Weniger Sulfatpartikel, mehr Erwärmung?

Es wird erwartet, dass die Regulierung der Schwefelemissionen von Schiffen ein Erfolg für die Luftqualität wird, aber die Regulierung könnte einen ungewollten Nebeneffekt haben: die Beschleunigung der globalen Erwärmung.

Ship Tracks Aerosole
Durch sogenannte "Ship Tracks" weiß man schon länger, dass Emissionen von Schiffen einen Einfluss auf die Wolkenbildung hat. Bildquelle: NASA/GSFC/Jeff Schmaltz/MODIS Land Rapid Response Team.

Die internationale Seeschiffahrtsorganisation (IMO) limitiert durch eine Regulierung seit 2020 den Schwefelausstoß der Schiffsindustrie. Dies wird zum Beispiel durch eine Abgasreinigungsanlage auf den Schiffen ermöglicht. Von der Maßnahme wird ein positiver Effekt auf die menschliche Gesundheit erwartet, da sich dadurch die Luftqualität enorm verbessern dürfte. Denn aus der Minderung der Schwefelemissionen resultiert auch eine verringerte Menge an entstehenden Sulfatpartikeln in der Atmosphäre. Eigentlich gut für die Gesundheit!

Allerdings könnte eine Reduktion der Sulfatpartikel auch einen ungewollten Nebeneffekt haben – eine Beschleunigung der globalen Erwärmung. Wolken haben einen sehr großen Einfluss auf die Energiebilanz der Erde. Eine globale/lokale Änderung der Wolken oder deren Eigenschaften führt zwangsweise auch zu einer Änderung der globalen/lokalen Temperatur. Forscher haben jetzt in einem Preprint (einer wissenschaftliche Veröffentlichung, die noch nicht den wissenschaftlichen Begutachtungsprozess vollständig durchlaufen hat) genau diese ungewollte Änderung in den Wolkeneigenschaften nachgewiesen.

Aerosole und Wolkeneigenschaften

Das Wolken einen großen Effekt auf die Temperatur am Boden haben können, kann man sehr gut selbst spüren. Bodenoberflächen im Schatten sind gleich etwas kühler, als in direkter Sonne. Nachts werden niedrigere Temperaturen erreicht, wenn es wolkenlos ist. Wärmer ist es, wenn es Wolken gibt.

Nun entstehen Wolken nicht einfach so, sondern nur mit Hilfe von Aerosolen. Es ist hinreichend erforscht, dass für dieselbe Menge an flüssigem Wasser in einer Wolke Aerosole einen maßgeblich Einfluss auf die optischen Eigenschaften von Wolken haben. Je mehr und kleiner die Aerosole, desto mehr und kleiner sind die Wolkentropfen und reflektieren am Ende mehr Sonnenlicht. Sind die Aerosole größer und weniger, sind am Ende auch die Wolkentropfen weniger und größer, reflektieren also weniger Sonnenlicht.

Sulfatpartikel reflektieren auch selbst Sonnenlicht. Daher unterscheidet man den direkten Effekt, also die Eigenschaften der Aerosole selbst und den indirekten Effekt, also die Änderung von Wolkeneigenschaften durch Aerosole und daraus resultierend die Auswirkungen auf das Reflektionsvermögen von Wolken. Das Sulfatpartikel aus Schiffsemissionen einen Effekt auf die Wolkenbildung und deren Eigenschaften hat, kennt man bereits von den sogenannten „ship tracks“.

Erster Nachweis

Wie viel die durch Treibhausgase verursachte Erwärmung durch Änderungen der Wolkeneigenschaften durch z.B. Schiffsemissionen gedämpft wird, beherbergt weiterhin eine große Unsicherheit. Die Forscher dürften mit ihrer Studie allerdings ein erstes größeres Puzzleteil gelöst haben. Sie untersuchten ein Schiffskorridor an der Küste Südafrikas anhand von Satellitendaten.

Anhand von statistischen Methoden konnten sie innerhalb dieses Korridors Daten erzeugen, die die faktischen Wolkeneigenschaften und konterfaktische Wolkeneigenschaften darstellen. Konterfaktisch sind hier Bedingungen gemeint, als hätte es keine Schiffe gegeben. Der Unterschied zwischen faktisch und konterfaktisch stellt letztendlich den Einfluss der Schiffsemissionen dar. Weiter wurden die Daten nach Inkrafttreten der Regulierung untersucht, um festzustellen inwieweit sich diese zu den Daten vor 2020 verhalten.

Natürliche Variabilität erschwert meist das Finden eines eindeutigen Signals. Dennoch konnten die Forscher ein relativ klares Signal entdecken. So konnten sie nachweisen, dass die Größe der Wolkentropfen tatsächlich angestiegen ist. Die Wolken also insgesamt dunkler geworden sind.

Eine erste Schätzung gemäß des Strahlungsantriebs geben die Forscher auch schon an. Sie berücksichtigen dabei allerdings nur den sofortigen Beitrag durch die Änderung der Wolkeneigenschaften. Weitere Rückkopplungen, die entstehen können, sind deutlich schwerer zu bemessen.

Die Wissenschaftler sehen einen globalen Beitrag in der Größenordnung von 0,1 W/m2 mit bis zu 0,4 W/m2 als plausibel an. Das ist der Strahlungsantrieb, der zusätzlich zu den Treibhausgasen zur Erwärmung beitragen würde. Das mag sich erst mal nicht nach viel anhören, aber der Beitrag von CO2 allein liegt bei rund 2 W/m2. Wir sehen erneut: Kleine Partikel, große Auswirkung!

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