Neue Studie belegt, dass auch Heringe zum Laichen an ihren Geburtsort zurückkehren
Auch der Atlantische Hering gehört zu den wenigen Tierarten, die ihren Geburtsort zum Laichen bevorzugen. Das konnten Forscher nun erstmals nachweisen. Immerhin 56 bis 73 Prozent der Tiere suchen ihre ursprünglichen Laichgebiete wieder auf.

Ein internationales Forschungsteam hat erstmals nachgewiesen, dass Atlantische Heringe in der westlichen Ostsee eine ausgeprägte Bindung an ihren Geburtsort besitzen. Die Tiere kehren demnach zum Laichen bevorzugt in genau jene Buchten, Lagunen oder Flussmündungen zurück, in denen sie selbst geschlüpft sind, etwa in den Greifswalder Bodden. Die neue Studie belegt damit erstmals die sogenannte Brutort-Treue auch beim wirtschaftlich bedeutenden Atlantischen Hering.
Für die Forschung ist das ein Meilenstein, denn bisher galt als wahrscheinlich, dass jüngere Heringe den erfahrenen Schwärmen folgen und so die traditionellen Laichgebiete erlernen. „Das ist der erste Nachweis für eine ausgeprägte Brutort-Treue beim Hering“, erklärt Dr. Dorothee Moll vom Thünen-Institut für Ostseefischerei in Rostock, welche die im Fachjournal Science Advances veröffentlichte Studie leitete.
Um den Beweis zu erbringen, analysierte das Team die Gehörsteine – das sind winzige Kalkstrukturen im Kopf der Fische, auch Otolithen genannt. Sie speichern chemische Signaturen, die wie ein individueller Fingerabdruck für die Herkunft funktionieren. Kombiniert mit genetischen Analysen ließ sich so nachvollziehen, wo die Heringe geboren wurden und wohin sie zur Fortpflanzung wandern.
Mehr als die Hälfte kehrt zurück
Die Untersuchung ergab, dass zwischen 56 und 73 Prozent der untersuchten Fische in ihr ursprüngliches Laichgebiet zurückkehren – unabhängig von dessen Größe oder Lage. Für Moll ist das ein deutliches Signal: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die verschiedenen Laichgebiete entlang der Küste nicht beliebig austauschbar oder ersetzbar sind.“

Das Thünen-Institut erforscht die Populationsdynamik des Herings bereits seit Jahrzehnten. Schon 1997 hatten frühere Studien vermutet, dass sogenannte Streuner für den genetischen Austausch zwischen Teilpopulationen sorgen. Diese Annahme konnte das Forschungsteam nun korrigieren.
Das ist vor allem für den Schutz mariner Ökosysteme wichtig. Wenn Heringe an ihren Geburtsort gebunden sind, hängt ihre Bestandsentwicklung direkt vom Zustand der Laichgebiete ab. Ein gezieltes Küstenzonenmanagement sei daher unerlässlich, um „die Produktivität und Widerstandsfähigkeit der Ostsee langfristig zu sichern“, sagt Moll.
Heringe in der Klimafalle
Das wird umso deutlicher, wenn man die derzeitige Lage in der westlichen Ostsee betrachtet. Denn dort geht dem Hering der Nachwuchs aus. Die zwei Hauptursachen dafür sind steigende Temperaturen entlang der Laichwanderrouten sowie eine verschobene jahreszeitliche Abfolge (Phänologie).
Das ist nicht nur für den Fisch selbst fatal, sondern vor allem auch für die von ihm abhängigen Fischereibetriebe. Derweilen in Schleswig-Holstein der Dorsch die dominierende Fischart ist, lebt man in Vorpommern vornehmlich von Heringen. Doch die Fangmöglichkeiten mussten allein zwischen 2017 und 2024 um 94 Prozent reduziert werden.
Seitens der Fischer ist das nicht immer nachvollziehbar, weil die Netze derzeit noch voll sind, aber Untersuchungen ergeben, dass die Laichplätze dramatisch abnehmen. Um die Fischerei in der westlichen Ostsee langfristig zu erhalten, müssen die Laichgebiete also dringend besseren Schutz erfahren – besonders vor dem Hintergrund der aktuellen Studie.
Quellenhinweis:
Moll,D., Polte, P., Jochum, K. P., Gröhsler, T., Bekkevold, D., McQuinn, I., Möllmann, C., Zimmermann, C., & Kotterba, P. (2025): First direct evidence of natal homing in an Atlantic herring metapopulation. Science Advanced, 11, 44.