15-Minuten-Stadt: In Deutschland bereits weit verbreitet – gute Nahversorgung in den meisten Orten

Die „Stadt der Viertelstunde“ ist ein Stadtkonzept, nach dem zentrale Einrichtungen des täglichen Bedarfs in 15 Minuten erreichbar sein sollen. Eine neue Studie zeigt nun, wie weit das Konzept hierzulande bereits umgesetzt ist.

In deutschen Ortschaften ist das Konzept der 15-Minuten-Stadt bereits weit verbreitet.
In deutschen Ortschaften ist das Konzept der 15-Minuten-Stadt bereits weit verbreitet. Bild: Jörg Möller/Pixabay

Ein Alltag ohne lange Wege, in dem Supermarkt, Kita, Arztpraxis oder Bushaltestelle bequem zu Fuß oder per Fahrrad erreichbar sind, ist für viele Menschen in Deutschland längst Wirklichkeit geworden. Das zeigt eine aktuelle Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), die im Auftrag des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) erstellt wurde.

Die „Stadt der Viertelstunde“ wurde ursprünglich von Carlos Moreno, einem Professor der Sorbonne Université, nach der Pariser Klimakonferenz 2015 vorgeschlagen. Funktionen des täglichen Lebens sollen räumlich so organisiert werden, dass sie innerhalb von 15 Minuten per Fuß oder Fahrrad zu erreichen sind. Ein ähnliches Konzept ist die „Stadt der kurzen Wege“.

Die Auswertungen zeigen, dass das Leitbild der 15-Minuten-Stadt in weiten Teilen Deutschlands bereits umgesetzt wurde: „In Gemeinden, die kompakte Siedlungsstrukturen aufweisen, können wir gute Bedingungen für kurze Wege nachweisen – sowohl in Kleinstädten als auch in Mittelstädten und Großstädten“, erklärt Dr. Brigitte Adam, Projektleiterin im BBSR.

Für die Studie wurden alle deutschen Kommunen anhand bestimmter Kriterien systematisch untersucht. Dabei wurden insgesamt 24 für den Alltag relevante Einrichtungen erfasst, etwa Supermärkte, Schulen, Arztpraxen, Grünflächen, Spielplätze, Gastronomiebetriebe, Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs oder auch Schwimmbäder.

Deutschlandkarte mit dem Erfüllungsgrad der 15-Minuten-Stadt.
Deutschlandkarte mit dem Erfüllungsgrad der 15-Minuten-Stadt. Bild: BBSR, 2025, S. 40

Die Erreichbarkeit wurde anhand der durchschnittlichen Gehgeschwindigkeit eines Erwachsenen ermittelt. Um die Bedingungen möglichst realistisch abzubilden, wurde zusätzlich ein Index entwickelt, der auch andere Fortbewegungsgeschwindigkeiten miteinbezieht, etwa von älteren Menschen oder Kindern. Für weniger gut besuchte Ziele wie Bibliotheken oder Facharztpraxen wurde die Erreichbarkeit per Fahrrad berechnet.

Sorge vor Mietanstieg

Herauskam, dass die Deutschen durchschnittlich bereits circa 75 Prozent der untersuchten Einrichtungen innerhalb von 15 Minuten erreichen – in den bestbewerteten Städten sogar in nur sechs bis acht Minuten.

„Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass nur Großstädte oder hippe Gründerzeitviertel kurze Wege ermöglichen. Unsere Daten belegen, dass funktional durchmischte Quartiere mit kurzen Wegen auch in Großwohnsiedlungen oder Gartenstädten möglich sind.“

– Dr. Brigitte Adam, Projektleiterin im BBSR

Dabei bedeutet eine gute Nahversorgung nicht automatisch höhere Mieten. „Die Sorge, dass gute Erreichbarkeit automatisch zur Verdrängung einkommensschwächerer Haushalte führt, hat sich nicht bestätigt“, sagt Adam. Vielmehr profitieren Menschen unterschiedlichster sozialer Herkunft von gut erreichbaren Angeboten.

Weniger Verkehr, gut fürs Klima

Als theoretisches Planungsmodell liefert die 15-Minuten-Stadt konkrete Lösungen für typische Stadtentwicklungsprobleme: Sie reduziert Verkehrsaufkommen, stärkt soziale Bindungen im Quartier, erhöht die Lebensqualität und trägt zum Klimaschutz bei. Damit der Umstieg auf aktivere Mobilitätsformen gelingt, müsse jedoch die nötige Infrastruktur geschaffen werden.

Wenn wir wollen, dass Menschen sich im Alltag häufiger zu Fuß oder mit dem Rad fortbewegen, müssen wir die Bedingungen dafür konsequent verbessern.

Die Studie empfiehlt zum Beispiel, dass locker bebaute Gebiete nachverdichtet werden. Sofern lokal Nachfrage besteht, könnten etwa leerstehende Gebäude umgenutzt oder Grundstücke gemischt genutzt werden. Bestandsflächen sollten zudem besser erschlossen werden.

Zusätzlich soll die aktive Mobilität gefördert werden: breitere und barrierefreie Gehwege, sichere Radwege, mehr Aufenthaltsqualität im Straßenraum durch weniger individuellen Autoverkehr. Ebenso wichtig sei der Dialog mit der Bevölkerung. Um Vorbehalte abzubauen, müssten Bürgerinnen und Bürger aktiv eingebunden werden.

Nicht jede Stadt brauche ein neues Leitbild, sagt Adam, aber die 15-Minuten-Stadt biete einen klugen Orientierungsrahmen: „Und viele Maßnahmen lassen sich schon heute auf Basis geltenden Rechts umsetzen. Maßnahmen, die unsere Städte grüner, gesünder und lebenswerter machen.“

Quellenhinweis:

Schwarze, B., Spiekermann, K., Bauer, U., Lohaus, J., & Scheiner, J. (2025): Die Stadt der Viertelstunde. Hrsg. v. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), Bonn.