Hat die Plattentektonik früher begonnen als bisher angenommen? Forscher stellen gängige Theorien zur Subduktion infrage

Hat die Plattentektonik auf der Erde früher eingesetzt als bisher gedacht? Anhand von Gesteinsproben können Wissenschaftler zeigen, dass der junge Planet bereits eine kontinentale Kruste gebildet haben könnte.

Winzige Einschlüsse in Olivin-Kristallen sind Zeugen aus der tiefsten Erdgeschichte. Die rot umrandeten Bereiche sind zwischen 1,5 und 2 Millimeter lang.
Winzige Einschlüsse in Olivin-Kristallen sind Zeugen aus der tiefsten Erdgeschichte. Die rot umrandeten Bereiche sind zwischen 1,5 und 2 Millimeter lang. Bild: Vezinet et al., 2025/CCBY 4.0

Die Erde könnte deutlich früher mit der Plattentektonik angefangen haben, als bisher vermutet. Eine neue Studie zeigt, dass Subduktionsprozesse – also das Abtauchen von Erdkruste in den darunterliegenden Mantel – sowie die Bildung kontinentaler Kruste bereits im Erdzeitalter des Hadaikums, vor über vier Milliarden Jahren, in vollem Gange waren.

Das Hadaikum begann vor etwa 4,6 Milliarden Jahren mit der Entstehung des Planeten und endete vor 4,0 Milliarden Jahren.

Beteiligt an der Arbeit war ein internationales Team aus Forschenden des GFZ Helmholtz-Zentrums für Geoforschung in Potsdam, der Universität Grenoble in Frankreich und der Universität Madison in den USA. Die Studie stellt langjährige Lehrmeinungen infrage, wonach die junge Erde in dieser Zeit von einer starren, unbeweglichen Kruste überzogen war. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.

Wann entstanden die Kontinentalplatten?

Das Hadaikum gilt als geheimnisvollste Epoche der Erdgeschichte. In diese Ära fällt eine gigantische Kollision mit einem marsgroßen Himmelskörper, die den Mond entstehen ließ und das Erdinnere komplett aufschmolz. Etwa 100 Millionen Jahre später begann, sich eine feste Kruste zu bilden.

Bisher ging man davon aus, dass die Erdkruste über Hunderte Millionen Jahre unbewegt blieb. Unter ihr sollte der Mantel zwar Konvektionsströme entwickelt haben, doch Subduktion und Kontinentbildung, wie wir sie von der heutigen Plattentektonik kennen, setzten erst später ein.

Dass sich die Plattentektonik erst später entwickelt hat, hinterfragt nun das ERC-Synergy-Grant-Projekt Monitoring Earth Evolution through Time (MEET). Die Forschenden kombinierten geochemische Analysen mit modernen geodynamischen Simulationen, um die Frühzeit der Erde neu zu untersuchen.

Einzigartige chemische Signatur

In Grenoble gelang es, in winzigen Schmelzeinschlüssen von 3,3 Milliarden Jahre alten Olivinkristallen das Strontiumisotopenverhältnis sowie Spurenelemente wie Niob, Uran, Cer und Blei zu bestimmen. Die Einschlüsse stammen aus uralten Vulkaniten im Barberton Greenstone Belt in Südafrika und sind durch den Olivin vor nachträglicher Veränderung geschützt. Damit liefern sie eine unverfälschte chemische Signatur des frühen Erdmantels.

Die Messungen offenbaren eine bislang unbekannte, unradiogene Strontium-Komponente mit deutlicher Fraktionierung der Spurenelementverhältnisse Nb/U und Ce/Pb.

Die beobachteten Werte gelten als eindeutige Anzeichen für die Bildung kontinentaler Kruste. Laut Modellrechnung stammt die Signatur aus einer Zeit vor rund 4,31 Milliarden Jahren, also mitten im Hadaikum.

Bildfolge der Gesteinsproben
Bildfolge der Gesteinsproben: (a) Olivin-Kerne aus der Weltevreden-Formation, (b) teilweise kristallisierte natürliche Schmelzeinschlüsse vor der Homogenisierung bei hoher Temperatur, (c) erhitzte und abgeschreckte Olivin-Schmelzeinschlüsse (d, e) natürlich abgeschreckte glasartige Einschlüsse in Olivin. Bild: Vezinet et al., 2025

Parallel dazu setzten die GFZ-Forschenden in Potsdam auf geodynamische Simulationen. Die Modelle zeigen, dass die geochemischen Signale am besten zu erklären sind, wenn im späten Hadaikum bereits großräumige Subduktionsereignisse stattfanden. Diese könnten durch gewaltige aufsteigende Strukturen im Erdmantel (Mantelplumes) ausgelöst worden sein und sich über Zeiträume von mehreren zehn Millionen Jahren erstreckt haben.

Die Auswertung deutet darauf hin, dass bis zu 80 Prozent der heutigen kontinentalen Krustenmasse schon vor dem Ende des Hadaikums aus dem Mantel herausgelöst wurden. Das widerspricht Szenarien von einer lange stagnierenden Deckelkruste und spricht für eine frühe, dynamische Tektonik mit wechselnden Bewegungsmustern.

Unsere Daten legen nahe, dass die Erde schon sehr früh erstaunlich aktiv war – viel aktiver, als wir bislang angenommen haben.

Das bevorzugte Szenario der Forschenden beschreibt eine „fluktuierende mobile Kruste“. Phasen heftiger, impulsiver Subduktion wechselten sich mit ruhigeren Intervallen ab. Der Mechanismus könnte der jungen Erde geholfen haben, Wärme abzuführen, was entscheidend für ihre langfristige Entwicklung war.

Die neuen Erkenntnisse verändern das Bild vom frühesten Kapitel der Erdgeschichte grundlegend. Offen bleibt, wie lange die frühen Subduktionsphasen andauerten und in welchem Maße sie der späteren, stabilen Plattentektonik ähnelten.

Der Studie zufolge könnten die Bausteine unserer heutigen Kontinente in einer Ära entstanden sein, in der unser Planet noch kaum eine feste Oberfläche hatte – und in der die Erde gerade erst begann, sich zu formen.

Quellenhinweis:

Vezinet, A., Chugunov, A.V., Sobolev, A.V., Jain, C., Sobolev, S. V., Batanova, V. G., Asafov, E. V., Koshlaykova, A. N., Arndt, N. T., Danyushevsky, L. V., & Valley, J. W. (2025): Growth of continental crust and lithosphere subduction in the Hadean revealed by geochemistry and geodynamics. Nature Communications, 16, 3850.