Hitzewelle im Frühsommer: Klimawandel verdreifacht Zahl der Hitzetoten in Europa
Eine neue Studie des Imperial College London zeigt: Die Zahl der Hitzetoten in europäischen Großstädten ist infolge des Klimawandels drastisch gestiegen. Besonders betroffen sind ältere Menschen.

Die Hitzewelle Ende Juni 2025 war in vielen Teilen Europas beispiellos: Frankreich musste Schulen schließen, Italien sprach Arbeitsverbote für Bauarbeiter aus, und in Südosteuropa brannten erneut Wälder in der Nähe von Wohngebieten.
Offizielle Messdaten bestätigen: Der Zeitraum vom 23. Juni bis 2. Juli war für viele Städte die heißeste Frühsommerphase seit Beginn der Aufzeichnungen.
2.300 Hitzetote – 1.500 davon durch Klimawandel verursacht
Laut einer aktuellen Studie des Grantham Institute for Climate Change and the Environment am Imperial College London starben in diesen zehn Tagen rund 2.305 Menschen an den Folgen der Hitze – davon 1.504 direkt infolge des menschengemachten Klimawandels.
Das entspricht rund 65 Prozent der gesamten Hitzetoten in zwölf untersuchten europäischen Städten. Ohne die Erwärmung durch Treibhausgase wäre die Zahl der Opfer dreimal niedriger gewesen.
Milan, Madrid, Paris: Städte als Hitzefallen
Besonders stark betroffen waren große, dicht besiedelte Städte. In Mailand starben laut Studie 317 Menschen an den Folgen der Hitze, in Barcelona 286 und in Paris 235. Auch London verzeichnete mit 172 Todesfällen eine besorgniserregende Zahl. Madrid war laut den Forschern das relativ am stärksten betroffene Stadtgebiet – dort lassen sich über 90 Prozent der Hitzetoten auf den Klimawandel zurückführen.
Ältere Menschen besonders gefährdet
Rund 88 Prozent der Opfer waren über 65 Jahre alt, viele davon mit Vorerkrankungen. Die hohe Sterblichkeit erklärt sich auch dadurch, dass der Hitzepeak früh in der Saison auftrat – noch bevor viele Menschen körperlich auf hohe Temperaturen vorbereitet sind. Die Forschung zeigt, dass Frühjahrshitzewellen durch den Klimawandel stärker zunehmen als spätsommerliche.
Klima-Attribution: Wie man Todesfälle dem Klimawandel zuordnet
Das Forscherteam um Dr. Ben Clarke und Dr. Garyfallos Konstantinoudis nutzte etablierte epidemiologische Modelle:
Sie verglichen die tatsächlichen („faktischen“) Temperaturen mit einem hypothetischen Szenario ohne den menschengemachten Klimawandel („kontrafaktisch“).
Die Differenz der Hitzetoten ergibt den Klimawandel-bedingten Anteil.
Das methodische Fundament stützt sich auf Peer-Review-Verfahren, meteorologische Zeitreihen (z. B. ERA5, E-OBS) und Gesundheitsdaten (Masselot et al., 2023).
Warnung vor dem neuen „Normalzustand“
Die Forscher betonen, dass extreme Hitzewellen wie diese in einem durch den Menschen erwärmten Klima alle zwei bis fünf Jahre auftreten können – früher galten sie als „Jahrhundertereignisse“. Ohne Klimaschutz würden solche Sommer zur Regel. Zusätzlich zur Hitze bedrohen Waldbrände, überhitzte Innenräume und Stromausfälle das öffentliche Leben – auch das wurde in der Studie angesprochen.
Städte müssen sich schnell anpassen
Während Klimaschutz oberste Priorität haben müsse, so die Autor:innen, sei auch die Anpassung dringend nötig: Frühwarnsysteme, mehr Grünflächen, kühlende Architektur, gut isolierte Gebäude und Notfallpläne für Pflegeheime und Kliniken gehören zu den Empfehlungen. Ohne diese Maßnahmen werde die Zahl der Opfer weiter steigen.
Climate change tripled the expected death toll of last weeks European heatwave, according to Imperial and @LSHTM experts.
— Imperial College London (@imperialcollege) July 9, 2025
A 2 to 4°C rise can cause thousands more heat-related deaths, highlighting why heatwaves are called silent killers.https://t.co/jadtdZw6bA
Der Sommer 2025 als Mahnmal
Die neue Studie ist ein Weckruf. Der Klimawandel hat längst tödliche Konsequenzen – nicht irgendwann, sondern jetzt, mitten in Europa. Die Temperaturwerte mögen steigen, doch die entscheidende Größe sind die Opferzahlen. Und die zeigen klar: Ohne Klimaschutz wird Hitze zur tödlichsten Naturgefahr in Europa.
Quellenhinweis
Dieser Artikel basiert auf der Analyse:
Grantham Institute for Climate Change and the Environment, Imperial College London (2025):
Climate change tripled heat-related deaths in early summer European heatwave.
PDF-Download
Die folgenden Studien, Datenquellen und Methoden wurden in dieser Untersuchung zitiert und verwendet:
Konstantinoudis, G. et al. (2025): Rapid attribution report: England & Wales June 2025 heatwave.
Masselot et al. (2023): Temperature–mortality relationships in Europe.
Beck et al. (2024): Excess mortality during the 2022 European summer heatwave.
ERA5, E-OBS, ECA&D: Reanalyse- und Beobachtungsdaten europäischer Wetterdienste.
Philip et al. (2020); World Weather Attribution (WWA): Methodische Standards zur klima-gestützten Attributionsforschung.
Alle genannten Studien stammen aus dem Anhang, Methodenteil und Literaturverzeichnis der oben genannten Grantham-Studie.