Dorfleben: Darum sind ländliche Siedlungen für Lebensqualität und Artenvielfalt wichtig

Ländliche Siedlungen übernehmen immer noch Schlüsselfunktionen, zumindest was die Biodiversität und den Lebensraum der Menschen angeht. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie. Entscheidend jedoch ist, in welcher Landschaft die Dörfer angesiedelt sind.

Dorfrand von Botfa: Beispiel für ein Dorf inmitten einer waldreichen Landschaft in der Nähe der Stadt Zalaegerszeg, Ungarn.
Dorfrand von Botfa: Beispiel für ein Dorf inmitten einer waldreichen Landschaft in der Nähe der Stadt Zalaegerszeg, Ungarn. Bild: Tamas Lakatos

Dörfer sind Hotspots der Biodiversität. Forscher konnten zeigen, dass ländliche Siedlungen, besonders in waldreichen Gebieten, die biologische Vielfalt in Europa erhalten. Gleichzeitig wurde auch die Lebensqualität in Dörfern untersucht, die wiederum stark vom landschaftlichen Umfeld und von Stadtanbindungen abhängt.

Ursprünglich war das Dorfleben an die Landwirtschaft geknüpft, was heute nicht mehr so ist. Lebte früher noch das Gros der deutschen Bevölkerung in Dörfern, sind es heute nur noch 23 Prozent (Stand 2015).

Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Hochschule Anhalt hat 64 Dörfer in Ungarn und Rumänien untersucht. Die Orte lagen sowohl in Waldgebieten als auch in landwirtschaftlich geprägten Regionen, teils nahe an Städten, teils weit entfernt. Erfasst wurden die Artenvielfalt – darunter Pflanzen, Insekten und Vögel – sowie soziale und wirtschaftliche Daten.

Zusätzlich analysierten die Forschenden Geodaten und berechneten zwei zentrale Indizes: den Better Life Index (BLI) zur Lebensqualität und den Human Footprint Index (HFI) zur Umweltauswirkung menschlicher Aktivitäten. Die Untersuchung wurde im Fachjournal Nature Sustainability veröffentlicht.

Mehr Arten in Waldnähe

Insgesamt dokumentierten die Forschenden 1164 Arten aus neun verschiedenen Tier- und Pflanzengruppen. Die Ergebnisse zeichnen ein klares Bild: Die höchste Biodiversität fand sich in waldnahen Dörfern. Deutlich artenärmer waren dagegen Siedlungen in landwirtschaftlich geprägten Gegenden.

Dies unterstreicht die Bedeutung des landschaftsweiten Artenpools für die Biodiversität in Dörfern.

Studienleiter Dr. Péter Batáry von der Hochschule Anhalt und dem HUN-REN Centre for Ecological Research erklärt: „Die Nähe zur Stadt hatte nur geringe Auswirkungen auf die Artenzahlen und die Gesamtartenvielfalt, was darauf hindeutet, dass andere Faktoren einen größeren Einfluss haben.“

Höhere Lebensqualität in Stadtnähe

Während die biologische Vielfalt in erster Linie vom Landschaftstyp abhängt, wird die Lebensqualität wesentlich durch die Nähe zu urbanen Zentren beeinflusst. Der Better Life Index lag in stadtnahen Dörfern um 27 % höher als in abgelegenen Gebieten. In waldreichen Gegenden betrug der Vorteil immerhin noch 14 % gegenüber landwirtschaftlich geprägten Regionen.

„Die Nähe zu städtischen Gebieten bietet einen besseren Zugang zu Dienstleistungen, während bewaldete Landschaften sauberere Luft und mehr Grünflächen bieten, was den Lebensstandard und die Lebensqualität erhöht.“

– Prof. Dr. Teja Tscharntke von der Universität Göttingen, Co-Autor

Interessant wurde es beim Human Footprint Index: In Dörfern mit hoher Lebensqualität war der Wert besonders hoch, insbesondere in Stadtnähe. Das ging jedoch mit einer geringeren Artenvielfalt einher. Laut den Forschenden der Studie sei das ein klassischer Zielkonflikt: Mehr Lebensqualität bedeutet oft höhere Umweltbelastung und geringere Biodiversität.

Projektleiter Péter Batáry, hier mit dem D-vac-Insektensauger im Dorfzentrum von Salköveskút nahe der Stadt Szombathely, Ungarn.
Projektleiter Péter Batáry, hier mit dem D-vac-Insektensauger im Dorfzentrum von Salköveskút nahe der Stadt Szombathely, Ungarn. Bild: Attila Torma

Gleichzeitig zeigt die Analyse, dass komplexe, strukturreiche Landschaften, besonders in waldreichen Gegenden, den Verlust an Artenvielfalt teilweise abmildern. Dort blieb die Biodiversität selbst bei erhöhtem Human Footprint weitgehend stabil.

Prinzipiell sollte in stadtnahen Dörfern Bodenversiegelung vermieden und grüne Infrastruktur gefördert werden, empfehlen die Autoren und Autorinnen. In Waldregionen sei es zudem wichtig, landwirtschaftliche Flächen zu begrenzen und ökologische Korridore zu erhalten oder neu zu schaffen.

„Die EU-Strategie zur Entwicklung des ländlichen Raums sollte dem Management der biologischen Vielfalt Vorrang einräumen, um den Schutz und die Qualität der Landschaft in und um Dörfer zu verbessern.“

– Dr. Péter Batáry, Hochschule Anhalt und HUN-REN Centre for Ecological Research

Ländliche Siedlungen können zentrale Funktionen übernehmen, sowohl für die Artenvielfalt als auch für die Lebensqualität, so das Fazit der Studie. Voraussetzung dafür jedoch sei, dass Entwicklung, Natur- und Umweltschutz gleichermaßen berücksichtigt werden.

Quellenhinweis:

Batáry, P., Gallé, R., Korányi, D., Lakatos, T., Deák, B., Gallé-Szpisjak, N., Kabai, M., Koszta, C., Kotowska, D., Marja, R., Palotás, B., Szabó, B., Torma, A., Báldi, A., Hornung, E., László, Z., Molnár, Z., Purger, J. J., Seress, G., Urák, I., Purger, D., Sándor, K., Somay, L., Süle, G., Valkó, O., Zsigmond, A. R., Fischer, C., Marini, L., Tscharntke, T., Szitár, K., & Török, E. (2025): Biodiversity and human well-being trade-offs and synergies in villages. Nature Sustainability.