Jahrhundertwinter für Deutschland - ein Experte redet Tacheless: Was kommt im Winter 2025/26 wirklich auf uns zu?
Jedes Jahr im Herbst wird der „Jahrhundertwinter“ beschworen. Doch was steckt hinter den dramatischen Schlagzeilen – und was sagen die Wettermodelle wirklich?

Kaum färben sich die Blätter, tauchen sie wieder auf: die Prognosen vom „Jahrhundertwinter“, die angeblich Schneechaos, Eiseskälte und Rekordfrost versprechen. Jedes Jahr, pünktlich im Oktober, verbreiten sich die Eiszeit-Schlagzeilen wie eine Kaltfront durchs Netz. Doch wer genauer hinschaut, erkennt: das ist nichts Neues. Schon seit Jahren kursieren solche Geschichten, meist ohne wissenschaftliche Grundlage – aber mit garantiert vielen Klicks.
Denn das Thema Winter funktioniert immer: Schnee, Kälte und Romantik triggern Emotionen. Dazu kommt ein Schuss Nostalgie – wer erinnert sich nicht an den Winter 1978/79, als die Republik im Schnee versank? Doch in Wahrheit sind solche Extremwinter in Mitteleuropa die Ausnahme, nicht die Regel.
Warum jedes Jahr ein „Jahrhundertwinter“ versprochen wird
Die Erklärung ist simpel – und ernüchternd. Viele dieser Schlagzeilen stammen nicht aus Meteorologie, sondern aus Klickökonomie. Wetterportale, Boulevardmedien und Social-Media-Seiten wissen: Schnee verkauft sich. Und je dramatischer die Überschrift, desto größer die Reichweite. Der Begriff „Jahrhundertwinter“ ist dabei besonders wirksam – er klingt nach Katastrophe, Abenteuer und Nostalgie zugleich.
Hinzu kommt: Im Oktober gibt es noch keine verlässlichen Langfristprognosen. Die großen Wettermodelle liefern zwar saisonale Trends, aber keine genauen Temperaturwerte oder Schneehöhen. Wer also zu diesem Zeitpunkt mit Rekordwinter-Schlagzeilen kommt, spekuliert – oder spielt mit Emotionen.
Was die Klimamodelle wirklich zeigen
Ein Blick in die aktuellen Langfristmodelle von ECMWF, DWD und NOAA zeigt ein ganz anderes Bild. Der Winter 2025/26 wird nach jetzigem Stand eher mild bis leicht überdurchschnittlich warm im Vergleich zum Referenzzeitraum 1991–2020. Das bedeutet: Phasen mit Kälte sind möglich – sie gehören in Mitteleuropa dazu – aber ein flächendeckender „Jahrhundertwinter“ ist äußerst unwahrscheinlich.
Auch der Einfluss großer Klimaphänomene spricht dagegen: Derzeit befindet sich der Pazifik in einer neutralen bis leicht warmen ENSO-Phase. Ein starker El Niño oder La Niña, die das europäische Winterwetter kräftig umkrempeln könnten, ist nicht in Sicht.
Was wirklich passieren kann
Natürlich wird es Frostnächte, Schneetage und kalte Phasen geben – das ist völlig normal. Kurzfristige Kaltlufteinbrüche aus Skandinavien oder Russland können selbst in milden Wintern zu Wintereinbrüchen führen. Aber daraus gleich einen „Jahrhundertwinter“ zu machen, ist reine Übertreibung.
Selbst wenn ein paar Wochen kalt werden, sagt das nichts über den gesamten Winter aus. Wetter und Klima sind komplexe Systeme, und Einzelfälle sind keine Trends. Deshalb gilt: Wer von „Jahrhundertwinter“ spricht, ohne Daten zu nennen, liefert kein Wetterwissen, sondern Wetterdrama.
Fazit: Kaltluft für die Klicks
Die alljährliche „Jahrhundertwinter“-Panik ist vor allem eins: ein Medienphänomen. Wissenschaftlich ist sie kaum haltbar, journalistisch aber wirksam. Tatsächlich zeigen die Modelle derzeit keine Anzeichen für einen Rekordwinter – eher für einen normalen bis milden Verlauf.
Darum gilt: Realismus statt Rekordjagd. Der Winter kommt, wie er kommt – vielleicht nass, vielleicht neblig, vielleicht auch mal mit Schnee. Nur eines ist sicher: Die Schlagzeilen über den „Jahrhundertwinter“ tauen spätestens im Dezember wieder auf.