Letzte Rettung gegen sauerstoffarme Gewässer? Forscher diskutieren künstliche Sauerstoffzufuhr im Meer
Zunehmende Algenblüten, immer öfter kommt es zum Fischsterben – kann eine künstliche Sauerstoffzufuhr diese Entwicklung aufhalten? Inzwischen wird untersucht, wie realistisch ein solches Vorhaben wäre und welche technischen Verfahren zur Verfügung stehen.

Sauerstofffreie Zonen, sogenannte Todeszonen, breiten sich aus, Fischbestände gehen zurück, Laichgebiete verschwinden und giftige Blaualgenblüten nehmen zu. Die Ostsee dient als mahnendes Beispiel. Könnte eine künstliche Sauerstoffzufuhr das Problem lösen?
Im Meer könnte die Sauerstoffzufuhr durch den Menschen zwar punktuell Linderung verschaffen, doch Forschende warnen vor überzogenen Erwartungen: „Die künstliche Sauerstoffzufuhr kann keine Wunder bewirken. Sie lindert vorübergehend Symptome, bekämpft aber nicht die Ursachen“, sagt Prof. Dr. Andreas Oschlies, Professor für Marine Biogeochemische Modellierung am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.
Gemeinsam mit Prof. Dr. Caroline P. Slomp von der Radboud Universität in den Niederlanden leitet Oschlies das Global Ocean Oxygen Network (GO2NE), ein internationales Expertengremium der UNESCO. Das Netzwerk analysiert Ursachen und Folgen des Sauerstoffverlustes in den Ozeanen und veröffentlichte kürzlich die Ergebnisse eines internationalen Workshops zur künstlichen Sauerstoffanreicherung im Fachjournal EOS.
Die Ursachen des Sauerstoffmangels sind bekannt
Hauptsächlich erhalten Küstenmeere ihren Sauerstoff über den Luft-Wasser-Austausch sowie durch Photosynthese von Phytoplankton. Doch je tiefer das Wasser wird, desto schwieriger gelangt Sauerstoff dorthin. Der Abbau organischen Materials durch Bakterien verbraucht zusätzlich Sauerstoff, besonders dann, wenn übermäßige Nährstoffeinträge aus Landwirtschaft und Abwässern das Algenwachstum befeuern.
Hinzu kommt der Einfluss der Klimaerwärmung: Warmes Wasser kann weniger Sauerstoff aufnehmen, und stabile Temperaturunterschiede zwischen Wasseroberfläche und Tiefenschichten verhindern eine ausreichende Durchmischung.
– Prof. Dr. Andreas Oschlies, Professor für Marine Biogeochemische Modellierung am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
Zwei technische Verfahren stehen derzeit im Fokus: die sogenannte Bubble Diffusion, bei der Luft oder reiner Sauerstoff ins Wasser eingeblasen wird, und das künstliche Downwelling, bei dem sauerstoffreiches Oberflächenwasser in die Tiefe gepumpt wird. Beide Methoden wurden lokal getestet, mit durchaus positiven Effekten. Doch diese sind meist nur von kurzer Dauer.
Nur kurzfristige Wirkung
„In Seen, flachen Flussmündungen oder kleinen Buchten kann dieser künstliche Sauerstoffeintrag erfolgreich angewendet werden. Doch die Wirkung hält nur so lange an, wie der Betrieb aufrechterhalten wird“, erklärt Slomp. Ein drastisches Beispiel liefert die Chesapeake Bay in den USA: Nach dem Abschalten einer Belüftungsanlage fiel der Sauerstoffgehalt innerhalb eines Tages auf das ursprüngliche Niveau zurück.
Darüber hinaus gibt es ökologische Risiken. So kann durch das Einblasen von Luft Methan, ein potentes Treibhausgas, freigesetzt werden. Auch eine veränderte Temperatur- und Salzverteilung oder Unterwasserlärm könnten weitere Störungen verursachen. „Diese Verfahren dürfen nur nach gründlicher Prüfung und mit begleitender Umweltüberwachung eingesetzt werden“, warnt Oschlies.
Durch den geplanten Ausbau von Elektrolyseanlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff flammen aktuell wieder Diskussionen auf. Denn bei der Elektrolyse entsteht Sauerstoff als Nebenprodukt, der theoretisch zur Anreicherung im Meer genutzt werden könnte.
Doch auch hier mahnen die Forschenden zur Zurückhaltung: Technische Lösungen könnten unter bestimmten Voraussetzungen ergänzend helfen, dürfen jedoch nicht als Ersatz für grundlegende Maßnahmen verstanden werden.
– Prof. Dr. Caroline P. Slomp von der Radboud Universität
Eine dauerhafte Verbesserung ist nur möglich, wenn die Hauptursachen bekämpft werden. Dazu gehören ein entschlossener Klimaschutz und eine nachhaltige Reduktion der Nährstoffbelastung der Meere. Solche Maßnahmen erfordern politischen Willen und gesellschaftliches Umdenken.
Quellenhinweis:
Slomp, C. P., & Oschlies, A. (2025): Could bubbling Oxygen revitalize dying coastal seas? Eos.