Supershear-Erdbeben in Myanmar: Das schnellste Beben seit zwei Jahrzehnten
Ende März bebte in Myanmar die Erde – mit katastrophalen Folgen: Tausende Menschen starben, die Schäden waren verheerend. Nun haben Forschende das Beben genauer untersucht und dabei festgestellt, dass es sich um eines der seltenen Supershear-Beben handelte.

Am 28. März 2025 erschütterte ein gewaltiges Erdbeben Myanmar. Mit einer Stärke von 7,7 forderte es über 3800 Menschenleben und hinterließ massive Zerstörungen. Selbst in Bangkok, mehr als 1000 Kilometer entfernt, stürzte ein Hochhaus-Rohbau ein, was die außergewöhnliche Intensität des Bebens verdeutlicht.
Eine internationale Forschungsgruppe unter Leitung von Felipe Vera vom GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung hat nun detailliert rekonstruiert, wie sich das Beben abspielte. Dabei kam heraus, dass die Bruchgeschwindigkeit ein Rekordniveau erreichte. Es handelte sich um das schnellste Supershear-Erdbeben seit 2002.
Rekonstruktion des Bruchs
Um die Ausmaße des Bebens zu ermitteln, verglichen die Forschenden Satellitenbilder mit Radaraufnahmen von vor und nach der Katastrophe. Die Bruchzone entlang der Sagaing-Verwerfung erreichte eine Länge von 500 Kilometern.

Auf der westlichen Seite bewegte sich der Boden nach Norden, auf der östlichen nach Süden. In der Nähe des Epizentrums bei Mandalay verschob sich die Erdoberfläche stellenweise um bis zu fünf Meter.
– Frederik Tilmann, Leiter der Sektion Seismologie am GFZ
„Wir konnten auf diese Weise genau nachverfolgen, zu welcher Zeit sich die Spitze des Bruchs an welchem Ort befand“, erklärt Frederik Tilmann, Mitautor der Studie und Leiter der Sektion Seismologie am GFZ.
Vom Normal- zum Extremfall
Üblicherweise breitet sich eine Bruchzone bei einem Erdbeben mit weniger als 3,5 Kilometern pro Sekunde aus, was rund 13.000 Stundenkilometern entspricht. Auch das Myanmar-Beben begann mit dieser Geschwindigkeit, mit der es sich vom Epizentrum aus nach Norden und Süden bewegte.
Doch nach rund 30 Sekunden stoppte der nördliche Teil. Der südliche hingegen beschleunigte dramatisch, auf mindestens 5,3 Kilometer pro Sekunde, fast 20.000 Stundenkilometer. Das ist schneller als die Geschwindigkeit seismischer Scherwellen und gilt als seismisches Äquivalent zur Überschallgeschwindigkeit.
Mit einer Gesamtdauer von etwa 80 Sekunden kann das Ereignis zu den seltenen Supershear-Beben gezählt werden.
Mach-Kegel und Fernwirkungen
Die extrem schnelle Bruchausbreitung führte zu einem besonderen Phänomen namens Mach-Kegel. Innerhalb eines dreieckigen Gebiets überlagerten sich seismische Wellen aus der gesamten Supershear-Phase und trafen gleichzeitig ein. Die Forscher konnten diesen Effekt erstmals klar nachweisen.
Besonders aufschlussreich war die Aufzeichnung einer seismischen Station in Nay Pyi Taw, nur zwei Kilometer von der Verwerfung entfernt. Die dortigen Sensoren registrierten einen abrupten Sprung von 160 Zentimetern in weniger als zwei Sekunden – und blieben dennoch intakt.

Eine derart nahe Messung bei einem Supershear-Beben ist weltweit eine Seltenheit und bestätigt die Werte der entfernten Stationen.
Entscheidende Vorgeschichte
Die Sagaing-Verwerfung gilt seit Langem als anfällig für Supershear-Brüche. Sie ist die längste gerade verlaufende Blattverschiebung der Erde: Bei dieser Gesteinsstruktur schieben sich die Erdplatten seitlich aneinander vorbei. Nur solche Verwerfungen sind in der Lage, solche extremen Bruchgeschwindigkeiten zu erzeugen.
Der Verlauf ist ebenfalls interessant: Der erste, langsamere Teil des Bruchs ereignete sich auf Abschnitten, die bereits bei großen Erdbeben 1946 und 1956 aktiv waren. Der superschnelle Abschnitt hingegen lag in der Sagaing-Lücke, einem Gebiet, das seit mehr als hundert Jahren kein großes Beben erlebt hatte und daher besonders gespannt war.
Typisches Muster: wenige Nachbeben
Trotz seiner Stärke verursachte das Erdbeben vergleichsweise wenige Nachbeben. Das ist ein weiteres Kennzeichen von Supershear-Brüchen. Da sich die Spannung bei der extrem schnellen und gleichmäßigen Ausbreitung großflächig entlädt, bleiben kaum Bereiche zurück, die sich später in Form kleinerer Beben lösen.
Mit dem Beben von Myanmar konnte die Forschung ein geophysikalisches Extremereignis dokumentieren. Es zeigt, wie wenig wir eigentlich über solche Superbeben wissen und wie wichtig internationale Zusammenarbeit ist, um sich darauf vorzubereiten.
Quellenhinweis:
Vera, F., et al. (2025): Supershear Rupture Along the Sagaing Fault Seismic Gap: The 2025 Myanmar Earthquake. The Seismic Record. 5(3), 289–299.