Warum wir an Zielen festhalten – auch wenn es nicht klug ist: Über das Durchhaltevermögen bei langfristigen Zielen

US-Forscher haben herausgefunden, warum wir manche Ziele zu lange verfolgen: Statt vorausschauend zu planen, neigen wir offenbar dazu, unsere Ziele auf Erfahrungswerte zu gründen. Die Wissenschaftler geben einige Tipps, wie wir uns strategisch besser aufstellen können.

Warum halten wir länger an Zielen fest, als es eigentlich sinnvoll ist?
Warum halten wir länger an Zielen fest, als es eigentlich sinnvoll ist? Bild: Th G/Pixabay

Ob E-Mails beantworten, Wäsche waschen oder den Ruhestand planen – die meisten Menschen jonglieren ständig mit mehreren Zielen gleichzeitig. Doch was bestimmt, welchem Ziel wir uns gerade widmen? Und warum bleiben wir manchmal hartnäckig bei einem Ziel, obwohl es strategisch klüger wäre, ein anderes zu verfolgen?

„Es gibt so viele Dinge, die wir jederzeit tun könnten. Wie entscheiden wir, ‚Das ist jetzt das, was ich machen will‘?“

– Sneha Aenugu, Doktorandin der Sozial- und Entscheidungsneurowissenschaft, California Institute of Technology

Solchen Fragen sind die Doktorandin Sneha Aenugu und der Neurowissenschaftler John O’Doherty vom California Institute of Technology nachgegangen. Für ein aufwendiges Onlineexperiment entwickelten sie ein Spiel, das es erlaubt, menschliches Verhalten bei der Zielverfolgung zu analysieren, insbesondere das Phänomen der Überpersistenz.

In der Motivationspsychologie ist mit Persistenz die Dauerhaftigkeit oder Beharrlichkeit gemeint, mit der Ziele verfolgt werden. Überpersistenz bezeichnet demnach eine Haltung, bei der zu lange an Zielen festgehalten wird.

Ein aufschlussreiches Spiel

Im Experiment mussten die Teilnehmenden Karten aus drei verschiedenen Kategorien sammeln: Katze, Hut und Auto. Für jede Kategorie gab es zwei Arten von Karten, im Fall des Autos etwa Schlüssel und Gepäckstücke. Wenn man eine bestimmte Anzahl von Karten einer Kategorie gesammelt hatte, gab es Punkte.

Die Schwierigkeit bestand darin, dass sich die Wahrscheinlichkeit, Karten einer bestimmten Kategorie zu erhalten, regelmäßig änderte. Mal betrug die Chance auf Katzenkarten 80 Prozent, mal 40 Prozent. Teilweise wussten die Spieler, dass sich die Wahrscheinlichkeiten änderten, teilweise sogar, wie sehr. Doch es wurde ihnen nie gesagt, welche Kategorie aktuell dominierte.

Versuchsaufbau des Onlinespiels mit (A) leeren Slots, (B) den verwendeten Symbolen und (C) einer Beispielrunde.
Versuchsaufbau des Onlinespiels mit (A) leeren Slots, (B) den verwendeten Symbolen und (C) einer Beispielrunde. Bild: Aenugu & O’Doherty, 2025

Das Experiment offenbarte, dass die Spieler in vielen Fällen an einer begonnenen Kategorie festhielten – selbst wenn es objektiv sinnvoller gewesen wäre, auf eine andere umzuschwenken. Dabei konnten große individuelle Unterschiede beobachtet werden, sagt Aenugu.

Einige Menschen sind gut darin, auf unmittelbare Belohnungen zu verzichten und auf langfristige Erfolge zu warten, andere nicht. Weil wir dazu neigen, unmittelbare Belohnungen zu bevorzugen, bleiben viele bei einer Kategorie, die fast abgeschlossen ist – auch wenn sie gerade statistisch im Nachteil ist.

Die Forschenden vermuten, dass das Verhalten auf eine retrospektive Entscheidungsstrategie zurückgeht: Man schaut zurück, wie weit man schon gekommen ist, um zu entscheiden, ob sich das Dranbleiben lohnt.

Computer besiegen Menschen – im Spiel

Um menschliches Verhalten zu vergleichen, programmierten die Forschenden zwei Algorithmen, die das Spiel prospektiv spielten, also basierend auf Wahrscheinlichkeiten und Zukunftsannahmen. Einer der Algorithmen wählte stets die statistisch besten Karten, der andere berücksichtigte zusätzlich die Chance, ein Set zu vervollständigen.

Beide Maschinenstrategien schnitten besser ab als die menschlichen Spieler, die zu oft an ihren begonnenen Zielen festhielten.

Aenugu nennt das Phänomen Momentum: „Momentum ist ein Produkt aus bereits erreichtem Fortschritt und der Geschwindigkeit, mit der man Fortschritte macht“, erklärt sie. Und weiter: „Wir konnten mathematisch zeigen, dass Momentum eine gute Näherung für die Zeit ist, die man braucht, um ein Ziel zu erreichen.“

Mit besseren Informationen über Wahrscheinlichkeiten konnten die Probanden auch bessere Strategien verfolgen.
Mit besseren Informationen über Wahrscheinlichkeiten konnten die Probanden auch bessere Strategien verfolgen. Bild: Momentmal/Pixabay

Die Berechnungen zeigten, dass momentumbasierte Entscheidungen zwar nicht ganz so effizient sind wie die rein prospektiven Modelle, aber fast ebenso erfolgreich – und vor allem deutlich einfacher. Prospektives Denken sei kognitiv anspruchsvoller. In einer unsicheren Welt sei es jedoch oft sinnvoller, auf einfache Modelle zu setzen, so Aenugu.

Man ist nicht verdammt dazu, an Zielen festzuhalten. Wenn wir wissen, dass wir zur Überpersistenz neigen, und wir mehr Informationen über unsere Umgebung haben, können wir unsere Strategien anpassen.

Tatsächlich wurde das Spielverhalten der Probanden deutlich beeinflusst, wenn man ihnen mehr Informationen über Wahrscheinlichkeiten an die Hand gab.

Anwendung in der Psychiatrie

Künftig wollen Aenugu und O’Doherty untersuchen, wie sich unterschiedliche Zielstrategien auf die Psyche auswirken. Die Forscher vermuten, dass sich daraus, wie Menschen Ziele wählen und daran festhalten, auf Störungen wie Depression, ADHS, Zwangsstörungen oder Angststörungen schließen lässt.

„Wir glauben, dass das Verständnis der individuellen Unterschiede bei der Zielverfolgung helfen kann, bestimmte psychische Störungen besser zu erfassen“, schlussfolgert O’Doherty.

Quellenhinweis:

Aenugu, S., & O’Doherty, J. (2025): Building Momentum: A Computational Account of Persistence Toward Long-Term Goals. PLOS Computational Biology.