Unsichtbare Gesellschaften: Neuste Studie zeigt, wie fehlende Bevölkerungsdaten die globale Politik gefährden

Weltweit verschwinden Millionen Menschen aus den offiziellen Volkszählungen – eine alarmierende Entwicklung. Die neue Studie warnt, dass ungenaue Bevölkerungsdaten Regierungen handlungsunfähig machen und katastrophale Folgen für Ressourcenverteilung, Sicherheit und soziale Gerechtigkeit haben.

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Die globale Krise fehlender Bevölkerungszahlen bedroht die Grundlagen von Planung und politischer Entscheidungsfindung

Unsere Gesellschaften beruhen auf präzisen demografischen Informationen – sie sind die Grundlage jeder politischen Entscheidung, von der Planung von Krankenhäusern bis zur Zuweisung von Bildungsgeldern. Doch genau diese essenziellen Daten werden zunehmend unzuverlässig.

Volkszählungen, jahrhundertealte Instrumente zur Erfassung unserer Gesellschaft, geraten weltweit ins Stocken.

Ohne verlässliche Zahlen verlieren Regierungen ihre Fähigkeit, Ressourcen gerecht zu verteilen und auf soziale Veränderungen angemessen zu reagieren – mit schwerwiegenden Folgen für Demokratie und soziale Gerechtigkeit.

Rückgang der Volkszählungen und Untererfassung von Bevölkerungsgruppen

Neueste Studien zeigen, dass weltweit immer weniger Länder ihre Volkszählungen erfolgreich abschließen oder veröffentlichen. Zwischen 2015 und 2024 haben 24 Länder – zusammen mit einem Anteil von rund 25 % der Weltbevölkerung – ihre Ergebnisse nicht veröffentlicht.

Zusätzlich offenbaren Post-enumerative Analysen erhebliche Untererfassungen, insbesondere bei sozial und ökonomisch marginalisierten Gruppen.

  • Die US-Volkszählung von 2020 unterschätzte etwa die Latino-Bevölkerung um 2,9 Millionen Menschen.
  • In Südafrika könnte die Volkszählung von 2022 die Bevölkerung sogar um bis zu 31 % unterschätzt haben.

Diese Zahlen machen deutlich, wie gravierend die Datenlücken sind.

Pandemie, Datenschutzbedenken und Finanzierungskrise als Treiber der Datenkrise

Die COVID-19-Pandemie hat die Volkszählungen weltweit stark beeinträchtigt: Haus-zu-Haus-Befragungen waren teilweise unmöglich, und die Finanzierung wurde vielerorts gekürzt oder verschoben.

Parallel dazu wächst das Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen. Bürgerinnen und Bürger fürchten den Missbrauch sensibler Daten – etwa durch Überwachung oder als Grundlage für Einwanderungskontrollen.

Auch Sicherheitsbedenken bezüglich Datenlecks und Cyberangriffen wirken sich negativ auf die Bereitschaft zur Teilnahme an Zählungen aus.

Zudem haben wichtige internationale Förderprogramme, wie das Demographic and Health Surveys (DHS)-Programm, in jüngster Zeit erhebliche finanzielle Einschnitte erlitten.

Folgen unvollständiger Bevölkerungsdaten für gesellschaftliche Resilienz

Die unzureichende Erfassung der Bevölkerung hat weitreichende Konsequenzen: Ohne genaue Daten sind Regierungen nicht in der Lage, Ressourcen zielgerichtet zu verteilen. Bildung, Gesundheitsversorgung und soziale Dienstleistungen leiden darunter.

Besonders in Krisenzeiten, etwa bei Pandemien oder Naturkatastrophen, führt die Datenlücke zu ineffizienten Reaktionen und erhöht soziale Ungleichheiten. Darüber hinaus wirkt sich die fehlende Repräsentation bestimmter Gruppen in den Daten negativ auf ihre politische Vertretung und Mitsprache aus.

Innovative Technologien und Vertrauen als Schlüssel zur Datenrettung

Die Autoren der Studie betonen, dass technologische Innovationen wie KI-gestützte Satellitenbildanalyse und digitale Erhebungsmethoden helfen können, kosteneffizientere und präzisere Volkszählungen durchzuführen.

Projekte in der Demokratischen Republik Kongo zeigen bereits erste Erfolge bei der Anwendung solcher Methoden. Gleichzeitig fordern die Forscher einen gezielten Wiederaufbau des öffentlichen Vertrauens.

Transparente Kommunikation über die Nutzung der Daten sowie aktive Bürgerbeteiligung sind unerlässlich, um die Akzeptanz und Teilnahmebereitschaft zu erhöhen.

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Eine Lupe fokussiert auf eine Gruppe von Menschen, symbolisiert die Herausforderung, alle Bevölkerungsgruppen präzise zu erfassen.

Bevölkerungsdaten als essentielle Infrastruktur moderner Gesellschaften

Die demografische Datenkrise ist eine Herausforderung globalen Ausmaßes. Nur durch koordinierte internationale Zusammenarbeit, gezielte Investitionen und technologische Fortschritte kann sichergestellt werden, dass alle Menschen erfasst werden.

Denn eine Gesellschaft, die ihre Mitglieder nicht zählt, riskiert, ihre sozialen und politischen Grundlagen zu schwächen – mit Folgen für Gerechtigkeit, Resilienz und nachhaltige Entwicklung.

Quelle

Espey, J. M., Tatem, A. J., & Thomson, D. R. (2025). Disappearing people: A global demographic data crisis threatens public policy. Science, 388(6753), 1277–1280. (Zugriff Juni 2025)