Plastikmüll im Ozean: Wird es bald biologisch abbaubaren Kunststoff geben? Experten forschen an neuen Materialien

Einmal in der Umwelt, bleibt Plastik über Jahrzehnte hinweg erhalten. Es wird nicht biologisch abgebaut, sondern zersetzt sich zu Mikro- und Nanoplastik. Wissenschaftler arbeiten daher an biologisch abbaubaren Alternativen.

Schätzungsweise drei bis fünf Prozent des weltweit produzierten Plastiks landen in der Umwelt.
Schätzungsweise drei bis fünf Prozent des weltweit produzierten Plastiks landen in der Umwelt. Bild: A_Different_Perspective/Pixabay

Im Jahr 2022 wurden weltweit rund 400 Millionen Tonnen Plastik produziert. Drei bis fünf Prozent davon gelangen unkontrolliert in die Umwelt, mit gravierenden Folgen für Meeresökosysteme, Tourismusregionen und Fischerei. Durch den Plastikmüll werden die Lebensgrundlagen von rund zwei Milliarden Menschen, die nicht an ein funktionierendes Abfallsystem angeschlossen sind, direkt bedroht.

Plastik bleibt über Jahrzehnte erhalten und zersetzt sich zu Mikro- und Nanoplastik. Damit verschärft sich die Problematik von Jahr zu Jahr.

Auch wenn sofort drastische Maßnahmen zur Reduktion des Plastikkonsums ergriffen würden, rechnet man bis 2040 mit über 700 Millionen Tonnen zusätzlichen Kunststoffabfällen in aquatischen und terrestrischen Ökosystemen.In einer aktuellen Analyse, veröffentlicht im Fachjournal Sustainable Chemistry and Pharmacy, plädieren Forschende des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) für die Entwicklung biologisch abbaubarer Kunststoffe.

Die Umweltwissenschaftlerin Rebecca Lahl und der Nachhaltigkeitsforscher Raimund Bleischwitz haben bestehende Maßnahmen gegen Plastikmüll kritisch geprüft. Abfallmanagement-Konzepte, Recyclinginitiativen und technische Lösungen wie Plastikmüllfänger seien zwar ein guter erster Schritt, greifen jedoch zu kurz.

„Diese Maßnahmen müssen weiterhin umgesetzt und ausgebaut werden, sie reichen aber nicht, um das Plastikproblem zu bewältigen. Unser Lösungsvorschlag setzt viel früher an – nämlich bei der Entwicklung der für die Plastikproduktion eingesetzten Chemikalien und Materialien.“ – Rebecca Lahl, Erstautorin der Studie

Der vorgeschlagene Paradigmenwechsel folgt dem Konzept Safe and Sustainable by Design (SSbD). Der EU-Standard ist im Green Deal der Europäischen Kommission verankert und fordert eine umfassende Nachhaltigkeitsbewertung von Produkten über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg. Dabei sollen von Beginn an sichere, umweltverträgliche Materialien entwickelt werden wie etwa Kunststoffe, die unweigerlich in die Umwelt gelangen werden.

Drei Generationen von Kunststoffen

Biologisch abbaubare Kunststoffe nach SSbD-Kriterien stellen eine zusätzliche Strategie zur Bewältigung des Plastikmülls in den Ozeanen, aber auch an Land dar, sagt Rebecca Lahl Erstautorin der Studie.

„So können neue Materialien geschaffen werden, die von Natur aus sicher für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sind und gleichzeitig die langfristige ökologische, wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit fördern.“ – Co-Autor Raimund Bleischwitz, Experte für Kreislaufwirtschaft am ZMT

Die Forschenden sprechen von einer dritten Generation biologisch abbaubarer Kunststoffe. Die erste Generation in den 1970er- und 1980er-Jahren sei gescheitert, weil sie auf den langlebigen Polymeren der ewigen Kunststoffe basierte. In den 1990ern folgte die zweite Generation, die von natürlichen Polymeren wie Proteinen oder Polysacchariden inspiriert war. Doch auch diese Materialien machen nur einen Bruchteil des Marktes aus und eignen sich nicht für einen großflächigen Einsatz.

Die neue, dritte Generation soll diesen Mangel zu überwinden, was allerdings klare regulatorische Rahmenbedingungen voraussetzt. Noch existieren diese innovativen Kunststoffe nicht, doch wenn künftig verbindliche Anforderungen an Abbaubarkeit gelten, könnten Unternehmen gezwungen werden, Materialien grundlegend neu zu denken.

„Wer die Entwicklungen bei den herkömmlichen Kunststoffen analysiert, wird feststellen, dass das Design der Produkte in den letzten Jahrzehnten immer raffinierter und besser geworden ist. Eine einfache Folie zur Verpackung von Fleisch oder Käse besteht heute aus mehreren verschiedenen Schichten, die diese Folie zu einem Hightech-Produkt machen. Auf dieses neue Gestaltungspotenzial setzen.“ – Rebecca Lahl, Erstautorin der Studie

Konkret schlagen die Forschenden vor, biologisch abbaubare Kunststoffe nach SSbD vor allem für Produkte zu entwickeln, die besonders häufig in die Umwelt gelangen. Dazu zählen Mikroplastik in Kosmetika, Farben oder Gummierzeugnissen, landwirtschaftliche Folien, Fischernetze, Textilien für den Wassereinsatz und ausgewählte Lebensmittelverpackungen.

Für diese Vision müsste die Kunststoffindustrie tiefgreifend transformiert werden. Die ZMT-Expert:innen setzen dabei auf einen bewährten Mechanismus: „Es gibt viele Beispiele, vor allem auf EU-Ebene, bei denen Innovationen durch ehrgeizige Standards erst angestoßen wurden“, sagt Raimund Bleischwitz, Professor für Globale Nachhaltige Ressourcen an der Universität Bremen.

„In der Vergangenheit wurden etwa für Industrieanlagen oder Autos Emissionsgrenzwerte festgelegt, für die die notwendige Technik erst nachträglich entwickelt wurde“, so Bleischwitz. Dieser Weg sei nicht einfach, aber machbar, wenn Regulierung und Forschung Hand in Hand gehen.

Quellenhinweis:

Lahl, R., Bleischwitz, R., Lahl, U., Zeschmar-Lahl, B. (2025): Third-generation biodegradable plastics – A complementary strategy to tackle the marine litter problem. Sustainable Chemistry and Pharmacy 44, 101925.