches Aussehen erhalten. Bild: Wikimedia Commons/CC BY-SA 4.0

Konkret untersuchte das Team um Mikrobiologin Prof. Dr. Dina Grohmann vom Deutschen Archaeenzentrum und den Geologen Prof. Dr. William Orsi, ob der Wasserstoff, der bei der Reaktion von Eisen- und Schwefelverbindungen entsteht, ausreicht, um urtümliche Mikroorganismen, die sogenannten methanogenen Archaeen, mit Energie zu versorgen.

„Methanogene Archaeen haben nicht nur große Bedeutung bei Fragen zur Entstehung des Lebens auf unserem Planeten, sondern sind auch biotechnologisch relevant. Sie werden beispielsweise in Biogasanlagen eingesetzt, um grünes Erdgas herzustellen.“

– Dr. Robert Reichelt vom Deutschen Archaeenzentrum

Im Labor entstanden dafür sogenannte Chemical Gardens. Das sind Miniaturmodelle hydrothermaler Quellen, bei denen schwefelhaltige (sulfidische) Flüssigkeiten in eisenhaltige Lösungen eingebracht werden. Es bildeten sich schwarze Eisensulfid-Membranen – darunter die Mineralien Mackinawit (FeS) und Greigit (Fe₃S₄) –, und es wurde Wasserstoffgas freigesetzt. Dieser Wasserstoff ist für Mikroorganismen eine potenzielle Energiequelle.

Energiegewinnung aus Wasserstoff

Im Mittelpunkt der Untersuchung stand ein Archaeon namens Methanocaldococcus jannaschii – der Mikroorganismus wurde hydrothermalen Tiefsee-Sedimenten entnommen. Das Archaeon gilt als Modellorganismus für den sogenannten Acetyl-CoA-Stoffwechselweg, eine der ältesten bekannten biochemischen Strategien zur Energiegewinnung aus Wasserstoff und Kohlendioxid.

Bildung von Eisensulfid-Schornsteinen, Mineralogie und mikrobielle Besiedlung: a) Eisensulfid-Schornstein, 2,0 cm Höhe, nach 10 Minuten bei 25 °C. b) M. jannaschii-Zellen sammeln sich auf Eisensulfidpartikeln. c, d) Mackinawit (FeS, c) und Greigit (Fe3S4, d). e) Chemischer Garten aus sedimentärem Eisensulfid. f) EDX von Eisensulfidpartikeln mit Peaks, die die relativen Anteile von O, Na, S, Cl und Fe anzeigen.
Bildung von Eisensulfid-Schornsteinen, Mineralogie und mikrobielle Besiedlung: a) Eisensulfid-Schornstein, 2,0 cm Höhe, nach 10 Minuten bei 25 °C. b) M. jannaschii-Zellen sammeln sich auf Eisensulfidpartikeln. c, d) Mackinawit (FeS, c) und Greigit (Fe3S4, d). e) Chemischer Garten aus sedimentärem Eisensulfid. f) EDX von Eisensulfidpartikeln mit Peaks, die die relativen Anteile von O, Na, S, Cl und Fe anzeigen. Bild: Helmbrecht et al., 2025

Solche Archaeen sind extrem sauerstoffempfindlich: Bereits geringste Mengen an Sauerstoff können sie abtöten. Die Forschenden schufen deshalb vollständig sauerstofffreie Bedingungen, um ein realistisches Bild der frühen Erde zu simulieren.

„Die Archaeen haben nicht nur einige Gene des Acetyl-CoA-Stoffwechsels überexprimiert, sondern zeigten sogar exponentielles Wachstum.“

– Vanessa Helmbrecht, Erstautorin der Studie

Die Mikroorganismen hielten sich in direkter Nähe zu den Eisensulfid-Partikeln auf. Dieser Umstand passt auch zu den geologischen Funden, denn einige fossile Spuren mikrobiellen Lebens wurden ebenfalls in der Nähe solcher Mineralien entdeckt.

Ausreichend Energie für frühes Leben

Die Studie legt nahe, dass einfache chemische Reaktionen, besonders die Ausfällung von Eisen- und Schwefelverbindungen, bereits ausreichend Energie geliefert haben könnten, um frühe mikrobielle Lebensformen zu ermöglichen. Daraus ergibt sich die Annahme, dass der auf Wasserstoff basierende Acetyl-CoA-Stoffwechsel die evolutionär älteste bekannte Form der Energiegewinnung darstellt.

Die Veröffentlichung ist auch für die Evolutionstheorie bedeutend: Der Ursprung des Lebens auf der Erde könnte somit in der Interaktion einfacher anorganischer Verbindungen in extremen Umgebungen liegen, ganz ohne Beteiligung komplexer organischer Moleküle oder Enzyme.

Die Studie zeigt, wie Leben auf der Erde entstanden sein könnte. Darüber hinaus könnte sie auch für die Suche nach außerirdischem Leben von Nutzen sein. Denn ähnliche geochemische Prozesse könnten auch auf anderen Himmelskörpern stattfinden, etwa auf dem Saturnmond Enceladus oder dem Jupitermond Europa, wo ebenfalls hydrothermale Aktivität vermutet wird.

Quellenhinweis:

Helmbrecht, V., Reichelt, R., Grohmann, D. et al. (2025): Simulated early Earth geochemistry fuels a hydrogen-dependent primordial metabolism. Nature Ecology & Evolution, 9, 769–778.