Dark Diversity: Die unbekannte Seite der Artenvielfalt – wie der Mensch die unsichtbare Biodiversität beeinflusst

Neben der Artenvielfalt kann auch das Artenpotenzial, die sogenannte Dark Diversity, wissenschaftlich erfasst werden. Forscher haben die Pflanzenvielfalt an 5500 Standorten weltweit untersucht und sind zu dem Schluss gekommen, dass die Naturbelassenheit eines Ortes einen wesentlichen Faktor für die potenzielle Artenvielfalt darstellt.

Wald
Die Dark Diversity gibt an, wie viele Arten an einem bestimmten Ort potenziell existieren könnten. Bild: Alain Audet/Pixabay

In vielen Regionen der Erde fehlen Pflanzenarten, die aufgrund der ökologischen Gegebenheiten dort eigentlich gedeihen sollten. Besonders betroffen sind Regionen, die stark vom Menschen beeinflusst sind – dort ist die sogenannte Dark Diversity besonders hoch.

Die Dark Diversity (Dunkle Diversität) beschreibt das Fehlen einheimischer Pflanzenarten, die an einem bestimmten Standort theoretisch wachsen könnten, jedoch nicht nachgewiesen werden können.

Mehr als 200 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Forschungsnetzwerks DarkDivNet haben die Pflanzenvielfalt an fast 5500 Standorten in 119 Regionen weltweit analysiert. Vor Ort ermittelten sie sämtliche vorkommenden Pflanzenarten und berechneten auf dieser Grundlage die Dark Diversity.

Die Studie entstand unter der Leitung der Universität Tartu in Estland und unter Beteiligung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig (iDiv) sowie der Universität Hamburg. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.

Die Auswirkungen menschlicher Eingriffe

Um die verborgene Biodiversität zu quantifizieren, berechneten die Forschenden die potenzielle Pflanzenvielfalt für jeden Standort und setzten sie ins Verhältnis zur tatsächlich vorhandenen Artenzahl.

Die menschlichen Aktivitäten wurden mit dem Human Footprint Index bestimmt. Der Index umfasst Faktoren wie Bevölkerungsdichte, Landnutzungsänderungen, Verstädterung sowie den Bau von Infrastruktur.

Bisherige Biodiversitätsmessungen, beispielsweise durch reine Artenzählung, können die menschlichen Auswirkungen nicht präzise erfassen, da natürliche Schwankungen in verschiedenen Ökosystemen das Gesamtbild verzerren.

Blumenwiese
In Regionen mit geringem menschlichen Einfluss kommen mehr Arten vor. Bild: Jeyaratnam Caniceus/Pixabay

Die Ergebnisse zeigen, dass in Regionen mit geringem menschlichen Einfluss mehr als ein Drittel der potenziell geeigneten Pflanzenarten tatsächlich vorkommen. In stärker vom Menschen geprägten Gebieten liegt dieser Anteil hingegen nur bei einem Fünftel.

„Das Ergebnis ist alarmierend, denn es zeigt, dass die Auswirkungen menschlicher Eingriffe viel weiter reichen als bisher angenommen und auch Naturschutzgebiete betreffen. Umweltverschmutzung, Holzeinschlag, Vermüllung, das Zertrampeln von Flächen und vom Menschen verursachte Brände können Pflanzen aus ihren Lebensräumen verdrängen und ihre Wiederbesiedlung verhindern.“
Prof. Meelis Pärtel, Hauptautor der Studie und Wissenschaftler an der Universität von Tartu

Seit der Gründung des DarkDivNet-Netzwerks im Jahr 2018 verfolgt das Team das Ziel, mit einer einheitlichen Untersuchungsmethode in 37 Ländern einen globalen Vergleich der Dark Diversity zu ermöglichen.

Schutzgebiete als Gegenmaßnahme

Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass der negative Einfluss des Menschen abgeschwächt wird, wenn mindestens ein Drittel der umgebenden Landschaft unberührt bleibt. Diese Erkenntnis stützt das auf der UN-Biodiversitätskonferenz formulierte Ziel, weltweit mindestens 30 Prozent der Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen.

Mehrere deutsche Forschungseinrichtungen waren an der Studie beteiligt. Zum Beispiel untersuchten die UFZ-Forscherin Dr. Lotte Korell und Dr. Kristin Ludewig von der Universität Hamburg insgesamt 31 Flächen in der Lüneburger Heide, wo sie sämtliche vorkommenden Pflanzenarten in einem typischen Birken-Eichen-Mischwald sowie in angrenzenden Grasländern und Heideflächen erfassten.

„Verglichen mit anderen Regionen waren sowohl der Human Footprint Index mit knapp 15 als auch die Dark Diversity mit rund 40 Pflanzenarten auf unserer Untersuchungsfläche relativ hoch“, erklärt Lotte Korell. Trotz großer naturnaher Gebiete zeigen die Werte, wie stark menschliche Aktivitäten Landschaft und Biodiversität beeinflussen.

Die Studie zeigt insgesamt, dass sich der menschliche Einfluss nicht nur auf die sichtbare Pflanzenvielfalt auswirkt. Auch Arten, die eigentlich dort wachsen sollten, bleiben aus. Die Dark Diversity verdeutlicht, dass Biodiversitätserfassung neu gedacht werden muss – mit einem stärkeren Fokus auf das Unsichtbare.

Quellenhinweis:

Pärtel, M., R. Tamme, C. P. Carmona, K. Riibak, M. Moora, L. Korell and M. Zobel (2025): Global impoverishment of natural vegetation revealed by dark diversity. Nature. https://doi.org/10.1038/s41586-025-08814-5