Ozeane nehmen weniger CO₂ auf: Wird die Lunge der Erde immer schwächer?

Durch die anhaltenden Temperaturrekorde in den Ozeanen kommt es zu globalen Veränderungen der CO₂-Speicherung. Noch wird zwar der Verlust ausreichend kompensiert – doch wie sich das schwindende Gleichgewicht in Zukunft verändern wird, ist schwer zu sagen.

Im Jahr 2023 nahmen die Ozeane eine Milliarde Tonnen Kohlenstoffdioxid weniger auf als in den Vorjahren, das ergeben neueste Studien.
Im Jahr 2023 nahmen die Ozeane eine Milliarde Tonnen Kohlenstoffdioxid weniger auf als in den Vorjahren, das ergeben neueste Studien. Bild: Tobias Dahlberg/Pixabay

Die Weltmeere gelten seit Jahrzehnten als Rettungsanker im Kampf gegen den Klimawandel. Sie binden rund ein Viertel der menschengemachten CO₂-Emissionen und nehmen zugleich fast 90 Prozent der überschüssigen Wärme auf, die durch Treibhausgase entsteht.

Ohne die Speicherleistung der Ozeane wäre die Erderwärmung bereits weit über die vereinbarten 1,5 Grad hinausgeschossen.

Doch aktuelle Daten verheißen nichts Gutes: Während der Hitzewelle im Jahr 2023 haben die Ozeane wesentlich weniger Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufgenommen als erwartet.

Rekordtemperaturen im Meer

Im vergangenen Jahr kletterten die Oberflächentemperaturen der Meere in bisher unbekanntem Ausmaß nach oben. Besonders betroffen waren der tropische Pazifik und der Nordatlantik. Im Pazifik wirkte zusätzlich ein kräftiges El-Niño-Ereignis, das warmes Wasser an die Küsten Südamerikas drückte und den Zustrom kälterer Tiefenwasser blockierte.

„Diese sprunghafte Erwärmung des globalen Ozeans auf neue Rekordtemperaturen ist für die Klimaforschung herausfordernd – denn bislang war unklar, wie die marine Kohlenstoffsenke darauf reagiert.“

– Nicolas Gruber, Professor für Umweltphysik an der ETH Zürich

Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der ETH Zürich hat nun die Folgen des Temperaturanstiegs untersucht, wobei erstmals ein globales Netzwerk von Messungen eingesetzt wurde. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Nature Climate Change veröffentlicht.

Die Bilanz ist ernüchternd: 2023 nahmen die Ozeane fast eine Milliarde Tonnen CO₂ weniger auf als in den Vorjahren. Das sind rund zehn Prozent der erwarteten Menge, was etwa der Hälfte der Emissionen der gesamten Europäischen Union entspricht. „Das ist keine gute Nachricht“, sagt Nicolas Gruber, Professor für Umweltphysik an der ETH Zürich. „Doch die Abnahme ist kleiner als befürchtet.“

Warum Wärme Kohlendioxid verdrängt

„Wenn sich ein Glas kohlensäurehaltiges Wasser in der Sonne erwärmt, entweicht gelöstes CO₂ als Gas in die Luft“, erklärt Studienleiter Jens Daniel Müller die Physik dahinter. Dasselbe geschehe im Meer: Mit steigender Temperatur sinkt die Löslichkeit von Kohlendioxid, und es entweicht in die Atmosphäre.

Durch die zunehmende Wärme kann mehr Kohlenstoffdioxid in die Luft entweichen.
Durch die zunehmende Wärme kann mehr Kohlenstoffdioxid in die Luft entweichen. Bild: Joshua Woroniecki/Pixabay

Besonders deutlich zeigte sich das im Nordatlantik, wo die Meeresoberfläche 2023 außergewöhnlich warm war. Doch die Forschenden sagen, dass die beobachtete Freisetzung geringer ausfiel, als es allein aufgrund der Temperatur zu erwarten gewesen wäre.

Tauziehen zwischen den Kräften

Schuld daran sind mehrere Vorgänge, die den Ausstoß kompensieren. Dazu zählt das Entweichen der Gase selbst, das dazu führt, dass der gelöste Kohlenstoffs in den oberen Schichten abnimmt, sowie eine stabilere Schichtung der Wassersäule, welche die Zufuhr von CO₂-reichem Tiefenwasser bremst, und letztlich die sogenannte biologische Pumpe: Hierbei nehmen Algen und andere Photosynthese betreibende Organismen CO₂ auf, wachsen, sterben ab und sinken in die Tiefe.

„Somit kann man die Antwort des Ozeans auf die extremen Temperaturen von 2023 als Resultat eines permanenten Tauziehens zwischen temperaturbedingtem Ausgasen und gleichzeitiger Verarmung an gelöstem CO₂ verstehen.“

– Nicolas Gruber, Professor für Umweltphysik an der ETH Zürich

Auch der El-Niño-Effekt wirkte sich aus. Normalerweise entweichen im tropischen Ostpazifik große Mengen Kohlendioxid in die Luft. Während eines El Niños aber schwächt sich die Strömung ab, und weniger CO₂-reiches Wasser steigt auf. In der Folge entweicht dort kaum Kohlendioxid – eine paradoxe Situation, in der El Niño die Senkenleistung sogar stützt.

Bisher war nicht klar gewesen, wie die Ozeane und die marine Kohlenstoffsenke auf die andauernden Temperaturrekorde reagieren, sagen die Forschenden.
Bisher war nicht klar gewesen, wie die Ozeane und die marine Kohlenstoffsenke auf die andauernden Temperaturrekorde reagieren, sagen die Forschenden. Bild: PublicCo/Pixabay

Doch im Jahr 2023 wurde der positive Einfluss überlagert, sagt Müller: „Allerdings hat die starke Erwärmung des aussertropischen Ozeanes den El-Niño-Effekt im tropischen Pazifik ausgehebelt.“ Am Ende war die globale Senkenleistung deutlich schwächer.

Wie lange noch?

Für die Analyse wurden Daten von Schiffen, Frachtern und Messbojen mit Satellitenbeobachtungen und Methoden des maschinellen Lernens miteinander kombiniert. Der arktische Ozean und die südlichsten Gebiete des Südpolarmeers waren dabei allerdings ausgenommen.

Die Studie ist eine der ersten, die zeigt, wie ein durch Hitzewellen erwärmter Ozean reagiert. Prognosen für die kommenden Jahrzehnte lassen sich daraus jedoch nicht sicher ableiten. „Wie sich die Senkenleistung künftig entwickeln wird, können wir noch nicht sicher sagen“, so Müller.

Fakt ist: Die Ozeane sind weiterhin ungewöhnlich warm, und der Trend geht ungebremst weiter. „Ob die kompensierenden Mechanismen langfristig wirksam bleiben und das temperaturbedingte Ausgasen begrenzen, ist hingegen unklar“, ergänzt Gruber. „Vorläufig nimmt der globale Ozean aber immer noch sehr viel CO₂ auf – zum Glück.“ Doch die Frage bleibt: Wie lange noch?

Quellenhinweis:

Müller, J. D., Gruber, N., Schneuwly, A., Bakker, D. C., Gehlen, M., Gregor, L., Hauck, J., Landschützer, P., & McKinley, G. A. (2025): Unexpected decline of the ocean carbon sink under record-high sea surface temperatures in 2023. Nature Climate Change.