Supershear-Erdbeben in Myanmar: Das schnellste Beben seit zwei Jahrzehnten

Ende März bebte in Myanmar die Erde – mit katastrophalen Folgen: Tausende Menschen starben, die Schäden waren verheerend. Nun haben Forschende das Beben genauer untersucht und dabei festgestellt, dass es sich um eines der seltenen Supershear-Beben handelte.

Hauptverwerfungslinien der Region Myanmar. Der Stern markiert den Ort des Erdbebens vom 28. März 2025.
Hauptverwerfungslinien der Region Myanmar. Der Stern markiert den Ort des Erdbebens vom 28. März 2025. Bild: Vera et al., 2025

Am 28. März 2025 erschütterte ein gewaltiges Erdbeben Myanmar. Mit einer Stärke von 7,7 forderte es über 3800 Menschenleben und hinterließ massive Zerstörungen. Selbst in Bangkok, mehr als 1000 Kilometer entfernt, stürzte ein Hochhaus-Rohbau ein, was die außergewöhnliche Intensität des Bebens verdeutlicht.

Supershear-Erdbeben sind Erdbeben, bei denen sich der Bruch schneller ausbreitet als die seismischen Scherwellen. (Normalerweise entstehen Risse langsamer als die Scherwellen-Geschwindigkeit.) Dadurch entsteht ein seismischer Überschalleffekt, der zu besonders starken Bodenbewegungen führt.

Eine internationale Forschungsgruppe unter Leitung von Felipe Vera vom GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung hat nun detailliert rekonstruiert, wie sich das Beben abspielte. Dabei kam heraus, dass die Bruchgeschwindigkeit ein Rekordniveau erreichte. Es handelte sich um das schnellste Supershear-Erdbeben seit 2002.

Rekonstruktion des Bruchs

Um die Ausmaße des Bebens zu ermitteln, verglichen die Forschenden Satellitenbilder mit Radaraufnahmen von vor und nach der Katastrophe. Die Bruchzone entlang der Sagaing-Verwerfung erreichte eine Länge von 500 Kilometern.

Hauptverwerfungssysteme in Myanmar und den umliegenden Regionen (a). Verwerfungslinien der Sagaing-Verwerfung (SF) in Schwarz und Seismizität farblich nach Tiefe kodiert (b). Historische Erdbeben sind nach ihrem Auftrittsjahr und ihrer Breite dargestellt (c).
Hauptverwerfungssysteme in Myanmar und den umliegenden Regionen (a). Verwerfungslinien der Sagaing-Verwerfung (SF) in Schwarz und Seismizität farblich nach Tiefe kodiert (b). Historische Erdbeben sind nach ihrem Auftrittsjahr und ihrer Breite dargestellt (c). Bild: Vera et al., 2025

Auf der westlichen Seite bewegte sich der Boden nach Norden, auf der östlichen nach Süden. In der Nähe des Epizentrums bei Mandalay verschob sich die Erdoberfläche stellenweise um bis zu fünf Meter.

„Während uns die Analyse der Satellitenbilder ein statisches Bild der Auswirkungen des Erdbebens auf die Erdoberfläche liefert, nutzte das Team Erdbebenstationen in Europa, Japan, Australien und Alaska als seismische Antennen, um die Dynamik der Bruchausbreitung zu verfolgen.“

– Frederik Tilmann, Leiter der Sektion Seismologie am GFZ

„Wir konnten auf diese Weise genau nachverfolgen, zu welcher Zeit sich die Spitze des Bruchs an welchem Ort befand“, erklärt Frederik Tilmann, Mitautor der Studie und Leiter der Sektion Seismologie am GFZ.

Vom Normal- zum Extremfall

Üblicherweise breitet sich eine Bruchzone bei einem Erdbeben mit weniger als 3,5 Kilometern pro Sekunde aus, was rund 13.000 Stundenkilometern entspricht. Auch das Myanmar-Beben begann mit dieser Geschwindigkeit, mit der es sich vom Epizentrum aus nach Norden und Süden bewegte.

