Kalter Fleck: Mitten im Nordatlantik gibt es eine Gegend, die sich immer weiter abkühlt, statt aufheizt

Seit mehr als einem Jahrhundert rätseln Wissenschaftler, was es mit dem sogenannten Kalten Fleck im nördlichen Atlantik auf sich hat. Eine neue Studie zeigt nun, dass die immer schwächer werdende Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation (AMOC) der Grund dafür sein könnte.

Meeresoberflächentemperaturen
Atlantische Trends der Meeresoberflächentemperaturen in Beobachtungen: Der Kalte Fleck ist deutlich sichtbar. Bild: Li & Liu, 2025

Der Kalte Fleck ist ein unerklärliches Kältephänomen im Nordatlantik, das Wissenschaftler bereits seit über 100 Jahren beschäftigt. Während sich die Weltmeere insgesamt erwärmen, bleibt dieses Gebiet südlich von Grönland eigentümlich kühl. Ursache dafür könnte laut einer neuen Studie die allmähliche Abschwächung der Atlantischen Meridionalen Umwälzzirkulation (AMOC) sein.

Die Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation (AMOC) ist ein gewaltiges Strömungssystem im Atlantik. Es transportiert warmes, salzreiches Wasser aus den Tropen nach Norden und führt kälteres Tiefenwasser nach Süden zurück. Der ozeanische Fördermechanismus ist ein zentraler Regulator des globalen Klimas.

„Die Leute haben sich gefragt, warum dieser Kalte Fleck existiert“, sagt Wei Liu, Klimaforscher an der University of California, Riverside und Hauptautor der Studie. „Wir haben festgestellt, dass die wahrscheinlichste Antwort eine abschwächende AMOC ist.“

Die neue Studie, veröffentlicht in Communications Earth & Environment, basiert auf der Analyse von über 100 Jahren Temperatur- und Salzgehaltsdaten. Direkte Messungen der AMOC gibt es erst seit rund zwei Jahrzehnten. Durch langjährige Beobachtungen der Meeresoberfläche lässt sich zudem auf die Stärke der Zirkulation schließen.

Temperatur- und Salzgehaltstrends
Temperatur- und Salzgehaltstrends im Atlantik in Beobachtungen und CMIP5/6-Modellen. Bild: Li & Liu, 2025

Die Wissenschaftler verglichen reale Beobachtungsdaten mit nahezu 100 verschiedenen Klimamodellen. Dabei kam heraus, dass nur jene Modelle, die eine geschwächte AMOC annahmen, die beobachtete Abkühlung südlich von Grönland realitätsgetreu nachbilden konnten. Modelle mit einer stabilen oder verstärkten AMOC zeigten hingegen größere Abweichungen.

„Es ist eine sehr robuste Korrelation. Wenn man sich die Beobachtungen anschaut und sie mit allen Simulationen vergleicht, reproduziert nur das Szenario einer geschwächten AMOC die Abkühlung in dieser Region.“

– Kai-Yuan Li, Doktorand am Department of Earth and Planetary Sciences an der University of California, Riverside, Mitautor der Studie

Die Studie zeigt außerdem, dass die Abschwächung der AMOC mit einer Abnahme des Salzgehalts in der Region einhergeht, was ein weiteres Indiz dafür ist, dass weniger warmes, salzreiches Wasser aus dem Süden einströmt.

Weil das Gebiet südlich von Grönland extrem sensibel für Veränderungen im ozeanischen System ist, wären die weiteren Entwicklungen fatal: Eine schwächelnde AMOC würde sowohl das marine Ökosystem verändern als auch das Wetter in Europa beeinflussen. Dazu zählen etwa Verschiebungen des Jetstreams – der starke Höhenwind lenkt Wettersysteme und reguliert Temperaturen in Nordamerika und Europa mit.

Klimamodelle fehlerhaft?

Zugleich kritisiert die Studie jüngere Klimamodelle. Viele neuere Simulationen, besonders solche, die von sinkenden Aerosolemissionen ausgehen, prognostizieren eine verstärkte AMOC und führen die Abkühlung auf atmosphärische Ursachen zurück. Doch diese Modelle scheitern daran, die tatsächliche Entwicklung zu erklären.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass nur Modelle mit einer geschwächten AMOC richtig liegen. Das bedeutet, dass viele der jüngsten Modelle zu empfindlich auf Veränderungen bei Aerosolen reagieren und für diese Region weniger zuverlässig sind.“

– Wei Liu, Klimaforscher am Department of Earth and Planetary Sciences der University of California, Riverside, Hauptautor der Studie

Damit klärt die Untersuchung nicht nur ein jahrzehntealtes Rätsel auf. Sie liefert auch wichtige Anhaltspunkte, um künftige Klimaprognosen zu verbessern, insbesondere für Europa, wo die AMOC eine prägende Rolle spielt.

Temperatur- und Salzgehaltstrendunterschiede
Temperatur- und Salzgehaltstrendunterschiede im Atlantik zwischen AMOC- und AMOC+. Unterschiede der Ozeantemperaturtrends über 1900-2005 (Farbschattierung in °C je Jahrhundert) auf der Grundlage historischer Simulationen. Bild: Li & Liu, 2025

Obwohl direkte Messdaten über die AMOC nur begrenzt vorhanden sind, lassen sich aus indirekten Indikatoren wie Trends bei Temperatur und Salzgehalt langfristige ozeanische Veränderungen ableiten. „Wir haben zwar keine direkten Beobachtungen, die ein Jahrhundert zurückreichen, aber die Temperatur- und Salzgehaltsdaten ermöglichen uns einen klaren Blick in die Vergangenheit“, erklärt Li.

Diese Arbeit zeigt, dass die AMOC seit mehr als einem Jahrhundert schwächer wird – und dieser Trend dürfte sich fortsetzen, wenn die Treibhausgasemissionen weiter steigen.

Angesichts dessen könnte der Kalte Fleck südlich von Grönland künftig noch bedeutender werden. Die Studie stellt daher ein Weckruf für Politik und Gesellschaft dar, sich auf ein sich veränderndes Klimasystem besser vorzubereiten.

Quellenhinweis:

Li, K. Y., & Liu, W. (2025): Weakened Atlantic Meridional Overturning Circulation causes the historical North Atlantic Warming Hole. Communications Earth & Environment, 6, 416.