Geruchswahrnehmung entschlüsselt: Forschende erstellen ein umfassendes Wörterbuch der Düfte
Weil sie subjektiv wahrgenommen werden, sind Gerüche oft schwer zu beschreiben. Forschende der Uni Jena haben darum untersucht, wie Menschen Gerüche erleben, und Datenbanken erstellt, die für technologische Anwendungen in Medizin, Lebensmittelkontrolle und Umweltanalytik genutzt werden können.

Wie die Farbe Blau aussieht oder wie sich die Form einer Kugel anfühlt, darüber herrscht weitestgehend Einigkeit, und zwar weltweit. Doch wenn es darum geht, Gerüche zu beschreiben, gehen die Meinungen oft auseinander. So ist es bis heute nicht ohne Weiteres möglich, aus der chemischen Zusammensetzung einer Substanz direkt auf ihren Geruch zu schließen.
Zur Lösung dieses Problems haben Forschende der Friedrich-Schiller-Universität Jena nun umfassende Datensätze erstellt, die zeigen, wie Tausende Testpersonen Gerüche wahrnehmen, beschreiben und klassifizieren.
Die chemische Komplexität von Gerüchen
„Die chemische Struktur von allem, was sich in unserer Umgebung befindet und was wir riechen können, ist in der Regel sehr komplex“, erklärt Antonie Bierling vom Institut für Psychologie der Universität Jena.
Um allgemeine Vorhersagen über die Wirkung eines Geruchs treffen zu können, sind umfangreiche Informationen zur menschlichen Wahrnehmung chemischer Grundbausteine notwendig.
Eine einzigartige Geruchsdatenbank
Im Rahmen des Projekts Olfactorial Perceptronics haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Jena nun gemeinsam mit der TU Dresden eine fundamentale Geruchsdatenbank aufgebaut. Das von der Volkswagen Stiftung geförderte Projekt verbindet Fachbereiche wie Psychologie, Physik, Chemie, Materialwissenschaften und Medizin miteinander.
Die Versuchspersonen beschrieben ihre Wahrnehmungen in eigenen Worten und bewerteten, wie angenehm oder intensiv die jeweiligen Gerüche erschienen. Auf diese Weise konnten allgemeine Aussagen über bestimmte Substanzen gewonnen werden. Die Ergebnisse sind über eine App auch für die Öffentlichkeit zugänglich.
Auf dem Weg zur elektronischen Nase
Neben grundlegenden Erkenntnissen zur Geruchswahrnehmung könnten solche Datenbanken in Zukunft innovative technologische Anwendungen möglich machen. „Unser Smartphone beispielsweise kann unser Gesicht oder unsere Stimme erkennen – beim digitalen Riechen allerdings stoßen die Entwicklerinnen und Entwickler noch an grundlegende Grenzen“, sagt Alexander Croy, Physiker vom Institut für Physikalische Chemie.
Eine praktische Anwendung könnte die Geruchsanalyse in der Medizin sein. Gemeinsam mit Forschenden aus Finnland, Israel und Tschechien erstellten die Jenaer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen weiteren Datensatz zu Körpergerüchen. Das EU-geförderte Projekt Smart Electronic Olfaction for Body Odor Diagnostics (SMELLODI) erforscht, wie Krankheitsbilder den Körpergeruch .
„Wir wissen, dass sich bestimmte Krankheitsbilder auf den Körpergeruch auswirken. Bei der Erkennung und Diagnostik von Krankheiten kann es also sehr hilfreich sein, ihn detailgenau zu erfassen“, sagt Bierling. „Allerdings lässt sich das nicht gut artikulieren, da das Vokabular für die Beschreibung des Körpergeruchs noch immer stark begrenzt ist.“
Ein internationales Geruchswörterbuch
Um dieses Defizit auszugleichen, befragten die Forschenden über 2600 Probandinnen und Probanden in 17 Ländern dazu, wie sie den Geruch verschiedener Körperpartien beschreiben würden. Dabei wurden auch Veränderungen durch Sport oder Krankheit berücksichtigt.
Das Ergebnis ist ein Geruchswörterbuch in 13 Sprachen. Es zeigt, dass es kulturell übergreifende Gemeinsamkeiten gibt: Achselgeruch wird oft als schweißig, sauer und stinkend beschrieben, Mundgeruch als frisch oder unangenehm und Fußgeruch als käsig. Forschende können diese Datenbank nutzen, um ein einheitliches Sprachsystem zur Beschreibung von Gerüchen zu etablieren. Auch diese Datenbank ist über eine App einsehbar.
Mit diesen Erkenntnissen und den gesammelten Datensätzen tragen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Jena grundlegend zur Geruchsforschung bei. Die Ergebnisse könnten einerseits das Verständnis der menschlichen Wahrnehmung verbessern, sowie andererseits auch künftige technologische Entwicklungen in Bereichen wie Medizin, Lebensmittelkontrolle und Umweltanalytik in Gang bringen.
Quellenhinweis:
Bierling, A.L., et al. (2025): A standardized lexicon of body odor words crafted from 17 countries. Scientific Data.
Bierling, A.L., et al. (2025): A dataset of laymen olfactory perception for 741 mono-molecular odors. Scientific Data.