Rätselhafte Irrlichter: Forscher entdecken die Zündquelle der geisterhaften Flammen

Seit Jahrhunderten berichten Menschen von flackernden bläulichen Flammen, die in dunklen Nächten über Sümpfen, Friedhöfen oder Moorlandschaften schweben. Das geisterhafte Leuchten der Irrlichter ist jedoch kein Spuk, sondern geht auf natürliche Ursachen zurück.

Illustration eines Irrlichts, Kupferstich aus dem Jahr 1811.
Illustration eines Irrlichts, Kupferstich aus dem Jahr 1811. Bild: Gallery Nature & Art/Pether/I. W. Cook

Irrlichter inspirieren seit Jahrhunderten Geschichten von Geistern, Kobolden oder Seelen, die durch Landschaften streifen. Doch hinter dem vermeintlich Übernatürlichen steckt ein erstaunlich irdisches Naturphänomen.

Irrlichter – oder Ignis fatuus – sind Leuchterscheinungen, die oft in Sümpfen, Mooren und auf Friedhöfen gesichtet werden. Früher wurden sie für umherirrende Seelen gehalten. Heute werden als Ursachen Biolumineszenz sowie Faul- und Sumpfgase diskutiert.

Eine Forschungsteam um Yu Xia von der chinesischen Jianghan Universität in Wuhan hat nun erstmals eine physikalisch plausible Erklärung gefunden, wie die geisterhaften Flammen entstehen.

Wie entzündet sich das Methan?

Bereits seit dem 18. Jahrhundert ist bekannt, dass die flackernden Lichter in Sumpfgebieten damit zusammenhängen, dass sich organische Materie zersetzt. Wenn Pflanzenreste und andere Biomasse im nassen Boden verfaulen, entsteht dabei Methan – Hauptbestandteil des Sumpfgases. Das Gas steigt in winzigen Blasen an die Oberfläche und kann unter bestimmten Bedingungen verbrennen.

Doch rätselhaft blieb weiterhin, was die Zündquelle war, die das Methan in der kühlen, feuchten Nachtluft überhaupt entzündet. Offene Flammen oder heiße Oberflächen gab es schließlich nicht.

Die Wissenschaftler bauten eine Art Irrlicht-Maschine, die das natürliche Phänomen im Labor nachahmen sollte: In einem Wasserbehälter erzeugten sie mit einer feinen Düse mikroskopisch kleine Gasblasen, die Methan enthielten. Mithilfe von Hochgeschwindigkeitskameras filmten sie den Aufstieg der Blasen und analysierten die Vorgänge an ihren Grenzflächen.

Mehrere Mikroblitze, die zwischen benachbarten Methan-Luft-Mikroblasen unter Bedingungen mit hoher Blasenbildung auftreten. Das dazugehörige Video wurde mit einer Hochgeschwindigkeitskamera mit 24.000 Bildern pro Sekunde aufgenommen.
Mehrere Mikroblitze, die zwischen benachbarten Methan-Luft-Mikroblasen unter Bedingungen mit hoher Blasenbildung auftreten. Das dazugehörige Video wurde mit einer Hochgeschwindigkeitskamera mit 24.000 Bildern pro Sekunde aufgenommen. Bild: Xia et al., 2025

Dabei entdeckten sie, dass sich, wenn die winzigen Methanblasen im Wasser aufsteigen, an der gekrümmten Grenzfläche zwischen Gas und Flüssigkeit elektrische Ladungen ansammeln. Wenn zwei solcher Blasen aufeinandertreffen, verschmelzen oder zerplatzen, kommt es zur Ladungstrennung. Manche Blasen tragen eine positive, andere eine negative elektrische Ladung. Wenn sie sich schließlich berühren oder platzen, entladen sie sich – und es kommt zu winzigen Funken bzw. Mikroblitzen.

Schematische Darstellung (oben) und Hochgeschwindigkeitsaufnahmen (unten), die zwei benachbarte Blasen zeigen, die sich annähern, sowie einen lokalisierten Blitz, der bei 0,05 ms aufgenommen wurde (Maßstab: 150 µm).
Schematische Darstellung (oben) und Hochgeschwindigkeitsaufnahmen (unten), die zwei benachbarte Blasen zeigen, die sich annähern, sowie einen lokalisierten Blitz, der bei 0,05 ms aufgenommen wurde (Maßstab: 150 µm). Bild: Xia et al., 2025

Die Mikroblitze sind zwar nur für Bruchteile einer Millisekunde sichtbar, doch ihre Energie reicht aus, um das Methan zu entzünden. Das Gas verbrennt dann bei niedriger Temperatur in einer kalten Flamme mit einem charakteristischen blau-violetten Leuchten, das dann als Irrlicht wahrgenommen wird.

Unsere Ergebnisse liefern eine wissenschaftliche Grundlage für Ignis fatuus und enthüllen einen allgemeinen Mechanismus, durch den elektrifizierte Grenzflächen chemische Reaktionen in natürlichen Umgebungen ohne externe Zündquelle antreiben können.

In den Experimenten treten solche Mikroblitze außer bei Methan auch bei anderen Gasgemischen auf, etwa bei Wasserstoff-Luft-Mischungen. Demnach könnten die elektrischen Entladungen an der Wasseroberfläche ein bisher übersehener natürlicher Vorgang sein. Ob dabei Flammen gebildet oder lediglich chemische Reaktionen ausgelöst werden, hängt vom jeweiligen Gasgemisch und den Umweltbedingungen ab.

Versuchsaufbau für Methan-Luft-Blasenbildung mit optischem Zugang. Die Bildgebung erfolgt durch eine seitliche 20-fache Mikroskoplinse, die so positioniert ist, dass sie den Blasenbereich im Tank erfasst. Die Pfeile zeigen die Strömungsrichtungen an.
Versuchsaufbau für Methan-Luft-Blasenbildung mit optischem Zugang. Die Bildgebung erfolgt durch eine seitliche 20-fache Mikroskoplinse, die so positioniert ist, dass sie den Blasenbereich im Tank erfasst. Die Pfeile zeigen die Strömungsrichtungen an. Bild: Xia et al., 2025

Die Entdeckung könnte auch über die Irrlichter hinaus von Bedeutung sein. Es wird nämlich gezeigt, dass selbst in eher ruhigen, feuchten Umgebungen starke elektrische Felder entstehen können. Bei den kleinräumigen Phänomenen werden Mikroreaktionen ausgelöst, die möglicherweise auch in anderen natürlichen Prozessen stattfinden, etwa bei reaktiven Molekülen in Ozeanen oder der chemischen Umwandlung von Treibhausgasen.

Damit ist ein jahrhundertealtes Rätsel gelöst: Was Menschen über Generationen hinweg für Geisterlichter hielten, sind in Wahrheit winzige elektrische Funken an der Oberfläche von Methanblasen – mikroskopische Blitze, die aus den Tiefen der Natur selbst entspringen.

Quellenhinweis:

Xia, Y., Meng, Y., Shi, J., & Zare, R. N. (2025): Unveiling ignis fatuus: Microlightning between microbubbles. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) U.S.A. 122, 41, e2521255122.