Willkommen in der Hitzehölle“ – Wie der STRESS-Raum der Biennale die Klimakrise fühlbar macht

Was passiert, wenn Hitze nicht erklärt, sondern gefühlt wird? Der STRESS-Raum der Biennale 2025 lässt Besucher die Klimakrise am eigenen Körper spüren – und fordert radikales Umdenken.

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Der STRESS-Raum im Deutschen Pavillon der Biennale 2025 macht die urbane Hitzebelastung physisch spürbar – ein eindrucksvolles Szenario für eine Stadt unter Klimadruck.

Die 19. Internationale Architekturausstellung der Biennale in Venedig steht 2025 unter dem Leitthema 'Intelligence: Natural, Artificial, Collective'.

In diesem Rahmen setzt der Deutsche Pavillon mit seiner Ausstellung STRESSTEST ein deutliches Zeichen: Städte sind Brennpunkte des Klimawandels – und Hitze ist eine der zentralen Herausforderungen.

Besonders eindrucksvoll gelingt die Auseinandersetzung mit diesem Thema im sogenannten STRESS-Raum.

Dieser Teil der Ausstellung konfrontiert die Besucher mit den meteorologischen und physiologischen Realitäten extremer Hitze – nicht als abstraktes Szenario, sondern als physisch spürbare Erfahrung.

Der Urban Heat Island-Effekt zum Anfassen


Der STRESS-Raum ist mehr als eine Ausstellungseinheit – er ist eine simulierte Hitzewelle. Versiegelte Bodenflächen, hitzereflektierende Fassaden und fehlende Verdunstungsflächen verstärken in vielen Städten bereits heute Temperaturunterschiede von bis zu 10 °C im Vergleich zum Umland.

Durch gezielte Steuerung von Raumklima, Luftfeuchtigkeit und Lichtinszenierung wird eine Atmosphäre geschaffen, die typische Bedingungen eines städtischen „Urban Heat Island“-Effekts nachempfindet.

In STRESS wird diese Differenz spürbar gemacht: Hohe Temperaturen, stehende Luft und drückende Enge erzeugen eine Belastung, die nicht nur auf der Haut, sondern auch emotional greifbar wird.

Hitzewellen als gesundheitliche Bedrohung

Diese bewusst unangenehme Gestaltung hat ein Ziel: Sie soll sensibilisieren.

In Städten wie Paris, Athen oder Frankfurt steigen die Zahlen hitzebedingter Todesfälle stetig. Besonders gefährdet sind ältere Menschen, Kinder und gesundheitlich vorbelastete Personen.

Der STRESS-Raum macht deutlich, dass die Kombination aus klimatischen Extremwerten und schlechter Stadtplanung kein Zukunftsproblem ist, sondern eine akute Gefahr für die öffentliche Gesundheit.

Wissenschaftliche Basis durch meteorologische Simulationen

Die wissenschaftliche Grundlage für diese Inszenierung liefern meteorologische Daten und mikroklimatische Simulationen.

Die Kuratoren des Pavillons – Nicola Borgmann, Elisabeth Endres, Gabriele G. Kiefer und Daniele Santucci – arbeiten eng mit Expertinnen und Experten für Stadtklima zusammen. Digitale Werkzeuge, etwa zur Simulation von Strahlungsflüssen, Luftbewegung und Wärmespeicherung in Baumaterialien, sind Teil des kuratorischen Konzepts.

Auf diese Weise wird die Ausstellung zum Bindeglied zwischen Architektur, Stadtplanung und Meteorologie.

Planung neu denken: Architektur als Klimainstrument


Gleichzeitig demonstriert der STRESS-Raum die Dringlichkeit, mit der diese Disziplinen zusammenarbeiten müssen.

Städte können nicht länger nur funktional geplant werden – sie müssen als resiliente Klimaräume verstanden und gestaltet werden.

Dazu gehören Maßnahmen wie Entsiegelung, Begrünung, Frischluftschneisen, reflektierende Materialien und verdunstungsbasierte Kühlungssysteme.

Nachhaltigkeit auch im Ausstellungskonzept

Ein weiteres Signal setzt der Deutsche Pavillon mit seinem nachhaltigen Ausstellungskonzept. Die gesamte Energieversorgung erfolgt über Solarstrom, eingesetzte Materialien werden wiederverwendet oder recycelt.

So zeigt STRESSTEST nicht nur, was falsch läuft, sondern auch wie es besser geht – inhaltlich wie strukturell.

Ein Weckruf an Politik, Gesellschaft – und unsere Wahrnehmung

Der STRESS-Raum ist damit weit mehr als eine Ausstellung – er ist ein Weckruf. Er fordert, dass meteorologische Erkenntnisse endlich integraler Bestandteil von Stadtplanung werden. Denn die Daten sind da.

Was fehlt, ist der politische Wille. Ob dieser durch die Ausstellung gestärkt wird, liegt letztlich an den Entscheidungsträgern – und an jedem Einzelnen, der sie erlebt.

Ein besonderer Beitrag zur emotionalen Dimension dieses Erlebens kommt von der eigens für die Ausstellung geschaffenen Installation des Künstlers Christoph Brech. Seine bewegliche, atmosphärisch aufgeladene Arbeit übersetzt die Unsichtbarkeit des Klimawandels in eine sinnlich erfahrbare Bildsprache.

Sie thematisiert die Fragilität klimatischer Gleichgewichte und dient als poetisches Mahnmal, das die meteorologische Realität um eine künstlerisch-philosophische Ebene ergänzt. Damit wird STRESSTEST nicht nur zu einem Ort der Analyse, sondern auch der Reflexion.