Doch nach rund 30 Sekunden stoppte der nördliche Teil. Der südliche hingegen beschleunigte dramatisch, auf mindestens 5,3 Kilometer pro Sekunde, fast 20.000 Stundenkilometer. Das ist schneller als die Geschwindigkeit seismischer Scherwellen und gilt als seismisches Äquivalent zur Überschallgeschwindigkeit.

Mit einer Gesamtdauer von etwa 80 Sekunden kann das Ereignis zu den seltenen Supershear-Beben gezählt werden.

Mach-Kegel und Fernwirkungen

Die extrem schnelle Bruchausbreitung führte zu einem besonderen Phänomen namens Mach-Kegel. Innerhalb eines dreieckigen Gebiets überlagerten sich seismische Wellen aus der gesamten Supershear-Phase und trafen gleichzeitig ein. Die Forscher konnten diesen Effekt erstmals klar nachweisen.

Die verstärkten Bodenbewegungen könnten erklären, warum selbst in Bangkok, mehr als 1000 Kilometer entfernt, ein Gebäude einstürzte. Normalerweise werden die Wellen auf derart langen Distanzen viel schwächer.

Besonders aufschlussreich war die Aufzeichnung einer seismischen Station in Nay Pyi Taw, nur zwei Kilometer von der Verwerfung entfernt. Die dortigen Sensoren registrierten einen abrupten Sprung von 160 Zentimetern in weniger als zwei Sekunden – und blieben dennoch intakt.

Mach-Kegel-Analyse unter Verwendung der Love-Wellen-Ausbreitung. Standorte der seismischen Stationen (Punkte) und das Epizentrum des Nachbebens (roter Stern), wobei der Mach-Kegel durch den schraffierten Bereich dargestellt ist.
Mach-Kegel-Analyse unter Verwendung der Love-Wellen-Ausbreitung. Standorte der seismischen Stationen (Punkte) und das Epizentrum des Nachbebens (roter Stern), wobei der Mach-Kegel durch den schraffierten Bereich dargestellt ist. Bild: Vera et al., 2025

Eine derart nahe Messung bei einem Supershear-Beben ist weltweit eine Seltenheit und bestätigt die Werte der entfernten Stationen.

Entscheidende Vorgeschichte

Die Sagaing-Verwerfung gilt seit Langem als anfällig für Supershear-Brüche. Sie ist die längste gerade verlaufende Blattverschiebung der Erde: Bei dieser Gesteinsstruktur schieben sich die Erdplatten seitlich aneinander vorbei. Nur solche Verwerfungen sind in der Lage, solche extremen Bruchgeschwindigkeiten zu erzeugen.

Die Sagaing-Region ist eine der 15 Verwaltungseinheiten Myanmars und liegt im Norden des Landes.

Der Verlauf ist ebenfalls interessant: Der erste, langsamere Teil des Bruchs ereignete sich auf Abschnitten, die bereits bei großen Erdbeben 1946 und 1956 aktiv waren. Der superschnelle Abschnitt hingegen lag in der Sagaing-Lücke, einem Gebiet, das seit mehr als hundert Jahren kein großes Beben erlebt hatte und daher besonders gespannt war.

Typisches Muster: wenige Nachbeben

Trotz seiner Stärke verursachte das Erdbeben vergleichsweise wenige Nachbeben. Das ist ein weiteres Kennzeichen von Supershear-Brüchen. Da sich die Spannung bei der extrem schnellen und gleichmäßigen Ausbreitung großflächig entlädt, bleiben kaum Bereiche zurück, die sich später in Form kleinerer Beben lösen.

Mit dem Beben von Myanmar konnte die Forschung ein geophysikalisches Extremereignis dokumentieren. Es zeigt, wie wenig wir eigentlich über solche Superbeben wissen und wie wichtig internationale Zusammenarbeit ist, um sich darauf vorzubereiten.

Quellenhinweis:

Vera, F., et al. (2025): Supershear Rupture Along the Sagaing Fault Seismic Gap: The 2025 Myanmar Earthquake. The Seismic Record. 5(3), 289–299.