Die Vorsicht des Weltklimarats IPCC bei Prognosen

Derzeit arbeitet das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCCj - uns als Weltklimarat bekannt - an der siebten Version seiner Sachstandsberichte, die seit 1990 unter der Bezeichnung Assessment Reports (AR) veröffentlicht werden.

Der neue Sachstandsbericht AR7: bleibt der Ablauf bis zur Veröfentlichung unverändert?

Die derzeit aktuelle Version ist der AR6. Er besteht aus drei Dokumenten, für die jeweils eine Arbeitsgruppe (WG) zuständig war, sowie einem übergreifenden Synthesebericht:

  • WG I – Naturwissenschaftliche Grundlagen des Klimawandels
  • WG II – Folgen des Klimawandels, Anpassung und Verwundbarkeit
  • WG III - Minderung des Klimawandels
  • Synthesebericht

Die einzelnen Berichtsteile wurden der Öffentlichkeit in den Jahren zwischen 2021und 2023 präsentiert. Alle Berichte habe ich am Ende dieses Artikels verlinkt.

Ein Vergleich lohnt sich

Ich hatte in einer wissenschaftlichen Betrachtung gelesen, dass dem IPCC ein übergroßes Maß an zu vorsichtigen Prognosen nachgesagt wird. Hintergrund dafür ist die Tatsache, dass jeder Bericht vor Veröffentlichung einen politischen Prozess durchläuft, in dem die beteiligten Länder Änderungen und Ergänzungen im Bericht selbst vorschlagen können.

Die am Bericht beteiligten Wissenschaftsteams machen also einen Vorschlag für den Text, den sie dann vor Veröffentlichung den politischen Kanälen zur Verfügung stellen. Dort werden dann Textpassagen sowie Analysedaten geprüft, hinterfragt, geändert und letztendlich an den IPCC zurückgespielt.

Erst danach geht der Bericht in die Phase der Veröffentlichung. Dieser Prozess nährt den Verdacht, dass durch die politischen motivierten Textänderungen wesentliche Teile des Berichts abgemildert werden.

Die bisherigen Berichte

Wenn man sich die Quintessenz der ersten fünf Berichte und die des aktuellen Berichtes A6 betrachtet, findet man tatsächlich Erstaunliches. Diese Quintessenz betrifft die Prognosen des IPCC zur Erderwärmung für den jeweiligen Zeitraum der Zukunft.

So prognostizierte der erste Sachstandsbericht AR1 von 1990 bei einem »Weiter-wie-bisher«-Szenario einen Temperaturanstieg von etwa 1 Grad Celsius bis 2025 im Vergleich zum vorindustriellen Niveau. Tatsächlich stehen wir bei rund 1,5 Grad Celsius. Einzelne Analysen gehen davon aus, dass wir das Niveau von 1,5° bereits überschritten haben.

Der zweite Sachstandsbericht AR 2 aus dem Jahr 1995 sprach von einer globalen Erwärmung von rund 2 Grad Celsius bis zum Jahr 2100, bei einer Bandbreite von 1 – 3,5 Grad Celsius.

Im dritten Sachstandsbericht von 2001 lag die Erwärmung bis zum Ende dieses Jahrhunderts bereits auf einer Bandbreite zwischen 1,4 und 5,8 Grad Celsius. Ähnlich geht es in den weiteren drei Berichten weiter.

Nun kann man die Ungenauigkeit der Prognosen auch positiv sehen, denn sie spiegeln die Weiterentwicklung von Klimamodellen wider. Auch bieten sie einen wissenschaftlichen Zugang, der unnötigen Alarmismus vermeidet und eigene Ungewissheiten verantwortungsvoll abbildet

Kritik am Verfahren

Das Ablaufschema der Erstellung dieser Zustandsberichte zeigt das Dilemma zwischen Wissenschaft und Politik. Das IPCC ernennt Klima-Wissenschaftlerinnen und - wissenschaftler, die sich mit Erstellung des Berichts beschäftigen. Die Regierungen und Beobachterorganisationen nominieren dann eigene Fachleute dazu.

