Hitze: Die unsichtbare Gesundheitsgefahr – Ärzte fordern entschlossenere Maßnahmen
Europa erwärmt sich schneller als jede andere Region der Welt. Im Sommer 2022 etwa waren allein in Deutschland rund 9100 Menschen an den Folgen von Hitze gestorben. Ärzte warnen nun, dass diese Entwicklung gravierende gesundheitliche Folgen haben wird.

Extreme Hitzeperioden fordern längst jährlich Tausende Menschenleben, doch effektive Schutzmaßnahmen bleiben vielerorts aus. Besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen sind gefährdet, ältere und chronisch kranke Menschen sowie Personen mit Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen. Anders als das RKI errechneten Forscher nun neue Daten für das Jahr 2022 in Deutschland.
Mit der neuen Berechnung kommen die Experten der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) sowie des Helmholtz-Zentrums München auf 9100 Sterbefälle für das Jahr 2022, das sind ebenso viele wie in den Sommern 2006, 2015 und 2019. Allein im historischen Rekordsommer 2003 sowie im Extremsommer 2018 lagen die hitzeassoziierten Sterbefälle mit 11.600 beziehungsweise 10.700 deutlich darüber. Im Mittel weisen die Jahrgänge nur etwa 3800 hitzeassoziierte Sterbefälle auf.
Da die Statistiken meist auf wöchentlichen Daten und unsicheren Temperaturschwellen beruhen, haben frühere Berechnungen die Zahl der hitzebedingte Todesfälle oft unterschätzt. Diesmal nutzten die Forschenden tägliche Sterbe- und Temperaturdaten, um kurzzeitige Hitzewellen – von oft nur wenigen Tagen – besser erfassen zu können.

„Hitze ist das größte durch den Klimawandel bedingte Gesundheitsrisiko in Deutschland – und es trifft eine zunehmend vulnerable Bevölkerung“, warnt Dr. med. Martin Herrmann, Vorsitzender der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG e. V.). Besonders ältere und chronisch kranke Menschen sind gefährdet, da sie mit zunehmendem Alter ihre Fähigkeit verlieren, die Körpertemperatur effektiv zu regulieren.
Hitze für viele lebensbedrohlich
Zudem leiden viele Menschen an Herz-Kreislauf-, Nieren- oder Lungenerkrankungen, die sich durch hohe Temperaturen verschärfen. Medikamente wie Diuretika oder Blutdrucksenker können die körpereigene Wärmeregulation zusätzlich beeinträchtigen.
– Martin Herrmann, Vorsitzender der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG e. V.)
Kognitive Einschränkungen, Immobilität und soziale Isolation erhöhen das Risiko weiter. Die Folgen reichen von Dehydrierung über Herzinfarkte bis hin zu plötzlichen Todesfällen.
Hitzeschutz notwendig – aber wie?
Trotz der bedrohlichen Zunahme spielt der gesundheitliche Hitzeschutz bisher kaum eine Rolle in politischen Debatten. Patientinnen und Patienten müssten gezielt in Kliniken und Praxen über Hitzefolgen aufgeklärt werden, fordert Herrmann. Darüber hinaus müsse eine klimasensible Gesundheitsberatung etabliert werden.
Darüber hinaus müssten etwa Medikamente klimabewusst ausgewählt und dosiert werden, unnötige medizinische Eingriffe sollten vermieden und pflanzenbetonte Ernährung in Versorgungseinrichtungen gefördert werden. Darüber hinaus müsse das Wissen über Klima- und Gesundheitsthemen fester Bestandteil in Kliniken und Praxen werden.
Dr. Herrmann fasst die Herausforderung prägnant zusammen: „Wir müssen aufhören, Hitze als Ausnahmesituation zu behandeln. Sie ist Teil unseres Alltags. Und den müssen wir medizinisch gestalten – bevor er uns gesundheitlich überfordert.“
Quellenhinweis:
Huber, V., Breitner-Busch, S., He, C., Matthies-Wiesler, F., Peters, A., & Schneider, A. (2024): Heat-related mortality in the extreme summer of 2022—an analysis based on daily data. Deutsches Ärzteblatt International, 121, 79–85.