Ein universelles Gesetz zeigt, warum Teller, Tropfen und sogar Seifenblasen stets nach denselben Mustern zerbrechen
Warum zerbrechen Teller, Tropfen und selbst Seifenblasen nach denselben Regeln? Ein französischer Physiker entdeckt ein universelles Gesetz der Fragmentierung – und stellt unser Verständnis von Chaos infrage.

Was zerbricht, wirkt zunächst wie reine Willkür: Ein kurzer Schlag oder ein unglücklicher Sturz genügen, und ein Objekt verwandelt sich in ein Mosaik aus unterschiedlich geformten Bruchstücken.
Jahrhundertelang untersuchte die Wissenschaft solche Vorgänge als voneinander getrennte Fälle – abhängig vom Material, seiner Struktur und seinen mechanischen Eigenschaften. Doch diese Vielfalt verschleierte eine tiefere Gemeinsamkeit, die nun in den Fokus rückt.
Ein universelles Gesetz hinter dem Moment des Bruchs
Der französische Physiker Emmanuel Villermaux von der Universität Aix-Marseille schlägt ein überraschend einheitliches Modell vor:
Was wie ein chaotisches Ereignis aussieht, gehorcht in Wahrheit einem konsistenten mathematischen Muster.
Die Balance zwischen Unordnung und Erhaltung
- Villermaux’ Ansatz baut auf zwei fundamentalen Prinzipien auf. Einerseits strebt ein System beim Zerbrechen nach maximaler Unordnung:
- Die Energie des Bruchs verteilt sich möglichst „zufällig“ im Material.
- Andererseits setzen physikalische Erhaltungsgesetze klare Grenzen – Masse und Volumen müssen bestehen bleiben.
- Aus dieser Wechselwirkung entsteht eine vorhersehbare Verteilung der Bruchstücke.
Warum unterschiedliche Materialien ähnliche Muster erzeugen
Das Modell beschreibt eine sogenannte Potenzverteilung:
Große Fragmente treten selten auf, kleine hingegen häufig – und zwar in einer stabilen Relation, die unabhängig vom Material immer eine ähnliche Form annimmt.
Entscheidend ist lediglich, ob es sich um ein eindimensionales Objekt wie eine Stange, eine Fläche wie eine Platte oder einen dreidimensionalen Körper handelt. Die Dimensionalität bestimmt die Exponenten der Verteilung, nicht die chemische Zusammensetzung.
Experimente von Nudeln bis Seifenblasen
Villermaux testete die Theorie an überraschend verschiedenartigen Beispielen: trockene Pasta, die beim Biegen charakteristisch zerbricht; Tropfen, die beim Aufprall in zahlreiche kleinere Tropfen zerstieben; dünne Filmschalen wie Seifenblasen, die beim Platzen in winzige Fragmente zerreißen. In all diesen Fällen passte die mathematische Vorhersage bemerkenswert gut zu den beobachteten Mustern.
Relevanz für Industrie, Naturgefahren und Kosmos
Die Erkenntnis ist weit mehr als eine theoretische Kuriosität. Wenn sich Fragmentierung zuverlässig beschreiben lässt, können Industrien wie die Rohstoffverarbeitung effizienter arbeiten.
Auch in der Geologie – bei Felsstürzen oder Gesteinszerfall – hilft das Verständnis solcher Muster, Risiken realistischer einzuschätzen. Und selbst in der Astrophysik, wo Meteoriten oder planetare Oberflächen zersplittern, scheinen ähnliche Gesetzmäßigkeiten aufzutreten.
Grenzen der neuen Theorie
Nicht alle Bruchprozesse folgen diesem universellen Muster. Besonders dort, wo Oberflächeninstabilitäten zu nahezu gleich großen Fragmenten führen – etwa bei bestimmten Flüssigkeitsstrahlen – verliert das Modell an Genauigkeit. Auch wenn Fragmente nach dem ersten Bruchereignis miteinander interagieren, wird die Vorhersage schwieriger.
By coupling a maximal randomness principle with a law of conservation, a @PhysRevLett study universally describes the fragments that form when objects as diverse as ceramics, plastics, dry spaghetti, and bubbles under ocean waves break apart.
— American Physical Society (@APSphysics) December 8, 2025
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Ordnung im scheinbar Unvorhersehbaren
Trotz dieser Einschränkungen eröffnet Villermaux’ Arbeit eine neue Perspektive: Selbst in scheinbar chaotischen Momenten offenbart die Natur verborgene Strukturen. Die Vorstellung, dass ein Teller, eine Seifenblase und ein Stück Zucker derselben Logik folgen, zeigt, wie tief verbunden physikalische Prozesse tatsächlich sind.
Quelle
Physical Review Letters, Fragmentation: Principles versus Mechanisms, Emmanuel Villermaux, Phys. Rev. Lett. 135, 228201 (26. November 2025)