Nehmen psychische Probleme in Städten zu? So beeinflusst die Stadtgestaltung das seelische Wohlbefinden
Hektik, hohe Reizdichte, Lärm und Luftverschmutzung – das städtische Leben wirkt sich direkt oder indirekt auf die seelische Verfassung aus. Wissenschaftler beschäftigen sich darum mit der Frage, wie städtische Räume gestaltet werden müssen, um die seelische Gesundheit zu fördern.

Durch den Urban Advantage werden Städte als Wohnorte immer attraktiver, sowohl wirtschaftlich als auch bildungstechnisch, kulturell und sozial. Doch wegen der zunehmenden Urbanisierung verschärfen sich typische Stadtprobleme: Lärm, Hektik und Einwohnerzahlen nehmen unaufhörlich zu, der Stresspegel steigt.
Deshalb untersuchen Forscher nun, wie urbane Raumgestaltung die Lebensqualität so steigern kann, dass sie dauerhaft das psychische Wohl fördert. Dazu wurde eine neue Junior-Forschungsgruppe namens Urban Community Mental Health (UCoMH) ins Leben gerufen, die teils am Fachbereich Gesundheitswissenschaften der Hochschule Bochum und teils im Fachbereich Architektur der TU Darmstadt verankert ist.
Innenstädte können potenziell gesundheitsförderlich wirken, allerdings nur, wenn sie gezielt umgestaltet werden. Das Forschungsteam prüft daher, wie Grünflächen, barrierefreie Wege oder intelligente Beleuchtung zur Schaffung sogenannter therapeutischer Landschaften beitragen können.
Untersucht wird dies praxisnah am Beispiel der Innenstadt von Herne. Dort arbeiten die Forschenden eng mit der Stadtverwaltung und lokalen Akteuren im Sozialraum zusammen. Ziel ist es, konkrete Strategien für eine gemeinschaftsorientierte und gesundheitsfördernde Stadtentwicklung zu entwerfen.
Seelische Probleme in der Stadt
In Städten könne es vermehrt zu psychischen Problemen kommen, erklärte Prof. Dr. Anna Mikhof, Professorin für Gesundheitspsychologie an der Hochschule Bochum, bereits in früheren Arbeiten. Durch unsichere Orte, eine höhere Reizdichte und pathogene Umweltfaktoren – wie Lärm, Hitze, Schadstoffe – erleben Stadtmenschen wesentlich mehr Stress als Landbewohner. Dadurch treten häufiger Stressfolgeerkrankungen auf, beispielsweise in Form seelischer Leiden.
Schutzfaktoren sind etwa ausreichend Natur- und Grünflächen, Freizeitangebote, Arbeitsmöglichkeiten, Zugang zur medizinischen und sozialen Versorgung sowie zu Bildung. Es ließ sich zum Beispiel belegen, dass Menschen, die in stärker begrünte Stadtteile ziehen, in den drei Folgejahren von einer besseren psychischen Verfassung profitieren. Allgemein geht eine geringere Entfernung zu städtischem Grün mit einer geringeren Zahl psychotherapeutischer Behandlungen einher.
Psychische Aspekte des Stadtlebens
Mikhof zufolge gibt es sieben Bereiche des Stadtlebens, welche sich direkt auf die menschliche Psyche auswirken:
- das Zusammenleben,
- soziale Einbindung und Gemeinschaft,
- Förderung von Autonomie und persönlicher Entwicklung,
- ortsbezogene Verbundenheit,
- Ruhe,
- Sicherheit,
- Schutz von Ressourcen.

„Die aktuelle Studienlage zeigt uns, dass Städte im Vergleich zu ländlichen Regionen verschiedene Gefährdungspotenziale für die psychische Gesundheit mit sich bringen können“, erklärt Mikhof.
Um psychisches Wohlbefinden langfristig zu fördern, wollen die Forschenden neben der Analyse von Belastungen schwerpunktmäßig auch die Stärkung von Empowermentprozessen und stadtplanerischen Ansätzen in den Mittelpunkt stellen.
Vor diesem Hintergrund will die UCoMH-Forschungsgruppe künftig grundlegende Faktoren der gesundheitsförderlichen Stadtgestaltung im Ruhrgebiet untersuchen, wobei die Bedürfnisse vulnerabler Gruppen besonders berücksichtigt werden sollen. Aus der Community-Health-Perspektive heraus sollen Empfehlungen für Gestaltung, Gesundheitsförderung und Prävention entwickelt werden.
Quellenhinweis:
Hochschule Bochum: Urban Mental Health.
Mikhof, A. (2024): Wie das Stadtleben die psychische Gesundheit stärkt und beeinträchtigt. In: Jahrbuch StadtRegion 2023/2024: Stadt, Raum und Gesundheit, 49–67. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.
Straßburger, C., & Jüster, M. (2021): Therapeutische Landschaften als gesundheitstouristische Ressource. Hochschule für angewandte Wissenschaften Kempten, Forschungszentrum Allgäu. Zwischenbericht November 2021.