Zirkumpolarstrom: Acht Millionen Jahre alter Sedimentbohrkern stellt gängige Lehrmeinung infrage

Ein Bohrkern aus dem Südpazifik zeigt, wie sich eine wichtige Ozeanströmung auf das Klima der vergangenen 8 Millionen Jahre ausgewirkt hat. Über winzige versteinerte Algenreste in den Sedimentschichten konnten die Wissenschaftler nachweisen, welche Temperaturen zu welchen Zeiten geherrscht haben.

Blick in das Sedimentkern-Labor des Forschungsschiffs JOIDES Resolution, das 2019 den Kern im Südostpazifik gewonnen hat, der in der aktuellen Studie als Klimaarchiv ausgewertet wurde.
Blick in das Sedimentkern-Labor des Forschungsschiffs JOIDES Resolution, das 2019 den Kern im Südostpazifik gewonnen hat, der in der aktuellen Studie als Klimaarchiv ausgewertet wurde. Bild: Tim Fulton/IODP JRSO

Forschende haben im Südostpazifik einen 380 Meter langen Sedimentbohrkern untersucht, der das Weltklima der letzten acht Millionen Jahre dokumentiert. Demnach reagierte der Antarktische Zirkumpolarstrom (ACC) als Bindeglied der drei Weltozeane immer besonders leicht auf Temperaturschwankungen. Das wiederum beeinflusste, wie viel Kohlendioxid die Ozeane aufnahmen.

Der Antarktische Zirkumpolarstrom (ACC) gilt als stärkste Meeresströmung der Welt und transportiert seit Millionen Jahren Wärme, Salz, Nährstoffe sowie gelöstes CO2 rund um die Antarktis.

Die Auswertung fand durch ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) statt. Die Studie soll künftig Klimamodelle verbessern und dabei helfen, die globale Erwärmung besser zu verstehen, sagen die Forschenden. Die Ergebnisse wurden kürzlich in Nature Communications veröffentlicht.

Ein einzigartiges Archiv in 3800 Metern Tiefe

Im Jahr 2019 bargen Forschende des IOW gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen vom Alfred-Wegener-Institut (Bremerhaven), dem Lamont-Doherty Earth Observatory (USA) sowie dem MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften (Bremen) mehrere Sedimentkerne aus dem zentralen und östlichen Südpazifik.

Besonders aufschlussreich war ein Kern aus 3800 Metern Tiefe nahe der Drake-Passage, der schmalsten Stelle des Zirkumpolarstroms. Die Passage zwischen Südamerika und der Antarktischen Halbinsel ist die Strömungsenge, die Atlantik, Indik und Pazifik miteinander verbindet.

Algenreste offenbaren Temperaturen

Um die Klimageschichte zu verstehen, untersuchte das Team rund 300 Proben aus dem Bohrkern. Dabei wurde die sogenannte Alkenon-Paläothermometrie angewandt, bei der fossile Algenreste in der Probe untersucht werden. Die Methode erlaubt Rückschlüsse auf die Oberflächentemperaturen des Ozeans.

Alkenone sind chemische Verbindungen, die beim Absterben bestimmter einzelliger Kalkalgen zurückbleiben. Deren Struktur variiert je nach Meerestemperatur. Damit entsteht ein feines Klimaarchiv, das im Fall des pazifischen Kerns eine zeitliche Auflösung von etwa 25.000 Jahren möglich macht.

Was passierte während der Kaltzeiten?

Die Untersuchungen ergaben, dass der ACC vor 2,2 bis 5,3 Millionen Jahren während ausgedehnter Kaltphasen immer stärker wurde. Solche Perioden dauerten jeweils rund 400.000 Jahre an. Die verstärkte Strömung führte offenbar dazu, dass sich das tiefe Ozeanwasser intensiver durchmischte, sodass CO2 aus den Tiefen an die Oberfläche gelangte und in die Atmosphäre übertrat.

Bisherige Studien der letzten 1 Million Jahre haben eine erhöhte Intensität des ACC während der im Vergleich dazu eher kurzen Warmzeiten (10.000 Jahre) und nicht während Kaltzeiten nachgewiesen.

„Das deutet darauf hin, dass die Wechselwirkungen zwischen Meer und Atmosphäre je nach betrachteter Zeitskala unterschiedlich ausfallen und noch genauer untersucht werden müssen“, erklärt die IOW-Wissenschaftlerin Antje Wegwerth, Erstautorin der Studie.

Widerspruch zur Lehrmeinung

Ein weiterer Befund stellt bisherige Annahmen infrage. Lange war man davon ausgegangen, dass die große Vereisung der Nordhalbkugel vor rund 2,7 Millionen Jahren durch eine weltweite Abkühlung ausgelöst wurde.

Antje Wegwerth ist Expertin für Geologie und Paläoklima am IOW und Erstautorin der aktuellen Studie.
Antje Wegwerth ist Expertin für Geologie und Paläoklima am IOW und Erstautorin der aktuellen Studie. Bild: Olaf Dellwig

Die neue Analyse belegt jedoch, dass sich der Südozean deutlich erwärmte – im Südostpazifik sogar um bis zu fünf Grad Celsius. Die Phase dauerte rund 700.000 Jahre an. Die Wissenschaftler konnten daraus schließen, dass ein abgeschwächter Zirkumpolarstrom dafür sorgte, dass sich CO2 im tiefen subpolaren Ozean anreichern konnte. Dadurch wurde das Gas weiter aus der Atmosphäre entzogen, was letztlich die globale Abkühlung einleitete.

CO2 sorgt in der Atmosphäre für eine Erwärmung, weshalb es auch als Treibhausgas bezeichnet wird. Je weniger CO2 vorhanden ist, umso kälter wird es.

Die Erwärmung des Südozeans könnte außerdem dafür gesorgt haben, dass das antarktische Eisschild teilweise abschmilzte. Das wiederum hätte dazu geführt, dass sich im Nordatlantik weniger Tiefenwasser bildet, was die Vereisung der Nordhalbkugel begünstigte.

Für die Klimamodelle der Zukunft

Der Studie zufolge nahm der ACC im globalen Klimasystem eine zentrale Rolle ein. Seine Intensität entscheidet darüber, wie viel Kohlendioxid zwischen Ozean und Atmosphäre zirkuliert – und beeinflusst, wie sich die Temperatur auf der Erde langfristig entwickelt.

In einem Anschlussprojekt wollen die Forschenden nun mit höherer zeitlicher Auflösung untersuchen, welche Klima- und Umweltbedingungen in den letzten acht Millionen Jahren vorherrschten, und besonders, welche Wechselwirkungen es mit dem benachbarten Patagonien gab.

Die Ergebnisse sollen Klimamodelle verbessern und Aufschluss über den eher wenig erforschten Südozean geben. Neben wichtigen Informationen zur Klimageschichte liefert die Studie auch Hinweise, wie mit der aktuellen und zukünftigen Erderwärmung umzugehen ist.

Quellenhinweis:

Wegwerth, A., Arz, H. W., Kaiser, J., Winckler, G., Lembke-Jene, L., Rigalleau, V., Ruggieri, N., Sadatzki, H., & Lamy, F. (2025): South Pacific sea surface temperature and global ocean circulation changes since the late Miocene. Nature Communications.