Nach der Ernennung der IPCC-Berichtsautorinnen und Autoren erfolgt ein erster Entwurf des Sachstandberichtes sowie eine Fachbegutachtung durch die Beauftragten der Regierungen und Beobachterorganisationen.

Danach erstellt das IPCC-Autorenteam einen zweiten Entwurf des Berichts sowie einen ersten Entwurf der Zusammenfassung für politische Akteure, den so genannten Summary for Policy Makers (SPM).

Auch dieser zweite Entwurf wird durch die von der Politik und den Beobachterorganisationen ernannten Fachleute geprüft und kommentiert. Im Anschluss daran erstellt das IPCC-Autorenteam den endgültigen Entwurf des Gesamtberichts sowie einen zweiten Entwurf des SPM.

Nun erfolgt eine abschließende Regierungsbegutachtung des SPM mit entsprechenden Kommentaren, Änderungsvorschlägen, Ergänzungswünschen, etc. Der letzte Schritt ist eine nochmalige Aktualisierung des SPM durch das Autorenteam des IPCC sowie die Verabschiedung des Gesamtberichts. Das ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung.

Schwierige Zeitschiene

In Anbetracht der mehrmaligen Begutachtung und Kommentierung durch politische Beauftragte werden die großen Zeiträume zwischen den einzelnen Berichten sehr deutlich.

Die Klimaveränderungen schreien mit einer so großen Dynamik voran, dass im Moment der Veröffentlichung die Aktualität der Erderwärmung die einzelnen Berichtsdaten bereits überholt hat.

Hier ist aus meiner Sicht eine dringende Reform notwendig. Der letzte Bericht AR6 wurde durch 234 Autorinnen und Autoren aus 65 Ländern erstellt. Weitere 517 Personen haben zusätzlich zu dem Bericht beigetragen. Es wurden 14.000 wissenschaftliche Veröffentlichungen bewertet. 46 Länder haben die Final Government Distribution sowie den zweiten Entwurf des SPM kommentiert. Insgesamt wurden in dem Bericht 78.000 Kommentare aus Gutachten dazu verarbeitet.

Kritik am Verfahren durch führende Klimainstitute

Bei der Komplexität des Verfahrens kann es nicht überraschen, das führende Klimainstitute vor den zeitlichen Verzögerungen bei der Berichtserstellung warnen. Die Folgen wie zum Beispiel das Erreichen von Kipppunkten könnte schon deutlich vor der eher zurückhaltenden Analyse der Sachstandsberichte erreicht werden.

So warnt zum Beispiel das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) vor den Auswirkungen der anhaltend hohen Emissionen am Beispiel des Zusammenbruchs der nordatlantischen Umwälzströmung AMOC. Diese Strömung transportiert Wärme Richtung Norden, während in der Tiefe kaltes Wasser Richtung Äquator fließt. Die AMOC ist für das milde europäische Klima verantwortlich.

Bricht diese Klimamaschine zusammen, kommt es in Nordwesteuropa zu extremen Wintern und zu noch mehr Trockenheit im Sommer. Der Kipppunkt für eine drastische Verlangsamung der Umwälzströmung könnte nach Ansicht des PIK schon Mitte des Jahrhunderts erreicht sein.

Laut Stefan Rahmstorf vom PIK würden die Standardmodelle, zu denen auch die Zustandsberichte des IPCC gehören, vermutlich diese Dynamik und damit das Risiko nicht ausreichend abbilden. Der Grund dafür läge im starken Abschmelzen der grönländischen Gletscher und damit dem verbundenen Süßwassereintrag.

Das Fazit

Die zusammenfassen den Satz der Situation habe ich im Ö1-Klima.Newsletter des österreichischen Fernsehsenders ORF gelesen. Dort schreibt der Verfasser Franz Zeller vom Ressort Wissenschaft und Forschung:

Wir befinden uns also in einem riesigen Klimaexperiment. Die Versuchskaninchen sind wir selbst.

Der Ausgang sei trotz aller intelligenten Modelle ungewiss, vor allem, wenn wir auf dem bisherigen Emissionspfad weiter gehen.

Links zu den aktuellen Sachstandsberichten des IPCC: