Schamanin von Bad Dürrenberg: Archäologen weisen Federschmuck von vor 9000 Jahren nach

Die Schamanin von Bad Dürrenberg stellt einen der wichtigsten Funde aus der mitteleuropäischen Vorgeschichte dar. Nun konnten Archäologen in ihrem Grab Federn nachweisen, und auch, von welchen Vogelarten diese stammten.

Künstlerische Rekonstruktion des Ornats der Schamanin von Bad Dürrenberg mit Federschmuck.
Künstlerische Rekonstruktion des Ornats der Schamanin von Bad Dürrenberg mit Federschmuck. Bild: Karol Schauer/Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt

Das Grab der Schamanin von Bad Dürrenberg zählt zu den außergewöhnlichsten archäologischen Entdeckungen Mitteleuropas. Mit einem Alter von rund 9000 Jahren stammt es aus der spirituellen Welt der Mittelsteinzeit. Bei neuesten Untersuchungen wurden nun winzige Spuren von Federn festgestellt.

Bei der Schamanin von Bad Dürrenberg handelt es sich um den Leichnam einer rund 30- bis 40-jährigen Frau, die mit ihrem etwa sechs Monate alten Kind im Arm bestattet wurde. Reiche Beigaben wie Tierzähne oder Geweihobjekte sowie die aufwendige Grablegung deuten auf eine herausragende gesellschaftliche Stellung hin.

Das Grab wurde bereits 1934 entdeckt, eher zufällig und unter ungünstigen Umständen. Bei Kanalarbeiten im heutigen Kurpark von Bad Dürrenberg waren Arbeiter auf die kleine Bestattungsgrube gestoßen. Die Bergung musste innerhalb eines einzigen Nachmittags erfolgen, weshalb zahlreiche Details unentdeckt geblieben oder nicht dokumentiert worden sind.

Mehr als acht Jahrzehnte später bot sich dann eine zweite Chance. Ab 2019 wurde der Kurpark im Vorfeld der Landesgartenschau archäologisch untersucht, sodass die ursprüngliche Fundstelle genau verortet werden konnte. Teile der Grabgrube, die 1934 unberührt geblieben waren, konnten nun als Block geborgen und unter Laborbedingungen analysiert werden.

Federn als Kopfschmuck

Die neuen Untersuchungen machten das Grab von Bad Dürrenberg zu einem der am besten erforschten archäologischen Befunde seiner Zeit. Spektakulär sind etwa die vielen organischen Materialien, die normalerweise kaum erhalten bleiben. Dazu zählen auch Federn, als besonders fragile Zeugnisse prähistorischer Kleidung und Symbolik. Mit der Analyse wurde Tuija Kirkinen von der Universität Helsinki betraut, eine international führende Expertin auf dem Gebiet.

Unter dem Mikroskop ließen sich Bogen- und Hakenstrahlen nachweisen, winzige Strukturelemente von Federn, durch die Federn stabil werden. Sie sind oft kleiner als einen Millimeter und bleiben nur unter günstigen Bedingungen erhalten.

Im Kopfbereich der Bestatteten fanden sich Reste von Gänsefedern. Sie stammen mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Kopfschmuck, der einst Teil der rituellen Ausstattung war. Damit wird erstmals materiell greifbar, was zuvor nur vermutet werden konnte, nämlich dass Federn eine wichtige Rolle im Erscheinungsbild der Schamanin spielten.

Federfragmente von Bad Dürrenberg A) Unidentifizierbarer Bogen-/Hakenstrahl, B) Bogen-/Hakenstrahl von einer Wasservogelfeder, wahrscheinlich Gans, C) Bogen-/Hakenstrahlen von Singvögeln, D) Bogen-/Hakenstrahl von Hühnerartigen.
Federfragmente von Bad Dürrenberg A) Unidentifizierbarer Bogen-/Hakenstrahl, B) Bogen-/Hakenstrahl von einer Wasservogelfeder, wahrscheinlich Gans, C) Bogen-/Hakenstrahlen von Singvögeln, D) Bogen-/Hakenstrahl von Hühnerartigen. Bild: Tuija Kirkinen

Bemerkenswert ist, dass die Funde frühere Rekonstruktionen bestätigen. Der Künstler Karol Schauer hatte bereits vor Jahren für das Landesmuseum für Vorgeschichte Halle ein Bild der Schamanin mit Federschmuck entworfen, das sich auf ethnologische Vergleiche stützte. Die Mikrofunde liefern nun die naturwissenschaftliche Grundlage dafür.

Weitere Kultstätte in der Nähe

Federn tauchen auch in einem zweiten Zusammenhang auf. Unmittelbar vor der eigentlichen Grabgrube entdeckten Archäologen eine weitere, jüngere Grube. Sie war offenbar rund 600 Jahre nach der Bestattung angelegt worden und enthielt zwei Masken aus Hirschgeweih. Auch diese Grube wurde im Block geborgen und sorgfältig untersucht.

An einer der Masken fanden sich Federreste von Singvögeln und Hühnervögeln wie Auerhuhn, Birkhuhn oder Moorschneehuhn. An der zweiten Maske konnten zusätzlich Bastfasern nachgewiesen werden.

Geweih, Bast und Federn sprechen für aufwendige, maskenartige Kopfbedeckungen. Offenbar blieb die Schamanin über Jahrhunderte hinweg eine bedeutende Figur, der man noch lange nach ihrem Tod kostbare Opfer darbrachte. Das Grab entwickelte sich damit zu einem Ort des rituellen Gedenkens.

Besonderes Skelett

Neben den materiellen Funden weisen auch anatomische Untersuchungen auf die besondere Rolle der Frau hin. Ihr Skelett etwa weist Fehlbildungen an den oberen Halswirbeln auf. Möglicherweise konnte sie durch bestimmte Kopfhaltungen körperliche Effekte wie einen Nystagmus auslösen, das sind unwillkürliche Augenbewegungen, die eventuell als Zeichen veränderter Bewusstseinszustände gedeutet wurden.

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse fließen in die große Sonderausstellung „Die Schamanin“ ein, die ab dem 27. März 2026 im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle zu sehen sein wird. Die Schau widmet sich neben der außergewöhnlichen Bestattung von Bad Dürrenberg auch den frühesten Spuren schamanistischer Praktiken in Europa.

Auf rund 900 Quadratmetern zeichnet die Ausstellung ein lebendiges Bild der Mittelsteinzeit – einer Epoche tiefgreifender Umbrüche, in der sich Menschen an neue Umweltbedingungen anpassen mussten und in der spirituelle Spezialisten offenbar eine wichtige Rolle spielten.

Quellenhinweis:

Kirkinen, T. (2025): Remains of feathers in Mesolithic burials, in: Jöris, O., Dietrich, O., Risch, R., Meller, H. (Hrsg.): Zur Geschichte der Kleidung in der Steinzeit – A Stone Age history of clothing. 17. Mitteldeutscher Archäologentag vom 26. bis 28. September 2024 in Halle (Saale). Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle, 33, 159–169.