Warum wir an Zielen festhalten – auch wenn es nicht klug ist: Über das Durchhaltevermögen bei langfristigen Zielen
US-Forscher haben herausgefunden, warum wir manche Ziele zu lange verfolgen: Statt vorausschauend zu planen, neigen wir offenbar dazu, unsere Ziele auf Erfahrungswerte zu gründen. Die Wissenschaftler geben einige Tipps, wie wir uns strategisch besser aufstellen können.

Ob E-Mails beantworten, Wäsche waschen oder den Ruhestand planen – die meisten Menschen jonglieren ständig mit mehreren Zielen gleichzeitig. Doch was bestimmt, welchem Ziel wir uns gerade widmen? Und warum bleiben wir manchmal hartnäckig bei einem Ziel, obwohl es strategisch klüger wäre, ein anderes zu verfolgen?
– Sneha Aenugu, Doktorandin der Sozial- und Entscheidungsneurowissenschaft, California Institute of Technology
Solchen Fragen sind die Doktorandin Sneha Aenugu und der Neurowissenschaftler John O’Doherty vom California Institute of Technology nachgegangen. Für ein aufwendiges Onlineexperiment entwickelten sie ein Spiel, das es erlaubt, menschliches Verhalten bei der Zielverfolgung zu analysieren, insbesondere das Phänomen der Überpersistenz.
In der Motivationspsychologie ist mit Persistenz die Dauerhaftigkeit oder Beharrlichkeit gemeint, mit der Ziele verfolgt werden. Überpersistenz bezeichnet demnach eine Haltung, bei der zu lange an Zielen festgehalten wird.
Ein aufschlussreiches Spiel
Im Experiment mussten die Teilnehmenden Karten aus drei verschiedenen Kategorien sammeln: Katze, Hut und Auto. Für jede Kategorie gab es zwei Arten von Karten, im Fall des Autos etwa Schlüssel und Gepäckstücke. Wenn man eine bestimmte Anzahl von Karten einer Kategorie gesammelt hatte, gab es Punkte.
Die Schwierigkeit bestand darin, dass sich die Wahrscheinlichkeit, Karten einer bestimmten Kategorie zu erhalten, regelmäßig änderte. Mal betrug die Chance auf Katzenkarten 80 Prozent, mal 40 Prozent. Teilweise wussten die Spieler, dass sich die Wahrscheinlichkeiten änderten, teilweise sogar, wie sehr. Doch es wurde ihnen nie gesagt, welche Kategorie aktuell dominierte.

Das Experiment offenbarte, dass die Spieler in vielen Fällen an einer begonnenen Kategorie festhielten – selbst wenn es objektiv sinnvoller gewesen wäre, auf eine andere umzuschwenken. Dabei konnten große individuelle Unterschiede beobachtet werden, sagt Aenugu.
Die Forschenden vermuten, dass das Verhalten auf eine retrospektive Entscheidungsstrategie zurückgeht: Man schaut zurück, wie weit man schon gekommen ist, um zu entscheiden, ob sich das Dranbleiben lohnt.
Computer besiegen Menschen – im Spiel
Um menschliches Verhalten zu vergleichen, programmierten die Forschenden zwei Algorithmen, die das Spiel prospektiv spielten, also basierend auf Wahrscheinlichkeiten und Zukunftsannahmen. Einer der Algorithmen wählte stets die statistisch besten Karten, der andere berücksichtigte zusätzlich die Chance, ein Set zu vervollständigen.
Aenugu nennt das Phänomen Momentum: „Momentum ist ein Produkt aus bereits erreichtem Fortschritt und der Geschwindigkeit, mit der man Fortschritte macht“, erklärt sie. Und weiter: „Wir konnten mathematisch zeigen, dass Momentum eine gute Näherung für die Zeit ist, die man braucht, um ein Ziel zu erreichen.“

Die Berechnungen zeigten, dass momentumbasierte Entscheidungen zwar nicht ganz so effizient sind wie die rein prospektiven Modelle, aber fast ebenso erfolgreich – und vor allem deutlich einfacher. Prospektives Denken sei kognitiv anspruchsvoller. In einer unsicheren Welt sei es jedoch oft sinnvoller, auf einfache Modelle zu setzen, so Aenugu.
Tatsächlich wurde das Spielverhalten der Probanden deutlich beeinflusst, wenn man ihnen mehr Informationen über Wahrscheinlichkeiten an die Hand gab.
Anwendung in der Psychiatrie
Künftig wollen Aenugu und O’Doherty untersuchen, wie sich unterschiedliche Zielstrategien auf die Psyche auswirken. Die Forscher vermuten, dass sich daraus, wie Menschen Ziele wählen und daran festhalten, auf Störungen wie Depression, ADHS, Zwangsstörungen oder Angststörungen schließen lässt.
„Wir glauben, dass das Verständnis der individuellen Unterschiede bei der Zielverfolgung helfen kann, bestimmte psychische Störungen besser zu erfassen“, schlussfolgert O’Doherty.
Quellenhinweis:
Aenugu, S., & O’Doherty, J. (2025): Building Momentum: A Computational Account of Persistence Toward Long-Term Goals. PLOS Computational Biology.