Prädiabetes: Blutzucker entscheidet über Diabetes – nicht die Zahl auf der Waage
Lange galt das Körpergewicht als wichtigster Faktor bei Typ-2-Diabetes. Eine neue Studie legt nun jedoch den Blutzuckerspiegel als Hauptursache nahe. Um Diabetes vorzubeugen, raten Experten daher, den Blutzucker zu normalisieren.

Prädiabetes betrifft Millionen Menschen weltweit und gilt als eine Vorstufe des Typ-2-Diabetes. Lange Zeit war die Gewichtsabnahme oberstes Therapieziel, das nun jedoch durch neueste Studienergebnisse infrage gestellt wird. Demnach sei es vor allem wichtig, den Blutzuckerspiegel zu normalisieren – auch wenn das Körpergewicht gleich bleibt oder sogar steigt.
Die Erkenntnisse stammen aus einer groß angelegten Langzeitstudie, die unter Beteiligung des Universitätsklinikums Tübingen, Helmholtz Munich und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) entstanden ist. Analysiert wurden Daten von mehr als 1100 Probandinnen und Probanden mit Prädiabetes, die ihren Lebensstil bewusst änderten.
Risiko gesenkt – auch ohne Gewichtsabnahme
Von den Teilnehmenden, die kein Gewicht verloren oder zulegten, normalisierte sich bei rund 22 Prozent dennoch der Blutzuckerspiegel. Beobachtungen über einen Zeitraum von bis zu neun Jahren ergaben, dass ihr Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, um 71 Prozent sank. Damit lag der Wert fast auf demselben Niveau wie bei jenen, die durch Gewichtsabnahme ihren Blutzucker stabilisierten (73 Prozent).
Schätzungen zufolge leidet jeder zehnte Erwachsene unter Prädiabetes – viele, ohne es zu wissen. Symptome fehlen oft, doch das Risiken ist hoch: Ohne Behandlung entwickelt sich häufig Typ-2-Diabetes, eine Krankheit mit schwerwiegenden Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebs. Weltweit sind davon bereits mehr als 460 Millionen Menschen betroffen.
Fettverteilung im Fokus
Ein zentrales Ergebnis der Studie betrifft die Fettverteilung im Körper. Die Forschenden stellten fest, dass sich vor allem der Rückgang von viszeralem Fett positiv auswirkt – das ist Bauchfett im Inneren der Bauchhöhle, dem negative Eigenschaften zugeschrieben werden.
Betroffene, deren Blutzucker trotz unverändertem Gewicht wieder in den Normalbereich zurückkehrte, hatten in der Regel weniger viszerales Fett. Subkutanes Fettgewebe hingegen, das sich direkt unter der Haut befindet, wird als weniger problematisch angesehen.

Die Studienleitung fordert nun ein Umdenken. „Die Wiederherstellung eines normalen Nüchternblutzuckerspiegels ist das wichtigste Ziel zur Prävention von Typ-2-Diabetes und nicht zwingend die Zahl auf der Körperwaage“, sagt Prof. Dr. Andreas Birkenfeld, Direktor des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) von Helmholtz Munich an der Universität Tübingen. „Sport und eine ausgewogene Ernährung wirken günstig auf Blutzucker, unabhängig davon, ob Gewicht reduziert wird“, so Birkenfeld.
Auch Birkenfelds Kollege, Prof. Dr. Reiner Jumpertz-von Schwartzenberg, spricht sich für eine Anpassung der Richtlinien aus: „Die Leitlinien zur Prävention und Behandlung von Typ-2-Diabetes sollten künftig nicht nur das Gewicht, sondern vor allem die Blutzuckerkontrolle und Fettverteilungsmuster berücksichtigen.“
Lebensstil bleibt entscheidend
Die Erkenntnisse bedeuten nicht, dass Gewicht keine Rolle mehr spielt. Vielmehr rücken glykämische Zielwerte, also Blutzuckerrichtwerte, stärker in den Mittelpunkt. Der tatsächliche Erfolg hängt letztlich weiterhin von gesunden Gewohnheiten ab: regelmäßige Bewegung, ausgewogene Ernährung und eine insgesamt aktive Lebensführung.
Damit liefern die Forschenden wichtigen Input für die medizinische Praxis. Anstatt Betroffenen ausschließlich Gewichtsreduktion vorzuschreiben, könnte künftig stärker der Blutzuckerspiegel als Indikator dienen. Der Weg zu einem gesunden Stoffwechsel ist also vielfältiger als bislang gedacht – und für viele Menschen vielleicht auch erreichbarer.
Quellenhinweis:
Sandforth, A., Arreola, E. V., Hanson, R. L., et al. (2025): Prevention of type 2 diabetes through prediabetes remission without weight loss. Nature Medicine.